Kommentar Ackergifte und Groko-Streit: Wirtschaftspolitik von vorgestern
Die Ministerinnen der Union verstehen sich als Lobbyistinnen der etablierten Player. Für frische Ideen haben Sie nicht den Kopf frei.
Regieren ist Mist, zumindest unter dem Gesichtspunkt der Modernisierungsfähigkeit von Parteien betrachtet. Aktuell lässt sich das am Umgang des Landwirtschaftsministeriums mit Ackergiften studieren. Ungeachtet aller Debatten über das Insektensterben setzt es auf Pestizide. Damit entstammt die Agrarpolitik der Julia Klöckner (CDU) dem vergangenen Jahrhundert. Sie setzt auf Gentechnik, Exportorientierung, Fleischproduktion und möglichst industrielle Strukturen.
Damit reiht sie sich brav ein in die Riege ihrer christ- oder sozialdemokratischen KabinettskollegInnen aus dem Verkehrs- oder Wirtschaftsressort. Auch sie machen Politik von vorgestern, weil sie ohne eine entscheidende Erkenntnis der Gegenwart auskommen müssen: Eine moderne, zukunftsgewandte Wirtschaftspolitik ist ökologisch. Sie schont ernsthaft gefährdete Ressourcen wie Böden, Wasser, Artenvielfalt und ein stabiles Klima.
Am 8. März veröffentlichen wir auf taz.de nur Beiträge von Frauen* und nicht-binären Menschen, und auch nur diese kommen darin vor: als Expert*innen, als Protagonist*innen, auf den Fotos. Trotzdem beschäftigen wir uns nicht primär mit dem, was im allgemeinen Sprachgebrauch gern als „Frauenthemen“ bezeichnet wird – sondern mit dem Tagesgeschehen.
Beispiel Verkehr: In den Wachstumsmetropolen Asiens und Afrikas wird Mobilität elektrisch, vernetzt und öffentlich sein. Das Auto ist genauso von gestern wie eine Verkehrspolitik, die den automobilen Individualverkehr in den Mittelpunkt stellt. Beispiel Energie: Das Industrieland, das heute flexible Netzinfrastrukturen baut, die Sektoren Verkehr, Industrie, Wärme und Energie koppelt, ist erfolgreich auf den Märkten der Industriestaaten von morgen. Die werden, getrieben vom Klimawandel und knapper werdendem Öl, genau solche Konzepte brauchen. Aber das Wirtschaftsministerium bremst die Energiewende aus, statt ihre Rahmenbedingungen zu verbessern.
So sehr verstehen sich die MinisterInnen der Union als eifrige Lobbyisten der etablierten Player, dass sie den Kopf nicht frei haben für frische Ideen. Das wird zu einem Problem für uns alle, denn wer in der fossilen Wirtschaft von gestern erfolgreich war, muss das in der dekarbonisierten von morgen nicht bleiben. Den Blick nach vorne richten, Überkommenes aussortieren, dafür sollte sich die Union Zeit nehmen. Am besten in der Opposition.
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