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Schnauze für SchmidtDissens zur Feierstunde

Unsere Autorin war Schülerin, als Thomas Ebermann in Hamburgs Parlament Helmut Schmidt zu kritisieren wagte – in dessen Beisein.

Kein Leisetreter: Thomas Ebermann (GAL, mit Zigarette) bahnt sich im Dezember 1982 den Weg zu den Mikrofonen. Foto: dpa

Hamburg taz | Als Helmut Schmidt die Ehrenbürgerschaft der Stadt Hamburg erhielt, war ich noch Schülerin und damit beschäftigt, Schulstreiks für den Frieden zu organisieren. Ich hatte die Weltkarte und die Position der russischen und amerikanischen Raketen auf eine Matrize gezeichnet, um Mitschülern zu erklären, wie groß die Gefahr eines neuen Atom-Krieges ist. Ich sprühte nachts mit Freunden Parolen wie „Pershing go home“ an die Turnhalle, im Ohr das Lied von Nena über „99 Luftballons“, die einen Krieg auslösen. In Kasernen war der Song verboten.

Der von Helmut Schmidt auf den Weg gebrachte „Nachrüstungsbeschluss“ beschäftigte viele Menschen. Meine Eltern zum Beispiel. Meine Mutter reiste mit anderen „Friedensfrauen“ nach Moskau, um dort mit dem Komitee der Sowjetfrauen über die Gefahren zu sprechen.

Sie wurden sich einig: Russen und Deutsche kennen den Krieg im eigenen Land, Amerikaner haben das nie erlebt. „Die russischen Frauen sagten, dass von ihrem Land nie wieder Krieg ausgeht, stünde in ihrer Verfassung“, erinnert meine Mutter. „Das haben wir nach Hause mitgenommen und hier verbreitet.“

Helmut Schmidt erinnere ich als Kind auf Plakaten bei uns in der Straße. Fand ihn ansehnlich, er hatte mehr Haare als Willy Brandt. Die außerparlamentarische Opposition in der Bundesrepublik der 1970er-Jahre und der SPD-Bundeskanzler waren wohl keine Freunde. Schmidt stand für die verhasste Atomkraft, für die harte Linie des Staates im Umgang mit Demonstranten bei AKW-Demos, als es galt, Bauplatzbesetzungen zu vermeiden. Und im Umgang mit der RAF, der die Repression gegen „Sympathisanten“ mit einschloss und im „Deutschen Herbst“ 1977 die Stimmung trübte. Und doch war er nur Teil des Regierungsapparats und nicht so sehr Feindbild wie später Helmut Kohl.

„Für Staatsräson entschieden“

Auszug aus der Rede von Thomas Ebermann anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Hamburg an den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich sagen, was ich hier will. Ich bin gestern von einem Journalisten, keinem linken und auch keinem alternativen Journalisten, angerufen worden, der mich fragte: „Herr Ebermann, morgen hauen Sie doch bestimmt auf die Sahne; können Sie mir schon sagen, womit Sie den Skandal provozieren werden?“ Will ich gar nicht. Es reicht schon aus, in dieser Situation bedrückender Feierlichkeit kühlen Kopf zu bewahren und zu versuchen, sowohl einiges über denjenigen zu sagen, der heute von der Hamburger Bürgerschaft geehrt werden soll, als auch über das Ritual selbst.

(...)

Technokratischer Perfektionismus kann bei Naturkatastrophen wertvoll sein; in anderen Situationen lässt mich erschauern, was als Tugend an Helmut Schmidt herausgestellt wurde. Conrad Ahlers lobt Helmut Schmidt mit folgenden Worten: „Ein Geheimnis seiner Stärke liegt in der Fähigkeit zur Konzentration. Sie bezieht sich nicht nur auf das Wesentliche, sondern auch aufs Detail. So lenkte er sich von sorgenvollen Gedanken dadurch ab, daß er jede Mitteilung an die Schleyer-Entführer mit seinem grünen Filzstift verbesserte und dabei genau auf die Interpunktion achtete.“ Welch grandiose Sekundärtugend, in der Situation der Schleyer-Entführung die Interpunktion nicht zu vernachlässigen, denn seine Primärtugend war auch hier die Staatsräson. Denn es gab ja eine Abwägung zwischen unbedingter Humanität, also auf alle Fälle Menschenleben zu retten, und Staatsräson, also das Risiko des Lebens Schleyers und der Insassen der Maschine in Mogadischu, das Risiko, diese Leben auszulöschen, damit der Staat Stärke zeigt und so seine Vorstellung von sittlicher Ordnung durchsetzen würde.

