piwik no script img

„Ich bin der gewählte Präsident“

Kongos Oppositionsführer Martin Fayulu erklärt, warum er die Ergebnisse der Wahlen 2018 und den neuen Präsidenten Tshisekedi ablehnt. Er fordert eine neutrale Wahlwiederholung und warnt vor Instabilität

Martin Fayulu lässt nicht locker. Hier (in Weiß) bei einer Kundgebung in Kinshasa, 2. Februar Foto: Kenny Katombe/reuters

Von Simone Schlindwein, Kampala

„Ich bin der von den Kongolesen gewählte Präsident“: Im Telefon­interview mit der taz gibt sich Martin Fayulu, Oppositionsführer in der Demokratischen Republik Kongo, unbeugsam. Er sieht sich nach wie vor als den wahren Sieger der Präsidentschaftswahl vom 30. Dezember 2018: Unabhängige Berechnungen gaben ihm rund 60 Prozent der Stimmen, aber Kongos Wahlkommission kürte stattdessen den anderen Oppositionsführer, Etienne Tshisekedi, zum Sieger. Tshise­kedi, dem die unabhängigen Zahlen gerade einmal rund 18 Prozent gaben, übernahm Ende Januar das Amt des Staatspräsidenten von Amtsvorgänger Joseph Kabila.

„Die ganze Wahl wurde nur veranstaltet, um Kabila zu helfen, jemanden nach seinem Gutdünken zu ernennen“, schimpft Fayulu jetzt. Er hält sich in Kongos Hauptstadt Kinshasa auf, wo gerade das neue Parlament konstituiert wird, dem er angehört. Tshisekedi sei zwar Präsident, aber „er ist in einer Koalition mit Kabila. Das ist alles eine Maskerade und er selbst hat gar keine Kontrolle über die Situation.“ Einen Eintritt in eine Regierung der Nationalen Einheit, wie von Tshisekedi vorgeschlagen, lehnt Fayulu ab: „Tshisekedi hat im Parlament keine Mehrheit, die hat Kabilas Lager, und Kabila kann alles kontrollieren. Ich sehe jetzt nicht, was ich da bewirken soll.“

Aber gewährleistet der friedliche Wechsel von Kabila zu Tshisekedi nicht zumindest Stabilität? Dieses Argument wischt ­Fayulu beiseite: „Es ist ein Fehler zu glauben, mit diesem Arrangement kann man Stabilität erzeugen. Die internationale Gemeinschaft bevorzugt es nun, Tshisekedi im Amt zu haben, der nicht einmal 18 Prozent der Stimmen erhalten hat – und das soll Stabilität garantieren? Das ist nur eine hypothetische Stabilität.“ Deswegen warnt der Oppositionspolitiker: „Wenn wir diese Krise jetzt ignorieren, wird sie in einigen Monaten oder einem Jahr auf uns zurückschlagen.“

Fayulu setzt nun auf internationalen Druck, insbesondere durch die Afrikanische Union (AU): „Ich habe mich an die AU gewandt, weil diese ja auch gesagt hat, dass es ernsthafte Zweifel an den Wahlergebnissen gibt.“ Er erinnert daran, dass die AU im Januar vorgeschlagen hatte, das Wahlergebnis auszusetzen und „eine hochrangige Delegation zu schicken, um alle Akteure an einen runden Tisch zu setzen und eine effektive Lösung zu suchen.“ Das wurde dann zwar abgesagt, aber vom Tisch ist es nach Meinung Fayulus nicht: „Ich habe sie jetzt noch einmal gebeten, eine Kommission einzurichten, die die Wahlergebnisse verifiziert. Wenn die AU denkt, das ist nicht so schnell zu machen, dann habe ich vorgeschlagen, die Wahlen im Kongo in sechs Monaten zu wiederholen. Wir benötigen bis dahin eine Übergangsregierung ohne Politiker, die das Land voranbringen kann. All das muss im Rahmen der AU diskutiert werden und die internationale Gemeinschaft könnte dafür Pate stehen. Dann hat die kongolesische Bevölkerung eine echte Chance, dass ihre Stimme gehört wird.“

In diesen sechs Monaten müsste eine neue Wahlkommission und ein neues Verfassungsgericht eingerichtet werden, denn „sie stehen alle im Dienst von Kabila“, sagt Fayulu. Notfalls müsse die Übergangszeit auch länger dauern.

„Tshisekedi ist in einer Koalition mit Kabila. Er selbst hat gar keine Kontrolle“

Martin Fayulu

Nun sind die Aussichten, dass diese Szenario realisiert wird, gering – vergangenes Wochenende wurde Tshisekedi vom AU-Staatengipfel mit warmen Worten aufgenommen. Aber Fayulu bleibt hartnäckig: Er will nun die Kongolesen mobilisieren.

„Ich habe eine Tour durch das Land vorbereitet, die am Donnerstag losgeht“, kündigt er an. „Ich werde in die Provinz Nord-Kivu reisen, in die Stadt Bu­tem­bo und danach nach Goma. Danach nach Kikwit und weiter nach Matadi. Ich will die Kongolesen treffen, die mich gewählt haben und ihnen versichern, dass ihre Wählerstimmen nicht verloren sind. Wir haben im Kongo eine große Kultur des Widerstandes – und meiner wird ein Widerstand der Bürger sein, ohne Provokation und ohne Gewalt. Denn das Volk hat gewählt. Und diese Entscheidung muss in einer Demokratie respektiert werden. Die Kongolesen haben auf eine glaubwürdige Alternative zum Regime Kabilas gesetzt. Doch bis jetzt ist Kabilas System an der Macht – nur dass er sich eine Maske aufgesetzt hat.“

Das komplette Interview mit Martin Fayulu im Wortlaut lesen Sie auf taz.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen