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„Nazis raus“ trendet auf TwitterUngenaue Solidarität

Der Angriff auf einen AfD-Politiker verunsichert viele, die zuvor „Nazis raus“ twitterten. Das zeigt, wie schwammig die Twitter-Soli-Aktion ist.

Wo ist die Grenze? AfD, Pegida und Kameradschaftsnazis demonstrieren gemeinsam in Chemnitz Foto: dpa

Die ZDF-Korrespondentin Nicole Diekmann twittert am 1. Januar zwei Wörter: „Nazis raus“. Gefragt, wer für sie denn Nazis seien, antwortet sie: „Jede/r, der/die nicht die Grünen wählt.“ Daraufhin möchten viele die Ironie nicht erkennen, ein tagelanger Shitstorm beginnt, mit Todes- und Vergewaltigungswünschen gegen die Journalistin.

Am Montag solidarisieren sich Journalisten, andere Twitter-Nutzer und ganze Medienhäuser mit Diekmann, indem sie selbst „Nazis raus“ twittern. Der Tagesspiegel beendet sogar einen Artikel mit dem Wortpaar. Die Solidaritätsaktion befeuert wiederum neue Kritik durch Rechte und Internet-Trolle – richtig ist sie trotzdem. Ja, die neuen Anfeindungen zeigen sogar, dass die Aktion nötig ist. Rechte sind in den vergangenen Jahren selbstbewusster geworden. Das hat viele Gründe, unter anderem unsere Diskussionskultur. Wir haben mit ihnen geredet, statt uns gegen sie zu positionieren.

Dass Twitter nun voll von „Nazis raus“ ist, ist endlich ein Zeichen, dass mit Rechten reden sich als der verkehrte Weg erwiesen hat. Natürlich wird der Kampf gegen den Faschismus nicht auf Twitter entschieden. Aber die Mitte der Gesellschaft solidarisiert sich jetzt endlich gegen rechte Attacken und benutzt einen Slogan, der früher eher auf Punk-Konzerten oder Antifa-Demos zu hören war.

Dabei bleibt offen, wer mit „Nazis“ gemeint ist und ob sie wirklich „raus“ sollen. Jeder muss die Frage für sich selbst beantworten: Zähle ich nur vom Verfassungsschutz beobachtete Rechtsextreme dazu oder sind für mich alle AfD-Abgeordneten, vielleicht sogar schon AfD-Wähler Nazis? Wo und wohin sollen sie raus? Sollen wir es wörtlich nehmen und Nazis in ihr Heimatland in den Grenzen von sagen wir 1942 abschieben oder sollen wir sie nur outen, sozial isolieren und persönlich meiden? Vielleicht auch einfach mal ’ne Aktion starten?

Nur solange das nicht gesamtgesellschaftlich erörtert ist und es beim „Nazis raus“-Tweet bleibt, können Liberalos und Linke Seit an Seit protestieren, zumindest digital, werden durch die Ungenauigkeit aber angreifbar. Was wie ein vermeintlich klares Zeichen aussieht, kann auch dafür kritisiert werden, zu unkonkret zu sein.

Für rechte Propagandazwecke angreifbar

Gerade als der Hashtag „Nazis raus“ auf Twitter trendet, wird der Bundestagsabgeordnete Frank Magnitz in seiner Heimatstadt Bremen von Vermummten angegriffen und schwer verletzt. Ohne die Ermittlungen abzuwarten, verbreiten AfD-Seiten und AfD-Politiker ein Foto des blutüberströmten Magnitz und machen Linke für die vermeintliche Hass­attacke verantwortlich.

Mit Rechten zu reden hat sich als der verkehrte Weg erwiesen

Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass die Tat einen politischen Hintergrund hat. Die AfD geht aber einen Schritt weiter: Linke, Liberale und „Merkeldeutschland“ seien mit ihrer vermeintlichen Hetze schuld daran, dass ein Mann zusammengeschlagen wurde. Immer wieder liest man nun: „Ist das, was ihr mit Nazis raus meint?“

Die Ungenauigkeit der Solidaritätsaktion wird für rechte Propagandazwecke angreifbar. Manche, die sich erst gegen rechts ausgesprochen haben, rudern wieder zurück und setzen linke mit rechter Gewalt gleich oder twittern, dass Gewalt immer zu verurteilen sei. Sie gehen der AfD auf den Leim, so, als müsse man das Selbstverständliche äußern: dass vermummte Überfälle scheiße sind.