Helmut Schmidt hat sich Zeit seines Lebens für Staatsräson entschieden. Helmut Schmidt hat sich deswegen entschieden, sich selbst leitender Angestellter der Bundesrepublik Deutschland zu nennen. Über leitende Angestellte wissen wir folgendes: Leitende Angestellte werden nicht von allen Arbeitnehmern eingesetzt, sondern von einer Aktionärsversammlung. Leitende Angestellte verkörpern also nicht den Begriff von Demokratie, der häufig gemalt wird, das jeder eine Stimme hat. Auf den Aktionärsversammlungen sind wiederum meistens nicht diejenigen wichtig, die laut debattieren, die Kleinaktionäre, für die Würstchen bereitgestellt werden, sondern die Großen, die die großen Aktienpakete halten. Gute, leitende Angestellte tun alles für das Wohl des Anteilseigners; gute, leitende Angestellte weisen unbillige Ansprüche von Belegschaften zurück. Wir, die wir versuchen, diejenigen zu vertreten, die nicht einmal Kleinaktionäre, sondern Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger oder Fließbandarbeiter in dieser Gesellschaft sind, bestätigen Ihnen, Herr Schmidt: Sie waren für die Großaktionäre dieser Republik ein hervorragender leitender Angestellter.

(...)

(Beifall bei der GAL – Ove Franz, CDU: Pfui!)

Quelle: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Plenarprotokoll 11/27 vom 22. 12. 1983

Der Nato-Doppelbeschluss, der dazu führte, dass amerikanische Mittelstreckenraketen auf westdeutschem Boden stationiert wurden, ging gar nicht, fand ich. Bis dahin galt das „Gleichgewicht des Schreckens“. Die eine Macht hätte die andere nicht angreifen können, ohne sich selbst zu vernichten.

Die neuen Waffen aber hätten nach Planspielen von Pentagon-Strategen auch einen atomaren Enthauptungsschlag auf die Sowjetunion möglich gemacht. Wir sahen uns Bilder des 1945 durch Atombomben vernichteten Hiroshima an. Tausende gingen auf die Straße, weil sie Angst vor einem „Euroshima“-Atomkrieg hatten.

Thomas Ebermann kannte ich aus der Ferne vom Sehen und Zuhören. Er hatte im Sommer 1977 von einer Anti-Atom-Demonstration in Frankreich berichtet, wo es einen toten Demonstranten gab. Er trug Trainingsjacke und Turnschuhe, wirkte lässig, nuschelte etwas. Er war auch wichtiges Mitglied des „Kommunistischen Bundes“ (KB) gewesen, der damals in Hamburg rund 1.500 Mitglieder hatte und in Form einer Bündnispolitik bei vielen Anti-Atom- und sonstigen Ini­tiativen der sozialen Bewegung mitmachte, nachzulesen in Michael Steffens Buch „Geschichten vom Trüffelschwein“. Wer damals in Hamburg linke Politik machte, kam am KB eigentlich kaum vorbei.

Ende 1977 gab es eine Großdemonstration gegen das AKW in Kalkar. Ich bestieg in Wandsbek einen Demo-Reisebus und sah erstmals Polizisten mit vorgehaltener Maschinenpistole. Wir durften nicht losfahren, verbrachten die halbe Nacht auf der Autobahn und kehrten um. Der Schock von Kalkar, wo sich das Land als Polizeistaat zeigte, führte zur Idee, die außerparlamentarische Bewegung ins Parlament zu bringen.

In Hamburg kam es zu einem Zerfallsprozess bei den linken Gruppen. Es entstanden die Bunt-Alternative-Liste und die Grünen. Kurz vor der Wahl 1982 fusionierten beide Parteien zur „Grün Alternativen Liste“ (GAL).

Ebermann war Gründungsmitglied der Grünen und einer von neun Abgeordneten, die in die Hamburger Bürgerschaft einzogen. Es sei darum gegangen, „Sand im Getriebe“ zu sein, sagte er später dem Magazin Prager Frühling. Das hieß „Lust am Enthüllen, Lust am Vorführen“ und „große Sorgfalt mit dem imperativen Mandat“. Grüne Abgeordnete sollten durch Rotation nach kurzer Zeit das „Feindesland“ Parlament wieder verlassen und nicht mehr verdienen als ein Facharbeiter.

