Eine Krise von epischem Ausmaß

In den USA gibt es jedes Jahr mehr Bücher, doch die AutorInnen verdienen schlechter

Michelle Obama verdiente gut mit ihrer Autobiografie. AutorInnen ohne Prominentenbonus aber haben es schwer Foto: ap

RomanautorInnen in den USA mussten in den letzten Jahren hinnehmen, dass ihr Einkommen stetig sank. Der Buchhändler Amazon wird dafür verantwortlich gemacht, die Preise zu drücken. Deswegen gebe es eine „Krise epischen Ausmaßes“ für das Einkommen amerikanischer Literaten. Das konstatiert eine neue Studie der Authors Guild, der größten Vereinigung von AutorInnen im Literatur- und Medienbetrieb der USA. Es wurden rund 5.000 AmerikanerInnen befragt, die mit dem Veröffentlichen von Büchern Geld verdienen. Die meisten von ihnen schreiben fiktionale Texte. Je ein Fünftel der Befragten schreibt Akademisches oder Sachbücher.

Das Einkommen aus Buchverkäufen sank für die Teilnehmenden zuletzt dramatisch. Im Schnitt verdienten sie im Jahr 2009 noch 10.500 US-Dollar, aber 2017 nur noch 6.080 US-Dollar. So müssen die meisten AutorInnen andere Jobs annehmen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Menschen, die fiktionale Texte schreiben, sind von den sinkenden Einnahmen aus Buchverkäufen besonders betroffen. Dieses Einkommen sank im Vergleich zu vor 4 Jahren um 27 Prozent. Ein Viertel der Befragten verdiente im Jahr 2017 gar nichts aus Buchverkäufen. Dies habe damit zu tun, dass die Tantiemen sinken und es weniger Vorauszahlungen der Verlage gebe, so die Studie.

Für die Einkommenskrise sei Amazon verantwortlich. Der Online-Versandhändler dominiere nicht nur den Buchhandel, sondern in den USA auch das Verlagsgeschäft. Zwar werde das Publizieren von E-Books im Eigenverlag durch Amazon für viel mehr Menschen ermöglicht. Noch 2009 wurden 300.000 Bücher in den USA publiziert. 2017 sind es bereits eine Million pro Jahr, zwei Drittel davon sind selbst verlegt. Das führte zu mehr LeserInnen: Millionen Menschen würden mittlerweile „Kindle Unlimited“ abonnieren und hätten so Zugriff auf viele E-Books auf Amazon. Doch die AutorInnen, die über Amazon publizieren, bekommen weniger Geld für ihre Bücher. Die Erlöse seien im Schnitt 50 bis 58 Prozent niedriger als bei AutorInnen, die ihre Bücher bei traditionellen Häusern verlegen lassen.

Blockbuster-Mentalität

Da nun alle Menschen ihr Buch bei Amazon veröffentlichen können, verändere das die herkömmliche Verlagslandschaft in den USA. Amazon ziehe mit seinem Eigenverlagsprogramm vor allem wenig und mittelbekannte AutorInnen an. Traditionelle Verlage scheuten dagegen zunehmend das Risiko, die Werke solcher SchriftstellerInnen zu publizieren. Sie haben eine „Blockbuster-Mentalität“, wollen unbedingt Verträge mit populären Bestseller-AutorInnen abschließen, weil diese hohe Gewinne versprechen. Für Prominente wie etwa Michelle Obama, deren Autobiografie derzeit sowohl in den USA als auch in Deutschland ein Renner ist, müssen sie aber höhere Vorschüsse zahlen. Das setze die Verlage unter Druck, solche Bücher mit viel Werbung bekannt zu machen, um die Einnahmen zu garantieren.

Mittelbekannte AutorInnen, die in Vollzeit Romane schreiben, seien wegen dieses Trends „kurz vor dem Aussterben“, so die Studie. Dies betreffe auch solche Menschen, „die seit Jahrzehnten Bücher schreiben und davon in der Vergangenheit leben konnten“. Nur noch 57 Prozent der VollzeitautorInnen konnten mit dem Schreiben ihr gesamtes Einkommen bestreiten. Das meiste Geld kommt dann nicht aus dem Verkauf ihrer Bücher. Sie müssen andere Aufträge annehmen, die mehr Geld einbringen, und beispielsweise Bücher übersetzen, Reden halten oder Schreibunterricht geben.

In Deutschland gibt es aktuell keine vergleichbare Umfrage. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels meldet jedoch aktuell, dass der Buchmarkt im Jahr 2018 seinen Umsatz halten konnte. Online-Handel und der Verkauf vor Ort erzielten gemeinsam ein kleines Plus von 0,1 Prozent zum Vorjahr. Der Buchhandel in Geschäften war im Jahr 2017 noch um drei Prozent gesunken. In 2018 konnte dieser Teil der Branche den Rückgang des Umsatzes aufhalten, er sank nur um 0,6 Prozent zum Vorjahr. Die meisten AutorInnen verdienen aber auch hierzulande schlecht.

Markus Kowalski