Soll man also aufhören, sich „Nazis raus“ zu wünschen und zuzutwittern? Nö. Wie schwammig die Definition auch vorerst ist, der Wunsch nach einer Gesellschaft ohne all die Gewalt und den Rassismus, für die „Nazi“ steht, ist unterstützenswert. Egal, ob Rechte einen deswegen für Gewalt verantwortlich machen. Dafür kann man gerne auf Demos gehen, in der Berichterstattung darauf aufpassen, links nicht mit rechts zu vergleichen oder auch einfach mal öffentlich sagen, dass man keine Nazis will. Man kann aber auch gerne damit anfangen und sich Folgendes wünschen: Nazis raus aus den Behörden, Nazis raus aus der Bundeswehr und Polizei und die vereinzelten Nazis raus aus den Parlamenten.

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28 Kommentare

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  • Im Artikel wird am Ende wie so oft vergleichen mit gleichsetzen gleichgesetzt. Ist aber nicht dasselbe. Natürlich kann man links mit rechts vergleichen. Muss man sogar, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzeigen zu können.

  • Naja, ganz gute Fragen, die der Artikel stellt, aber er lässt halt mal komplett die Mediatisierungskomponente weg. Nazisraus funktioniert auf twitter und als Antifa-Schlachtruf, weil tweets und Schlachtrufe ben genauso sein müssen: kurz, knackig, radikal. So funktionieren diese Medien. Gegenbeispiel: fedidwgugl. Grausam.

    Nur außerhalb von Twitter und Demos wird's dann halt schwierig. Um das festzustellen, muss man kein Rechter sein.

  • Was für ein Geschwurbel! "Nazis raus" heisst "Nazis raus"! Man kann auch alles zerreden...

  • PS Nazis raus!

  • "Aber die Mitte der Gesellschaft solidarisiert sich jetzt endlich gegen rechte Attacken und benutzt einen Slogan, der früher eher auf Punk-Konzerten oder Antifa-Demos zu hören war." ... und der vor gar nicht allzu langer Zeit in einer Konzerbesprechung noch Teil eines "peinlichen Moment" war ...

    ’Die etwas peinlichen Momente fängt von ­Lowtzow mit Ironie ein. Nachdem jemand als Gipfel der Selbstvergewisserung „Nazis raus“ anstimmen will, sagt von Lowtzow nur trocken: „Du nimmst mir das Wort aus dem Mund.“’

    www.taz.de/Archiv-...6258&s=Tocotronic/

    ;-(

  • Bezüglich des Angriffs auf den AFD-Politiker Frank Magnitz wurden aus AFD-Kreisen offensichtlich (mal wieder) massive Falschbehauptungen verbreitet.



    Laut Presemeldung der Polizei Bremen von heute, 08.01. gibt es Videoaufnahmen des Vorfalles, die abefr weder einen Schlag mit einem Gegenstand, noch Fußtritte gegen den Kopf des Opfers belegen würden.



    www.presseportal.d...t/pm/35235/4160886

    • @Wagenbär:

      Nachdem dieser Thread mal wieder fast erfolgreich versickert ist, hier nochmal zur Zusammenfassung:

      - Die Darstellungen von AfD und Polizei scheinen erheblich voneinander abzuweichen;

      - AfD hat es schon öfter nicht so genau mit der Wahrheit genommen, wenn es darum ging, ein Ereignis medial auszunutzen.

      Und... Nazis raus!

    • @Wagenbär:

      Ach so: Und das veröffentlichte Foto dürfte genau den neuen Tatbestand "Anfertigen und / oder veröffentlichen von Fotos einer Person in hilfloser Lage" erfüllen.

      • 9G
        98065 (Profil gelöscht)
        @Wagenbär:

        Anfertigung:



        Die Anfertigung erfolgte mutmaßlich auf Grundlage § 201 Abs. 4 StGB.

        Veröffentlichung:



        Auf welche Tatsachen stützt sich Ihre Annahme? Gehen Sie davon aus, dass das Opfer der Straftat die Bilder nicht selbst freigegeben hat? Quelle?

        • 9G
          98065 (Profil gelöscht)
          @98065 (Profil gelöscht):

          Korrektur: § 201a Abs. 4 StGB, natürlich.

          • @98065 (Profil gelöscht):

            Da haben Sie wohl recht.



            Das Foto belegt eine klaffende Verletzung an der Stirn.



