piwik no script img

Der lange Weg zur Fahrradstadt

Das rot-grün regierte Hamburg behauptet, Fahrradstadt werden zu wollen. Spezielle Radschnellwege, sogenannte Velorouten, sollen die RadlerInnen sicher und schnell durch die Stadt führen. Doch nicht selten führen sie auch durch ein hohes Verkehrsaufkommen, in dem FahrradfahrerInnen wieder einmal das Nachsehen haben

Nicht ungefährlich: Die Kreuzung Weidenalle/Altonaer Straße im Hamburger Schanzenviertel, von der Weidenallee aus gesehen Foto: Miguel Ferraz

Von David Günther

Seit zehn Jahren versucht Hamburg, fahrradfreundlicher zu werden. Auf den sogenannten Velorouten sollen RadlerInnen sicher, bequem und schnell durch die Stadt kommen. Tempo 15 bis 25 soll dort möglich sein, heißt es in den Leitlinien der Stadt für das Veloroutennetz, sogar „höhere Geschwindigkeiten sind anzustreben“. Dafür sollen die Velorouten zwei Meter breit sein– wenn die Straßensituation es zulässt.

14 Velorouten gibt es bis jetzt quer durch Hamburg, fast alle führen in die City. 280 Kilometer lang soll dieses Netz werden, für 176 Kilometer indes „besteht noch Handlungsbedarf“, heißt es im aktuellen „Fortschrittsbericht 2018“ über Hamburgs Radverkehrsstrategie. Heißt: Diese Radwege gibt es noch gar nicht.

Und selbst die existierenden Velorouten sind nicht immer hilfreich. An einem Freitagnachmittag stehe ich an der Ecke Altonaer Straße und Weidenallee. Die Kreuzung an der Grenze zwischen den Stadtteilen Eimsbüttel und Sternschanze ist Teil der Veloroute 2 zwischen der Innenstadt und Eidelstedt.

Ich warte auf den Pressesprecher des Hamburger ADFC, Dirk Lau. Es ist ein bewölkter kalter Tag und es sieht aus, als würde es jeden Moment regnen. Gegenüber ist der Fußballplatz des FC Sternschanze, auf dieser Seite ein Bio-Discounter und ein Supermarkt.

Ich stelle mich unmittelbar vor die Kreuzung an die Einfahrt in die Weidenallee, die in Richtung Christuskirche führt. Als die Ampel auf Grün schaltet, fahren die Autos auf der einspurigen Strecke los, unmittelbar daneben die FahrradfahrerInnen. Solange beide geradeaus fahren, gibt es kein Problem. Beim Rechtsabbiegen indes werden FahrradfahrerInnen häufig übersehen.

Oft wird gehupt und dabei die RadlerInnen geschnitten. Ein älterer Herr mit blauem Helm weicht auf den Bürgersteig aus, um sich vor dem rechts abbiegenden PKW zu schützen. Wahrscheinlich befürchtet der Mann, übersehen zu werden: Vor ihm hatte ein Autofahrer gerade noch rechtzeitig vor einer Radfahrerin abgebremst. Die Frau erschrak, konnte aber noch ausweichen.

Auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass die „angestrebte“ Mindestbreite des Fahrradweges nicht erfüllt ist. Eine Messung ergibt: Der Schutzstreifen Richtung Altonaer Straße ist 1,66 Meter breit. Nur Richtung Weidenallee wird der Standard fast erfüllt. Dort beträgt die Breite 1,98 Meter. Dennoch wird der Seitenabstand fast nie eingehalten. Die Autos rasen knapp an den Radlern vorbei, als würden sie sie gar nicht bemerken.

Als Dirk Lau ankommt, hat sich das Verkehrsaufkommen gerade ein wenig beruhigt. Er hat eine schwarze Winterjacke und Handschuhe an. Auf dem Kopf trägt er einen schwarzen Helm. Er bleibt neben mir stehen, steigt aber nicht vom Fahrrad ab. Die Hände bleiben am Lenker, als wolle er jeden Moment losfahren.

„Die Kreuzung wurde letztes Jahr erst umgebaut, um den Fahrradverkehr sicherer zu machen“, sagt Dirk Lau. „Es hat sich zwar ein wenig verbessert, doch ausreichen tut es nicht.“ Er spricht laut, um die Straßengeräusche zu übertönen.

Auch wenn sie nur parken, stellen Autos eine Gefahr da. Nicht selten entsteht die Situation, dass Autofahrer die Autotür aufreißen. Für Fahrradfahrer ist das gefährlich. Abbremsen ist schwierig bis unmöglich. Ausweichen auf die Autospur ist meistens keine gute Option.

Dirk Lau hat das gerade wieder erlebt. Auf dem Weg zu unserem Treffpunkt öffnete sich die Tür eines PKW, und Lau fuhr ungebremst hinein. Ausweichen war unmöglich, da Autos ihn überholten. Abbremsen konnte er auch nicht mehr. Aber er hatte Glück und kam mit ein paar Schäden am Fahrrad und Schürfwunden davon.

Oft nutzen Autos oder Lastwagen die Fahrradwege auch, um zu parken oder „nur kurz“ zu halten, erzählt Dirk Lau. Als Fahrradfahrer müsse man sich dann entscheiden, ob man warten oder ausweichen wolle. Oft würden die Autofahrer einen aber erst gar nicht auf die Straße lassen. Sie würden einfach vorbeifahren und die Fahrradfahrer gar nicht beachten.

Auch die Probleme beim Abbiegen kennt Dirk Lau zur Genüge. Jeden Tag werde er beim Abbiegen übersehen oder nicht mal beachtet. Viele guckten vor dem Abbiegen nicht mal in den Rückspiegel und schnitten den Fahrrädern den Weg ab.

Um die Situation zu verbessern, hat der Sprecher des Hamburger ADFC einige Vorschläge parat: Er plädiert einen Ausbau sogenannter Fahrradstraßen, auf denen nur Fahrräder fahren dürfen. In Hamburg gibt es davon schon einige, ihre Einführung im citynahen Bereich an der Alster führte zu heftigen Diskussionen.

Eine andere Idee wäre der Abbau der Parkplätze, die sich auf den Seitenstreifen neben der Fahrbahn befinden. Der dadurch entstehende Raum könnte genutzt werden, um breitere Fahrradwege zu bauen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen