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Die WahrheitDienstleistungshölle für Dummies

Ralf Sotscheck
Kolumne
von Ralf Sotscheck

Viele wehren sich dagegen, staatliche Dienstleister zu verscherbeln, doch die irischen Postdumpfbeutel liefern Privatisierern die besten Argumente.

D ie irische Post hat zu Weihnachten wieder ein gutes Geschäft gemacht. Die halbe Nation schickt der anderen Hälfte eine Weihnachtskarte – und umgekehrt. Wer die Karten ohne Umschlag versendet, gilt als knauserig. Internet und E-Mail haben diesem Brauch nicht allzu viel anhaben können. Was ist schon das Öffnen eines E-Mail-Anhangs mit grässlich gekleideten Rentieren im Vergleich zum Öffnen eines Briefumschlags mit einer geschmackvollen Weihnachtskarte?

Außerdem kann man E-Mails nicht über dem Kamin aufhängen und damit angeben, wie viel Freunde in aller Welt man hat. Die Karte vom Weinhändler seines Vertrauens an „meinen besten Kunden“ muss ja nicht ganz vorne hängen.

Trotz des Weihnachtsgeschäfts ist die Post fast pleite und schließt viele Dorfpostämter. Um aus den roten Zahlen zu kommen, erhöht sie außerdem ständig das Porto. Wer sich einen Vorrat angelegt hat, ist gelackmeiert. Ich wollte ein paar 15-Cent-Marken kaufen, weil das Auslandsporto von 1,35 auf 1,50 Euro gestiegen ist, aber der Beamte in der Dubliner Hauptpost weigerte sich, die Marken herauszurücken. Zwar gibt es Schalterautomaten, bei denen er einfach den gewünschten Wert eingeben könnte, aber das tat er nicht.

Ich müsste beweisen, dass ich 15-Cent-Marken benötige, indem ich ihm die mit 1,35 Euro frankierten Auslandsbriefe vorlege. Dann werde er die zusätzliche Marke aufkleben. Ich renne doch nicht für jeden Brief aufs Postamt, sagte ich. Wozu gebe es denn Briefkästen? Ob er glaube, dass ich mit den 15-Cent-Marken meinen Flur widerrechtlich tapezieren wolle?

Es nützte nichts. Die Post gehört zu den unfähigsten Behörden Irlands. Da kämpfen Organisationen gegen Versuche, staatliche Dienstleister zu verscherbeln, und dann liefern diese Postdumpfbeutel den Privatisierern die besten Argumente.

Das philatelistische Büro der Post ist das Zentrum der Dienstleistungshölle. Sammler sind seine Feinde. Mein Nachbar wollte sich ein paar 10-Cent-Marken aus dem Schalterdrucker eines Dorfpostamts, wo die kundenfeindliche Direktive aus Dublin noch nicht angekommen war, mit Ersttagsstempel versehen lassen. So schickte er sie ans Philateliebüro in Dublin und legte einen frankierten Rückumschlag bei. Zwei Wochen später erhielt er die Marken zurück – ungestempelt. Im Begleitbrief hieß es, die Marken können nicht abgestempelt werden, weil ihr Wert nicht dem gültigen Porto entspreche.

Dabei wurde für das Entwerten der Marken überhaupt keine Gegenleistung verlangt. Stattdessen schrieb der Beamte einen Brief, was wesentlich länger dauert als das Stempeln der Marken, und schickt auch noch den frankierten Rückumschlag unbenutzt zurück.

So wird das nichts mit der Rettung der Post. Nächstes Jahr will mein Nachbar dem Beamten das Buch „BWL für Dummies“ zu Weihnachten schenken. Falls es die Post dann noch gibt.

Frohes neues Jahr!

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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3 Kommentare

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  • Frohes Neues Jahr, Ralf,



    anscheinend verschickst Du nie bei der supertollprivatisierten Gelben Post n Deutschland Briefe! Der neueste Clou von denen ist, Briefe zurückgehen zu lassen, die zu Leuten geschickt wurden, die seit über 50 Jahren (!!!!) unter der gleichen Anschrift leben. "Empfänger nicht zu ermitteln". Nee klar. Also alles erneut unfrankiert, mit einem wutentbrannten Anschreiben, an die Deutsche Post. Und siehe da: Sang und klanglos erfolgte die Zustellung. War eine teure Geburtstagskarte, die zwei Monate später ankam. Meine Freundin dachte, ich hätte sie vergessen.



    Das Ganze passiert andauernd mit Briefen, die ich von der Arbeit dienstlich verschicke. Dann sorgt die Gelbe Post dafür, daß sich "gelangweilte" Bürokraten auf den Brief stürzen, andere Behörden aktivieren, um zu ermitteln, ob die Person noch "dort" wohnt, das Ergebnis zurückmeldet und zum Schluß stellt sich meistens heraus, daß alles seine Ordnung hatte, nur der Zusteller zu doof oder faul war. Oder nicht lesen konnte? Also auch da: Böser Brief und Orginalbrief an die Post. Ob das eine Verschwörung ist, um mehr Porto abzugreifen? Ich will es gar nicht wissen, bin aber sicher, daß Privatisierung auch nicht das Gelbe vom Postei (oder sonstwo) ist.

    • @Boiteltoifel:

      Also, ich kann das so nicht bestätigen. Der Mann meiner betagten Nachbarin ist bereits seit über 20 Jahren tot. Trotzdem erhält er regelmäßig zu jedem Jahreswechsel Glückwunschkarten, Gewinnbenachrichtigungen, Sonderangebote und die ein oder andere Rechnung ist auch mit dabei. Wo ist denn der „Bürokrat“ bei der Post, der diesem Unsinn mal ein Ende bereitet? Es gibt ihn nicht.

  • Zwei Seiten der Medaille: Früher thronten die Postebamten hochherrschaftlich in Ihren Glashäuschen und verwiesen stumm und herablassend auf den Nebenschalter, aber die gehbehinderte Omi bekam andererseits ihre Rente per Geldbostbriefträger (teils sogar noch in Uniform!) ins Haus gebracht. Heute haben wir helle und freundliche Posträume und höfliche Mitabeiter, aber so richtig besser ist ist der ganze Laden nicht geworden. Und die anfänglich prima Öffnugszeiten sind mittlerweile auch wieder geworden wie früher und in meiner Heimatgemeinde mit immerhin 15.000 Einwohnern gibt es nur eine schäbige Minipoststelle im Supermarkt, auf der man nicht mal Geld einzahlen kann.