            Laut Polizei erfolgte der Schlag von hinten.



            Insofern hat das Foto zur Aufklärung von gewissen Falschmeldungen beigetragen.

            • 9G
              98065 (Profil gelöscht)
              @Wagenbär:

              Ich wundere mich über das blinde Vertrauen in Pressemeldungen der Polizei, oder steht das Videomaterial der Öffentlichkeit zur Verfügung?

              Abgesehen davon hätten Sie natürlich Recht was die Wunde als direkte Auswirkung eines vermeintlichen Schlages von vorn auf den Kopf betrifft. Angesichts der Verletzungen möchte ich aber mutmaßen, dass der Angegriffene sich diese kaum selbst zugefügt hat, irgendwie werden sie also in Verbindung mit dem Angriff entstanden sein.

              Ich finde es entsprechend nicht ganz die feine Art, zum aktuellen Zeitpunkt einen in Teilen zur Disposition stehenden Tathergang in den Mittelpunkt dieser Diskussion zu stellen.

              • @98065 (Profil gelöscht):

                "(...)



                Ich finde es entsprechend nicht ganz die feine Art, zum aktuellen Zeitpunkt einen in Teilen zur Disposition stehenden Tathergang in den Mittelpunkt dieser Diskussion zu stellen."



                ----------------------------------------



                Doch genau Das!



                Es sind dieselben AFD-Kreise,die genau so bzüglich den Ereignissen in Chemnitz agiert haben.



                Hier wiederum haben sie ganz offensichtlich wesentliche Umstände frei erfunden oder grob irreführend dargestellt.



                Solchen schamlosen und dummdreisten Lügen muss! man so früh wie irgend möglich begegnen.

              • @98065 (Profil gelöscht):

                Wenn Sie von hinten geschubst werden und knallen auf irgendeinen harten Gegenstand, der im Weg liegt, holen Sie sich vorne eine Kopfverletzung.



                Das kann sogar passieren, wenn Sie ganz ohne Fremdeinwirkung stolpern.

                • 9G
                  98065 (Profil gelöscht)
                  @Age Krüger:

                  Naja, mal halblang: es gibt im Moment zwei Darstellungen. Polizei und Opfer/AfD...

                  Beide bestreiten den Angriff nicht. Da jetzt anlass-los von "ohne Fremdeinwirkung stolpern" zu sprechen hat für mich schon ein bissl ein Geschmäckle... wenn das bei einem Naziangriff gepostet würde, würden Sie das doch wohl auch ein wenig... unschön... finden, nicht?!

                  • @98065 (Profil gelöscht):

                    Die deutsche Sprache macht Ihnen offenbar diese Schwierigkeiten. Ich unterstelle Ihnen mal zu Ihren Gunsten, wie Sie schon weiter unten bewiesen haben, dass zumindest deutsche Geschichte auch nicht zu Ihren Grundkenntnissen gehört, dass sie einen allochthonen (= nicht einheimischen) Hintergrund haben.

                    Ich sprach in einer "Wenn... dann..."-Konstruktion von "ohne Fremdverschulden". Das heißt, der letzte Satz meines vorherigen Postings stellte eine Erläuterung allgemein zu Verletzungsmöglichkeiten dar. Er sagte nichts darüber aus, dass dies in diesem Falle zutreffen würde. Wenn man das im Deutschen ausdrücken will, würde man eine direkte Beziehung zum vorliegenden Fall herstellen, also z.B. sagen: "Es kann ja auch sein, dass er ohne Fremdverschulden hingefallen ist." Da ich aber auch diesbezüglich keinerlei Vermutung angestellt habe, ist es eben nur ein Hinweis auf Folgen eines Stoßes, der nichts mit den vorliegenden Fall zu tun hat.

  • Ein wenig schmunzeln musste ich schon, bei der Formulierung: "Die Ungenauigkeit der Solidaritätsaktion wird für rechte Propagandazwecke angreifbar." Für rechte Propagandazwecke ist jede Formulierung abgreifbar, insbesondere die, die "politisch korrekt" formuliert wird, wenn sie sich gegen das rechte Weltbild wendet.



    "Nazis raus!" ist kurz, knackig und eine für sie verständliche und klare Ansprache; und zwar unabhängig davon, wo sie gehen, stehen oder sitzen und in welcher Funktion sie tätig sind!

