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Strategiepapier für OstdeutschlandFlottes Netz für den Osten

CDU und SPD wollen 30 Jahre nach dem Mauerfall den Osten fördern. Warum? Im Herbst stehen drei Landtagswahlen an.

Entsteht hier bald ein neues Bundesamt? Ihlow im Oberbarnim (Brandenburg) Foto: Simone Kuhlmey

Berlin taz | Der Kampf gegen die Rechtspopulisten wird nicht nur bei der Europawahl im Mai ausgefochten, sondern auch bei den Landtagswahlen im Herbst in Sachsen, Brandenburg und Thüringen. In allen drei Ländern kann die AfD sogar stärkste Partei werden. Union und SPD haben nun in Papieren fixiert, wie sie 30 Jahre nach dem Mauerfall die WählerInnen zwischen Schwedt und Zwickau überzeugen wollen. Für beide steht viel auf dem Spiel. Die SPD regiert in allen drei Ländern, die Union muss in Sachsen die AfD auf Distanz halten.

Der SPD-Vorstand hat am Montag ein 12-Punkte-Programm verabschiedet. Die zentralen Forderungen: Nach dem Ende des Soli 2019 soll ein „neuer Pakt für strukturschwache Regionen in Ost und West“ aufgelegt werden. Zudem sollen künftig mehr Einrichtungen des Bundes im Osten angesiedelt werden. Und die SPD will die Versorgung mit schnellem Internet „an jeder Milchkanne“ sicherstellen. Dafür müsse „der Staat die Vorgaben machen, nicht der Markt“.

Daneben finden sich im dem Papier die Forderungen nach einer Grundrente, die über der Grundsicherung liegt und der Verlängerung des Arbeitslosengeldes (ALG1). Letzteres ist Teil der SPD-Strategie, sich von Hartz IV zu verabschieden – ebenso die Forderung, dass der Mindestlohn auf 12 Euro steigen soll. Diese Idee hat sich mittlerweile auch der rechte Parteiflügel auf die Fahne geschrieben.

„Aufarbeitung, Anerkennung, Aufbruch“, so lautet der etwas pädagogisch anmutende Dreischritt, mit dem die SPD im Osten bestehen will. Dem nach wie vor bestehenden Ungleichgewicht zwischen West und Ost soll mit Symbolen und Geld entgegengewirkt werden. Allerdings bleibt vage wie viel. In dem Papier fehlen konkrete Angaben.

„Gesamtdeutsche Strukturförderung“

Mike Mohring, CDU-Chef in Thüringen, stellte in Berlin den 21 Punkte umfassenden Forderungskatalog der CDU für den Osten vor. „Der Angleichungsprozess zwischen Ost und West ist in den letzten 10 Jahren zum Erliegen gekommen“, so Mohring. Deshalb will auch die CDU schnelles Internet für östliche Provinzen und eine Grundrente zehn Prozent über der Grundsicherung.

Ähnlich klingt auch die Forderung, dass es nach dem Ende des Soli 2019 „eine gesamtdeutsche Strukturförderung geben“ soll. Auch die CDU will, dass Institutionen des Bundes und der EU vorrangig im Osten angesiedelt werden. Der 21-Punkte-Plan sei, so Mohring, nicht als Antwort auf die AfD gedacht. Man wolle die eigenen Stärken betonen. Konkrete Zahlen fehlen auch bei der CDU.

Es gibt auch Unterschiede zwischen den Ost-Plänen der beiden Parteien. So prononciert die SPD die Verantwortung des Staates für ein schnelles Internet. Die CDU will hingegen Grenzkriminalität bekämpfen und „illegale Zuwanderung unterbinden“.

Die CDU kopiert uns

Wolfgang Tiefensee, SPD Thüringen

Die SPD-Spitze reagiert, angesprochen auf die programmatischen Ähnlichkeiten mit der CDU, abwehrend. Wolfgang Tiefensee, SPD-Spitzenkandidat in Thüringen, betont, dass man das Copyright auf Forderungen wie den Härtefallfonds für RentnerInnen habe. „Die CDU kopiert uns“, so Tiefensee. Dietmar Woid­ke, SPD-Ministerpräsident in Brandenburg, wirft der CDU Geschichtsklitterung vor. In dem CDU-Papier fehle jeder selbstkritische Hinweis auf die Rolle der Ost-CDU in der DDR. Und: „Wir haben zwischen Ost und West eine Tarif- und eine Rentenmauer. Auch diese Mauern müssen fallen“, so Woidke.

Auch SPD-Chefin Andrea Nahles hält Löhne für den zentralen Unterschied zwischen SPD und CDU. Zu 12 Euro Mindestlohn und längerem ALG1 „macht die Union keine klare Aussage“. Allerdings beschränkt sich die SPD darauf, zu appellieren, mehr Tarifverträge im Osten zu schließen. Bemerkenswert ist zudem, dass die SPD die Erhöhung des Mindestlohns nur mit einer Einschränkung fordert: Er soll „perspektivisch auf 12 Euro“ steigen. Offenbar eine Konzession an die Lage im Osten, wo das Lohnniveau noch immer niedriger ist als im Westen.

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6 Kommentare

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  • Etwas armselig, 30 Jahre nach dem Mauerfall von der Ansiedlung von Institutionen im Osten zu reden .



    Dass man die nicht gleich 1991 umgesiedelt hat, war im Interesse der Beschaeftigten korrekt, aber ein stetiger Migrationsplan mit Neueinstellungen v.a. an den neuen Standorten waere jetzt weitgehend abgeschlossen.

  • Die SPD will einmal mehr das Geld anderer Leute ausgeben. Aber: 12 € Mindestlohn wird man spüren. Entweder werden Dienstleistungen für alle spürbar teurer, oder es werden Menschen im Niedriglohnsektor arbeitslos. In meinen Augen keine gute Idee.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    …"CDU und SPD wollen 30 Jahre nach dem Mauerfall den Osten fördern"?



    *lol*



    Gibt es da nicht seit Jahrzehnten einen sog. Solidaritätsbeitrag, den (fast) jeder Erwerbstätige in diesem Lande entrichtet? Was passierte all die Jahre mit dem Geld? Und ich dachte immer, ich finanziere damit z.B. die Infrastruktur in der ehemaligen DDR?!

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Mit den 17,9 Milliarden, die die BRD 2017 mit dem Soli eingenommen hat, sind nicht mal die Sozialtransfers in die neuen Länder bezahlt.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Der Soli ist nicht zweckgebunden.Er geht in den allgemeinen Haushalt.



      Außerdem muß man feststelen, dass die Westfirmen fast alle größeren Infrastrukturprojekte bei Ausschreibungen gewinnen. Das Geld geht also sofort wieder in den Westen.

      • @Vladimir Z.:

        Das deutet dann wohl darauf hin, dass Ausgaben fuer Infrastrukturprojekte i.d.R. keine effektive Regionalfoerderung bewirken.