Umsetzung des Pflegeberufegesetzes: Halbherzige Neuerung
In Bremen hat sich der „Weser-Bildungsverbund Gesundheit und Pflege“ gegründet, um die beschlossene Reform der Pflege-Ausbildung vorzubereiten.
Ab 2020 lernen sämtliche Pflege-Azubis zwei Jahre lang gemeinsam und legen währenddessen einen Schwerpunkt für die praktische Ausbildung fest. Wird diese generalistische Ausbildung im dritten Ausbildungsjahr weitergeführt, endet sie mit dem Berufsabschluss „Pflegefachfrau/Pflegefachmann“. Wer die Ausbildung in den Bereichen Alten- oder Kinderkrankenpflege vertiefen möchte, kann stattdessen einen speziellen Abschluss in der Alten- oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflege erwerben.
„Die neue Ausbildung bringt so viele Änderungen mit sich wie damals die Einführung der Pflegeversicherung“, sagt Alexander Künzel, Seniorvorstand der Bremer Heimstiftung. „Wir benötigen ein neues Curriculum, neue Dienste und vor allem eine Kooperation mit allen Trägern und Institutionen im Pflegebereich – das hat uns dazu bewogen, einen Verbund zu gründen.“
Zusammengefunden haben sich neben der Heimstiftung die Stiftungen Friedehorst und Egestorff, die Roland-Klinik, die Freie Christengemeinde, die Paritätischen Pflegedienste Bremen, der ASB Ambulante Pflege und Wohnen, das Erwin-Stauss-Institut, die Mobile Reha Bremen und die Zentrale für Private Fürsorge – „ein erfreulich breites Bündnis“, sagt Künzel.
Ab 2020 werden alle SchülerInnen der bisherigen Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege die ersten zwei Jahre gemeinsam an Gesundheitsfachschulen ausgebildet.
Im dritten Jahr können die SchülerInnen den Ausbildungsweg zum neuen, europaweit anerkannten generalistischen Berufsabschluss „Pflegefachfrau/-mann“ einschlagen. Es gibt auch die Möglichkeit, sich stattdessen auf Alten- oder Kinderkrankenpflege zu spezialisieren. Diese Abschlüsse werden nicht europaweit anerkannt.
Nach zwei Jahren gibt es für alle Auszubildenden eine Zwischenprüfung, die als Pflegeassistenzausbildung anerkannt wird.
Durch ein neues, grundständiges Pflegestudium soll daneben die Akademisierung der Pflege-Ausbildung vorangetrieben werden.
Ein weiteres Mitglied des neuen „Weser-Bildungsverbundes Gesundheit und Pflege“ ist die Hochschule, denn ein weiterer Bestandteil des „Pflegeberufegesetzes“ ist die Einführung eines Pflegestudiums, das ab kommendem Jahr auch an der Hochschule Bremen angeboten wird.
Für Hochschul-Rektorin Karin Luckey bedeutet die Kooperation zwischen Hochschule, Institutionen, Fachschulen und Trägern „eine Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Bildungssystemen und ein gemeinsames, attraktives Standortkonzept“. Eine Verzahnung zwischen Ausbildung und Studium helfe Pflegefachleuten, die sich berufsbegleitend für ein Studium entschieden. Und die gemeinsame Nutzung von Ausbildungsräumen, so Luckey, biete von vornherein einen niedrigschwelligen Zugang zur akademischen Weiterbildung.
„Die Heimstiftung hat drei Schulstandorte und wir werden im Bedarfsfall keine weiteren Räumlichkeiten bauen, sondern die Hochschule als hoffentlich zukünftigen Gesundheitscampus nutzen“, sagte Künzel. „Das ist viel wichtiger als ein Medizinstudiengang.“
Die Zeit bis zur Umstellung sei „sehr knapp bemessen, aber ich bin heilfroh, dass es zu dieser Änderung kommt“, sagt Künzel, der überzeugt davon ist, dass der Pflegeberuf durch die neue Ausbildung attraktiver wird: „Der generalistische Abschluss wird europaweit anerkannt, es gibt hier keine unterschiedlichen Standards mehr zwischen den einzelnen Pflegeberufen und vor allem die Altenpflege-Ausbildung wird aufgewertet.“ Das mache sich auch in der Ausbildungsvergütung bemerkbar: 1.000 Euro werden bereits im ersten Ausbildungsjahr gezahlt.
Künzel rät allerdings von einer Spezialisierung im Bereich Altenpflege ab: „Wir werden allen Auszubildenden raten, sich für die Generalistik zu entscheiden, denn der Altenpflege-Abschluss ist nicht EU-weit anerkannt.“ Hinzu kommt, dass Pflegefachleute gute Berufschancen in der Altenpflege haben – AltenpflegerInnen umgekehrt aber kaum Chancen in der Krankenpflege.
Dass es diese Spezialisierung künftig dennoch geben wird, ist ein Kompromiss, denn das 2016 vom damaligen Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und der damaligen Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) eingebrachte Gesetz sah eigentlich eine komplett generalisierte Ausbildung vor – die aber vor allem beim Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) auf massive Kritik gestoßen war.
„Ein Desaster“ nennt das Kerstin Bringmann von der Gewerkschaft Ver.di. „Ich finde es unfassbar, dass sich die privaten Anbieter von Altenpflege hier politisch durchsetzen konnten.“ Für sie ist klar, was dahinter steckt: „Jemanden, der schlechter ausgebildet ist, den kann man auch schlechter entlohnen.“ Bringmann ist sich mit Künzel einig: Nur der generalistische Abschluss trägt wirklich zu einer Aufwertung des Berufs bei.
Zu diesem Ergebnis ist auch eine Untersuchung gekommen, die das Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Uni Bremen im Auftrag der Arbeitnehmerkammer vorgenommen hat und deren Ergebnisse im Januar veröffentlicht werden. Durch die Option der Spezialisierung werde weiterhin eine „Vorsortierung“ vorgenommen, die nichts mit Generalistik zu tun habe, sagt Ulf Benedix vom IAW. „Daneben wird es auch in Zukunft einen Wildwuchs unterschiedlichster Assistenz- und Helferberufe geben, für die es genauso wenig eine klare Regelung gibt wie für die Akademisierung des Pflegeberufs.“ Aus den Befragungen von Behörden, Verbänden, Gewerkschaften und Pflegeschulen sei hervorgegangen, „dass die neue Regelung der Ausbildung für die Attraktivitätsteigerung des Pflegeberufs nichts bringt“. Vielmehr müssten der Organisationsgrad der Pflegenden gestärkt und die Strukturen in der Pflege verbessert werden.
„Wenn die Altenpflege weiterhin derart schlechte Arbeitsbedingungen bietet, werden wir keine Fachkräfte hinzugewinnen“, sagt auch Kerstin Bringmann. Sie hofft, dass sich möglichst viele Azubis für den generalistischen Weg entscheiden werden, denn: „Ohne Personal wird auch der BPA keine Pflegeheime betreiben können. Ich hoffe, dass die Generalistik dazu beiträgt, den Auszubildenden ein gesundes Selbstbewusstsein zu vermitteln.“ Dazu gehöre auch die Interessenvertretung der Auszubildenden durch Betriebsräte, Mitarbeitervertretungen und Jugendausbildungsvertretungen.
Nach sechs Jahren, also 2026, soll evaluiert werden, ob sich das neue Pflege-Ausbildungssystem bewährt hat oder ob es nachgebessert werden muss.
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