    • @Drabiniok Dieter:

      Ergänzung: Da es ja weder bei den x-gidas, den Identitären, der Afd...Nazis gibt, verstehe ich die Aufregung überhaupt nicht. Finden die etwa Nazis gut?

      • @Drabiniok Dieter:

        Danke, hätte ich nicht treffender ausdrücken können. (Beide Kommentare)

  • Selten so ein diffuses Zeug gelesen. Wenn eines deutlich wird, dann ist es die blödsinnige Parole "Nazis raus!". Das könnte man ja skandieren, wenn Nazis bei einer Veranstaltung unerwünscht sind. Aber wo sollen sie denn rausgeworfen werden? Aus Deutschland? Und wohin dann mit den Nazis?

    Und wenn ich dann folgendes lese, wird mir ganz übel:

    "Zähle ich nur vom Verfassungsschutz beobachtete Rechtsextreme dazu oder sind für mich alle AfD-Abgeordneten, vielleicht sogar schon AfD-Wähler Nazis?"

    Sollen wir also jetzt wirklich dem Verfassungsschutz trauen, der doch selber Probleme mit Nazis hat? Und sind Nazis wirklich nur AfD Wähler? Was ist mit den vielen Rechtskonservativen oder den Neokons? Und was ist mit den PolitikerInnen, die unsere Gesellschaft zerstören, indem sie die Lobbyarbeit machen für Mercedes Benz u. Co, Banken und Agrar- und Rüstungsindustrie? Ist "Hase, Du bleibst hier" gefährlicher als eine Verteidigungsministerin, die mit Gleichgesinnten von einer Militarisierung der EU träumt?

    Man kann es sich ja sooo einfach machen mit "Nazis raus!". Dreimal skandiert und schon bin ich ein Guter. Man muss sich nur zur geistigen Bescheidenheit zwingen.

  • Die Autorin meint ernsthaft, dass Gewalttaten gegen einzelne AFD-Politiker irgendeinen verborgenen Glanz linker Politik beinhalten. Ist das die "Positionierung" der Linken? Die falsche Alternative "Positionieren oder Reden" rechtfertigt diesen letztlich hilflosen präpotenten Aktionismus. Ein Kotau vor testosterongeschwängerten Autonomen.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Ignaz Wrobel:

      Wenn Sie sich schon ein Pseudonym von Kurt Tucholsky als Nick gewählt haben, dann sollten Sie auch wissen, wie er sich zu Nazis beispielsweise in seinem Gedicht "Rosen auf den Weg gestreut" positioniert hat:

      www.youtube.com/watch?v=IuOQasXpdcs

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        Tucholskys Gedicht ist allererste Sahne. Immer wieder.

        Allerdings - wir hatten das Thema schon gelegentlich - die JETZTZeit ist eine Andere als 1933.

        Auch das muss und darf gesagt werden ...

  • 9G
    98065 (Profil gelöscht)

    Bin ich der einzige der den Witz (?) mit 1942 nicht versteht? Nazis in die Grenzen von 1942 abschieben? Öhm? Erklärt's mir jemand?

    • @98065 (Profil gelöscht):

      1942 gab es territorial das größte Gebiet, dass die deutsche Wehrmacht besetzt hatte.

      • 9G
        98065 (Profil gelöscht)
        @Age Krüger:

        Ja, aber wenn Sie jemanden aus Deutschland in die Grenzen von 1942 abschieben, dann passiert im Zweifelsfall exakt gar nichts? Den Zwickauer schieben Sie dann ab nach... Zwickau? Das macht in keiner Dimension Sinn.

        Abgesehen davon empfinde ich ihn angesichts der Ernsthaftigkeit des Themas (es geht um die vorsätzliche körperliche Schädigung von als politischen Gegner ausgemachten Menschen) schlicht deplatziert.

        • @98065 (Profil gelöscht):

          Ich schätze eher, dass damit z.B. Stalingrad gemeint war.



          Sehr sinnvoll finde ich die Bemerkung auch nicht. Und was genau vorgefallen ist, wissen wir noch nicht. siehe:

          www.taz.de/Anschla...olitiker/!5561102/

          • 9G
            98065 (Profil gelöscht)
            @Age Krüger:

            Ah ok, das war ein Stalingrad-Niederlage-Witz. Also keine Staatsgrenzen, sondern... Besatzung/Kriegsfront/Ausdehnung 1942.

            Vielen Dank für die Erläuterung, aus der Formulierung selbst erschloss sich mir das nicht.