Als am 22. Dezember 1983 Helmut Schmidt per Abstimmung zum Ehrenbürger Hamburgs ernannt wurde, war dieser seit gut einem Jahr kein Kanzler mehr. Später sagte er, sein Eintreten für den NATO-Doppelbeschluss habe ihn das Amt gekostet. Denn seine SPD war nicht dafür. Die FDP, die damals mitregierte, sah den Nato-Beschluss in Gefahr und stieg aus.

Per Misstrauensvotum verlor Schmidt am 1. Oktober 1982 nach acht Jahren seinen Posten, Helmut Kohl von der CDU wurde Kanzler. Am Tag danach habe die Legende um Schmidt begonnen, schrieb die Welt. Hamburger SPD-Leute liefen mit Fackeln zu seinem Haus in Langenhorn. Die von SPD-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi verliehene Ehrenbürgerschaft war auch so etwas wie ein Trost.

Im Lichte der Geschichte steht Schmidt heute gut da, weil die Abrüstungsverhandlungen letztlich erfolgreich waren. Am Morgen des 22. Dezember 1983 konnte das aber noch keiner wissen. Als erster sprach Klaus von Dohnanyi, lobte in seiner Rede, es sei Schmidt zu verdanken, dass die Weltmächte seit 1981 wieder am Genfer Verhandlungstisch saßen. Er räumte ein, dass auch die Hamburger SPD-Genossen gegen die Stationierung waren, doch diese Meinungsverschiedenheit könne „die Hamburger SPD von ihrem bedeutenden Genossen Helmut Schmidt“ nicht trennen.

Auf Ebermann lastete wohl schon auch ein Erwartungsdruck, als er im Anschluss eine Rede hielt. Später sagte er in der Zeit über die Rede: „Das war keine angenehme Sache, das können Sie mir glauben. Ich kannte mich durchaus aus mit Krawall, aber da war mein Hemd am Ende nass geschwitzt. Es war kein schöner Moment, aber ein wichtiger. Ich war mir und meinen Leuten das schuldig, davon bin ich bis heute überzeugt.“

Die Rede ist in der Datenbank der Hamburger Bürgerschaft dokumentiert. Das Abendblatt schrieb später, sie sei darauf angelegt, „Schmidt zu verletzen“. Doch in der Senatskanzlei muss sie jemandem imponiert haben: Auf deren Homepage ist sie ausführlich zitiert.

Ebermann war damals noch 32 Jahre jung, hatte aber viel erlebt. Vor seiner Politzeit arbeitete der Realschüler im Akkord in einer Turnschuhfabrik und lernte, den Kapitalismus abzulehnen. Die Rede ist geschliffen. Ebermann stellte Schmidts Glaubwürdigkeit infrage: Habe der als Oppositionspolitiker vor Atombomben gewarnt, habe er als Kanzler die SPD zum „loyalen Nato-Partner“ geformt und die „Nachrüstung“ eingeleitet?

Für meinen Geschmack hätte er noch viel mehr dazu sagen können.

Aber er war der erste, der sich dem Schmidt-Hype entgegen stellte. Er gehörte zu den Ökosozialisten bei den Grünen, verließ 1990 die Partei aus Protest gegen die realpolitische Tendenz.

Bald schrieb er dann Texte und Theaterstücke, manchmal zusammen mit Rainer Trampert, einst Bundessprecher der Grünen, mit dem er ein Kabarettprogramm entwickelt hat. Gefragt nach den Erfolgen der 68er, sagte er der Zeit, es gebe zwei Lager. Das eine Lager, das den Alltag der Deutschen verändern wollte, habe viel erreicht. Also kulturell. Nicht lange her, dass Gewalt gegen Kinder oder Vergewaltigung in der Ehe noch erlaubt war. Das zweite Lager, das den Kapitalismus abschaffen wollte, zu dem er sich zählte, habe gar nichts erreicht.

Und nun macht Ebermann die Schmidt-Kritik zur Kunst, tritt am 19. Januar mit „Ebermann beleidigt Helmut Schmidt“ im Foyer des Schauspielhauses auf. Der Abend ist ausverkauft: Nach dem unkritischen Hype um den 100. Geburtstag des Ex-Kanzlers scheint der Titel einen Nerv zu treffen.

