Problemwölfe in Schleswig-Holstein: Nabu gibt grünes Licht für Abschuss
Tote und verletzte Schafe wurden im Kreis Pinneberg hinter Schutzzäunen gefunden. Falls es ein Wolf war, würde der Nabu einen Abschuss mittragen.
Im Kreis Pinneberg gibt es derzeit möglicherweise einen derartigen „Problemwolf“. Am 28. Dezember wurden auf einer Weide in der Ortschaft Hemdingen drei verletzte Schafe gefunden – „hinter einem 108 Zentimeter hohen, wolfssicheren Flexinetz-Zaun mit 8.500 Volt“, wie das Umweltministerium mitteilt. Im benachbarten Bilsen war es am 2. Januar hinter Zäunen gleichen Typs zu zwei weiteren Vorfällen gekommen. „Wir nehmen die Angelegenheit sehr ernst“, versichert der grüne Umweltminister Jan Philipp Albrecht.
In zwei bis drei Wochen sollen die Ergebnisse der DNA-Spuren vorliegen. Das EU-Artenschutzrecht, das Wölfe unter strengen Schutz stellt, sieht auch Ausnahmen vor. Bei Wölfen, die wolfssichere Zäune überwinden, kann ein Antrag auf Abschuss gestellt werden. Bei den jüngsten Vorfällen sei die „Sachlage ziemlich klar“, will der Minister bereits wissen, auch Naturschützer Ludwichowski geht „mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit“ von einem Wolf aus.
„Wir stellen uns im Falle eines Wolfsnachweises auf einen solchen Antrag ein“, so Albrecht. Wölfe, die sich auf Nutztiere spezialisieren, gefährdeten auch das Ziel des Artenschutzes, die Koexistenz von Wolf und Mensch in der Kulturlandschaft zu erreichen, so Albrecht. Dann würde ein Jäger mit der Tötung des fraglichen Wolfes beauftragt.
In Deutschland leben derzeit knapp 500 Wölfe. Das geht aus dem Wolfsmonitoring 2017/2018 hervor, welches das Bundesamt für Naturschutz am 22. November 2018 veröffentlichte.
Demnach gibt es 73 Rudel, 30 Paare, 5 Einzelgänger und 266 Welpen.
Davon in Mecklenburg 34 Tiere: 4 Rudel, 3 Paare, 2 Einzeltiere und 18 Welpen.
In Niedersachsen sind es 102 Tiere: 13 Rudel, 9 Paare und 58 Welpen.
In Schleswig-Holstein leben lediglich 2 Einzeltiere. Nach Angaben des Umweltministeriums gab es in Schleswig-Holstein bislang 136 eindeutige Wolfsnachweise und etwa 65 Wolfsrisse auf Weiden und in Gehegen, zumeist Schafe, aber auch Kälber und Damwild. Hinzu kommen fast 40 Tötungen, bei denen ein Wolf als Verursacher nicht sicher ausgeschlossen werden konnte.
Ludwichowski trägt das Vorgehen mit. Wölfe seien intelligente und lernfähige Tiere, sagt er. „Wenn ein ganzes Rudel lernt, wie es solche Zäune überwinden kann, dann haben wir echte Probleme auf dem Land“, glaubt er. Ohne eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung für die normalerweise eher scheuen Räuber sei die Existenz der vor mehr als 200 Jahren ausgerotteten, nun aber langsam wieder einwandernden Wölfe aber kaum zu sichern.
Die in Schleswig-Holstein zusammen mit den Grünen und der FDP regierende CDU-Fraktion übt denn auch schon Druck auf Albrecht aus. Wenn ein „Problemwolf“ erkannt worden sei, sollte zügig gehandelt werden, erklärte am Montag ihr jagdpolitischer Sprecher Hauke Göttsch. Das könne in diesem Fall nur über eine sogenannte Entnahme – also einen Abschuss – des Tieres geschehen.
Das Problem im Land habe sich verschärft, sagte Göttsch. „Wolfssichere Zäune scheint es – anders als erhofft – nicht geben zu können.“ Die Koalition müsse nun gemeinsam und besonnen neue Strategien erarbeiten, um sowohl den Tierhaltern als auch dem geschützten Wolf gerecht werden zu können.
„Wolfssichere Zäune werden in der Regel nicht überwunden und sind daher auch weiterhin die beste Präventionsmaßnahme gegen Wolfsrisse“, beharrte Albrecht, räumte aber ein: „Sie bieten jedoch keinen einhundertprozentigen Schutz.“
Nun müssten zunächst die genetischen Untersuchungen aus den Pinneberger Vorfällen abgewartet werden, sagte Albrechts Sprecherin Jana Ohlhoff auf taz-Anfrage. „Wir werden den Schutz vor Wölfen weiterhin evaluieren und die Maßnahmen im Lichte neuer Erkenntnisse kontinuierlich anpassen“, versicherte sie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS