Auftakt zur Handball-WM in Berlin: Handballer zum Anfassen
Am Donnertag steigt das Eröffnungsspiel der Handball-WM: Deutschland spielt gegen das vereinigte Team aus Korea.
Für einen kurzen Moment flackerte Uneinigkeit auf in der großen Armada, die Ende Dezember in Berlin die kommende Heimweltmeisterschaft präsentierte. Auf die sportlichen Ziele der deutschen Mannschaft angesprochen, lavierte Bundestrainer Christian Prokop herum: „Wir wollen demütig und konzentriert bleiben und nicht zu sehr über einen möglichen Ausgang sprechen.“ Bob Hanning, Geschäftsführer der Füchse und Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB), legte schnell nach: „Es muss unser Ziel sein, sportlich erfolgreich nach Hamburg zu fahren.“ In Hamburg findet das Halbfinale statt, „wir wollen unter die ersten Vier“, bekräftigte Hanning. Der DHB-Tross schwankt etwas: zwischen dem Abfedern des hohen Drucks, der auf dem Team lastet, und dem gleichzeitigen Wissen, dass sportlicher Erfolg eigentlich sein muss.
Nahbar und zum Anfassen sollen die Handballer sein, die Basis mitnehmen, und zugleich die Position des Handballs als deutscher Teamsport Nummer 2 hinter dem Fußball ausbauen. Ein großer Balanceakt, der in Berlin beginnt. Hier finden Teile der Vorrunde statt, insgesamt 15 Partien in der Arena am Ostbahnhof. Darunter die fünf Vorrundenspiele der Deutschen: Den Auftakt bildet das heutige Eröffnungsspiel um 18.15 Uhr gegen das vereinigte Team von Korea.
Es ist ein politischer Coup, wie ihn sich die Funktionäre erträumt haben und den Sportfunktionäre und Politik kräftig ausschlachten. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, hat sich für die Partie angekündigt, auch Frank-Walter Steinmeier, Horst Seehofer und der Regierende Bürgermeister Michael Müller werden in der Arena am Ostbahnhof sein.
„Wir kommen aus einer ehemals geteilten Stadt. Es passt fast nirgendwo besser als in Berlin“, kommentierte DHB-Präsident Andreas Michelmann das Auftaktspiel. Berlin ist ohnehin eines der Zugpferde unter den deutschen Austragungsorten: Einen Tag vor dem Start in die Handball-WM sind mehr als eine halbe Million Tickets für die Endrundenspiele in Deutschland verkauft worden, sagte der Vorstandschef des (DHB), Mark Schober, am Mittwoch in Berlin.
Kiel und Mannheim gingen leer aus
Das war erwartbar, ist Berlin doch der einzige deutsche Austragungsort, wo aktuell ein Handball-Erstligist der Männer spielt. Drei Spieler der Füchse – Silvio Heinevetter, Paul Drux und Fabian Wiede – sind Teil des WM-Kaders. Handballhochburgen wie Kiel und Mannheim freuten sich freilich nicht, dass der Verband sie links liegen ließ, um die Metropolen vorzuziehen.
Die Handball-WM findet ab heute bis zum 27. Januar in Deutschland und Dänemark statt; 24 Nationen spielen um den Titel. In Berlin gibt es 15 Vorrundenspiele in der Arena am Ostbahnhof – und noch wenige Restkarten. Die Deutschen spielen hier wie folgt: Auftaktspiel am Donnerstag, 18.15 Uhr gegen Korea; Samstag, 18.15 Uhr gegen Brasilien; Montag, 18.00 Uhr gegen Russland; Dienstag, 20.30 Uhr gegen Frankreich und nächsten Donnerstag (17. 1.), 18.00 Uhr gegen Serbien. Auch live in ARD und ZDF.
Mit neuem Modus: Nach der Vorrunde mit vier Sechsergruppen gibt es eine Hauptrunde. Die drei besten Teams jeder Vorrundengruppe spielen dort in zwei weiteren Sechsergruppen. Die Punkte, die in der Vorrunde gegen spätere Hauptrundengegner erzielt wurden, werden in die Hauptrunde mitgenommen. Die ersten beiden Mannschaften kommen ins Halbfinale. Es gibt außerdem Platzierungsspiele um Platz 3, 5 und 7 sowie den „President’s Cup“, ein Miniturnier für die gescheiterten Teams der Vorrunde. (asc)
Raus aus der braven Provinz und rein in die hippe Großstadt will der DHB. In Berlin soll es eine Fanzone auf über 1.500 Quadratmetern in der Verti Music Hall direkt neben der Arena am Ostbahnhof geben, mit einem Spielfeld für Fans und „Entertainment rund um die Uhr“, wie der DHB verspricht. Auch BerlinerInnen ohne Tickets dürfen dorthin. Im Stadtzentrum wird man allerdings, anders als bei der Leichtathletik-EM, wohl wenig vom Turnier mitbekommen. Selbst finanziell zeichnet sich ein Erfolg ab. Mit einem Überschuss von mindestens 250.000 Euro rechnet der Handballverband.
In Berlin hat die Co-Austragung der Handball-WM auch System. Auffällig verstärkt bemüht hat sich der Senat in den vergangenen Jahren um Sportturniere mit Strahlkraft. Im Jahr 2018 waren es vor allem die Leichtathletik-EM, die Para-EM und die European Championships. Und am ersten Augustwochenende dieses Jahres folgt noch das neue Event „Die Finals“, eine gebündelte Austragung der nationalen Titel in 155 Disziplinen, darunter Leichtathletik, Schwimmen und Turnen.
Erst kürzlich hat die Hauptstadt den Zuschlag für die Ausrichtung der Special Olympics 2023 erhalten – und beim Wort „Olympics“ ist dann auch das Wort „Olympia“ nicht weit. Sportstaatssekretär Aleksander Dzembritzki sagte im November auf einer Veranstaltung beim Verband Deutscher Sportjournalisten: „Ich würde mich freuen, wenn noch einmal über eine gesamtdeutsche Bewerbung für Olympia nachgedacht wird.“
Politiker für Olympische Spiele in Berlin
Ziemlich offensiv sprechen sich Berliner Politiker derzeit für Olympische Spiele in der Hauptstadt aus. Sowohl Michael Müller als auch Sportsenator Andreas Geisel spielten 2018 öffentlich mit dem Gedanken einer erneuten Bewerbung. Dzembritzki erwog eine Co-Ausrichtung etwa mit Hamburg. Ob das vermittelbar ist angesichts exorbitanter Kosten und der Tatsache, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen eine Ausrichtung ist, ist fraglich.
Auch deshalb wohl sollen die Großveranstaltungen jetzt ganz betont die Basis mitnehmen. „Handball wird zum Motor für alle anderen Sportarten“, sagte Dzembritzki kürzlich gegenüber der Berliner Zeitung. „Wir etablieren eine neue Kultur: Veranstaltungen haben einen Rahmen, der andere Sportarten mitnimmt.“ Was zu beweisen bleibt.
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