Doch auch mein Vater meint, das Helmut Schmidt seine Verdienste hat: „Er hat mit der Nachrüstung die Friedensbewegung befeuert.“

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7 Kommentare

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  • Ich war i der GAL eigentlich kein Freund von Ebermann, Aber seine Reden fand ich meistens sehr, sehr gut. Die Schmidt-Rede gehoert da voll dazu, insbesondere den Teil von 'leitenden Angestellten' habe ich oft kopiert wenn ich spaeter mal selbst mit solchen Leuten zu tun hatte.

  • Der SPD-Linke Michael Müller (nicht der gleichnamige Regierende Bürgermeister in Berlin, sondern der heutige Vorsitzende der Naturfreunde) schrieb 2015 einen sehr kritisch, aber diffenerzierten Nachruf auf "Schmidt, in dem die Mehrheit der Deutschen sich selbst sah" und der nicht die richtigen Antworten auf Wachstums-Ende, Neoliberalismus, Umweltkrise fand. Das eignet sich gut als Hintergrund zu diesem Bericht, der sicher vor allem bei Jüngeren einige Fragen hinterlässt.



    www.klimaretter.in...ologische-vernunft

    • @Mika:

      Danke. Starker Tobak. Viele Einzelheiten - die mir so nicht mehr geläufig waren. But.

      Zu meinem Kopfschütteln über so derart wenig kritischer Distanz aber mal dess - dort am Ende:



      “Redaktioneller Hinweis: Michael Müller, ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter und Umweltstaatssekretär, ist Mitherausgeber von klimaretter.info. Er war langjähriger politischer Weggefährte von Helmut Schmidt.“

      kurz - wie heißt‘s 'n gleich nebenan:



      “Post-Platzhirsch-Zeitalter



      Der Überkanzler hat ausgedient



      An Helmut Schmidt zeigt sich, wie groß das Bedürfnis nach Heldenverehrung ist. Ein kleiner Beitrag zur Dekonstruktion.“

      Das ist scheint’s - nicht nur bei dero



      SPezialDemokraten - immer noch nicht angekommen. “Weh dem Land das Helden braucht.“

      unterm——btw Reminiszenz —



      Es erinnert mich an die jäh hochroten Flecken eines von mir so geschätzten Hans-Jochen Vogel - als ich entre nous - Sebastian Haffners “Der Verrat“ mal auf‘s Tapet brachte. Aber ja.



      Liggers. So ähnlich ja die SPD bis hück.

      Hoffemer mal - daß das beim “vom Hof gejagten“ - le feldwebel - jenseits der Ikonisierung - in kritischer Distanz früher gelingt.



      Was beim derzeitigen Zustand dieser Partei allerdings ebenfalls zu bezweifeln ist. Leider.

  • Erstaunlich wie wenig Ebermann trotz angeblich hoch motiviertem Sinn an konkreter Kritik an Schmidtschnauze einfiel. Wusst er von vielem nichts, oder hat er sein Wissen vor lauter Angstschweiß im nassen Hemd beschwiegen? Wer war der Journalist, der ihn tagszuvor befragt?

    1983 geht Ebermann, wie auch ich lange, der Legende vom Flutkatastrophen Manager 12-18 Februar 1962 Polizeisenator Helmut Schmidt auf den Leim. Dabei inszeniert Schmidt seine Feuertaufe als strammer SPD Parteisoldat und Ausputzer mit Sinn für exotische Lösungen für den in die Enge geratenen Regierenden SPD Bürgermeister Hamburgs Paul Nevermann, was Schmidts SPD Politiker Karriere für höchste Ämter emofiehlt, SPD Bundestagsfraktionsvorsitzender war er schon, indem Schmidt, entgegen Nato Statut, weil damit die Norddeutsche Tiefebene zur offenen Angriffsflanke für Warschauer Pakt Staaten wird, unter hemdsärmiliger Einbeziehung der Nato unterstellten Bundeswehrverbände, samt Hubschraubern für Katastropheneinsatz ein mediales Spektakel inszeniert, "Zigaretten qualmender Schmidt auf allen Kanälen zu Lande, zu Wasser, in der Luft, das zum Himmel schreiende Versagen Hamburger Senats, Deichbau für in der Wilhelmsburger Tiefebene unter Null Meeresebene in Behelfsheimen wohnenden Ostflüchtlinge, anders als beim Deichbau für Hafen Unternehmen, Schuppen, Kaianlagen sträflich versäümt zu haben, - 340 Flutopfer Tote sind zu beklagen -, aus den Schlagzeieln zu halten. was bis heute gelingt. 1974 macht Schmidt wieder den Ausputzer nach Rücktritt Brandts vom Kanzleramt, anders als der, die AKW Bau flächendeckend, ungeachtet radioaktiv strahlender Ewigkeitslasten, mit der Option für Schnelle Plutonium Brüter für militärisch-zivile Nutzung, entgegen westdeutscher Unterschrift Atomsperrvertrag 1968, beim weltweiten Geschäft mit atomar waffenfähigem Brennstoff Uran 235 zumindest indirekt dabei zu sein, in Gang setzt.

  • Ok - le feldwebel - was vorher -

    “…And now“, wie es bei Monty Python heißt, „for something totally different.“ Es war einmal, lange vor Ihrer Zeit, als ein großes Bier noch vierzig Pfennig kostete, ein Eis am Stiel dagegen zehn, weshalb man nie vier Eis am Stiel bestellte, ein guter praktischer Arzt namens Prof. Dr. Kurt Grobe. Der war dem Heiligmäßigen so nah wie nur je jemand, der je jewohin hat Zigarrenasche fallen lassen. In Gera hatte er als Sozi erst unter den Nazis, dann unter den Kozis zu leiden, deshalb zog er um und machte im Hamburger Arbeiterstadtteil Horn eine Praxis auf. Und er las viel und machte sich so seine Gedanken und blieb Sozi. So konnte es nicht ausbleiben, daß er erstens Trauzeuge, meines Vaters wurde, als dieser meine Mutter freite, und zweitens Spitzenkandidat der Deutschen Friedensunion (DFU), einer sanft kryptokommunistischen, knickrig vom Osten bezahlten, völlig unschädlichen kleinen Partei, die hoffte, dermaleinst zum Sammelbecken aller linken, fortschrittlichen Kräfte zu werden, was sie, ohne es zu wissen, bereits war, denn mehr war nicht drin. Bei Wahlen bekam sie zuverlässig 0,8 bis 1,2 Prozent, und hätte sie nur 50 Prozent mehr gekriegt, wäre Klara Maria Faßbinder Bundeskanzlerin geworden, und wir hätten den ganzen Ärger mit den Ossis nicht.

    Das ging ja aber so nicht weiter. Deshalb stellten sich jeden Morgen zwei Herren in ... äh... Zivil unten an die Eingangstür des Hauses in der Homer Landstraße, in dessen zweitem Stock sich die Praxis unseres Spitzenkandidaten befand, und fragten die Leute aus: „Wohin wollen Sie?“ Wenn die Leute sagten: „Zum Arzt“, sagten die zwei Herren in Zivil: „Ja, wußten Sie denn nicht, daß der ein ganz übler Engelmacher ist?“, erzählten ständig wechselnde Schauermärchen und empfahlen andere Ärzte. Wer aber darauf bestand, zu diesem Arzt gehen zu wollen, oder wer sagte, er will zu Köhlers im 4. Stock, der durfte passieren. Wir lebten ja schließlich in einem Rechtsstaat und nicht in einer Stasi-Diktatur.

    • @Lowandorder:

      & the best of the rest -

      “Das war damals. In der Zeit, als einmal Kettenkarussellfahren fünf Pfennig kostete, als Herausgeber sich vor ihre Redakteure stellten, wenn die etwas geschrieben hatten; als Bill Haley noch lebte, die Erde noch und auch die Hoffnung.

      Dahin, dahin. Damals war Jupp Müller-Marcin Herausgeber der ZEIT. Und Helmut Schmidt war Innensenator in Hamburg.“

      Danke Harry Rowohlt - du hast den ranwanzenden Quidje früh erkannt.



      Diese abgebrochen laufende Prinz-Heinrich-Mütze 'hamse gedient‘. Der in seiner Dämlichkeit bis zum letzten allerletzten Ascher nicht klar hatte.



      Das all sein Ramentern & bräsiges Gehampel nun mal nichts daran ändern würde - “auf der falschen Seite der Elbchaussee geboren zu sein!“

      Liggers & Schnauze!

      unterm———



      Harry Rowohlt: Pooh’s Corner



      Meinungen eines Bären von sehr geringem Verstand



      www.zeit.de/1992/1...wohlt-poohs-corner