taz-adventskalender: Frohe Botschaft (10): Bring your families!
Jugendliche Geflüchtete dürfen jetzt nicht nur ihre Familie nach Berlin nachholen, sondern sogar ihre Geschwister. Klingt selbstverständlich, war es aber lange nicht.
Nach dem christlichen Kalender wird die Frohe Botschaft ja erst am 24. Dezember verkündet. Weil es in diesem irdischen Jammertal aber so selten Grund zur Freude gibt, präsentieren wir bis Weihnachten täglich eine gute Nachricht.
Für viele jugendliche Flüchtlinge, die ohne ihre Familien in Berlin leben, gibt es Grund zur Freude: Werden sie als Asylberechtigte anerkannt, dürfen sie nicht nur ihre Eltern, sondern auch die jüngeren Geschwister nach Berlin holen. Klingt selbstverständlich – war es aber bis Oktober in Berlin nicht. „Wir haben hartnäckig immer wieder an die Berliner Innenverwaltung und den Leiter der Ausländerbehörde appelliert, hier die landesrechtlichen Spielräume zu nutzen“, freut sich Nora Brezger vom Flüchtlingsrat über den Erfolg.
Bisher galt: Wer allein nach Berlin floh und Asyl bekam, durfte zwar die Eltern im Familiennachzug nachholen. Doch minderjährige Geschwister mussten etwa in Syrien oder dem Libanon bleiben; es sei denn, der Jugendliche in Berlin konnte für sie Wohnraum bereitstellen und den Lebensunterhalt erarbeiten. Praktisch war das nie möglich. Seit Ende Oktober verzichtet die Ausländerbehörde nun auf diese Forderung.
Einer der Härtefälle, auf die der Flüchtlingsrat immer wieder hingewiesen hatte, war Ali K. Er kam Ende 2015 als sogenannter minderjähriger unbegleiteter Flüchtling aus Syrien nach Berlin; eineinhalb Jahre später wurde er als Asylberechtigter anerkannt. Dem Antrag auf Familiennachzug legte der Gymnasiast Nachweise über Integrationsleistungen bei: Seine Klassenlehrerin bestätigte seine gute soziale Integration; der Junge übersetzt ehrenamtlich; er konnte sogar eine Mietzusage für eine Wohnung für die gesamte Familie nach deren Ankunft vorlegen.
Aber die Ausländerbehörde entschied im Sommer, dass Ali K.s Geschwister im Alter von sechs Monaten bis 16 Jahren nicht nach Berlin kommen durften. Alis Eltern standen vor der Wahl: entweder nach drei Jahren Trennung ihren Sohn Ali wiederzusehen und ihre anderen Kinder einschließlich des sechs Monate alten Säuglings in Syrien zurückzulassen oder im lebensgefährlichen Syrien zu bleiben und Ali auf unbestimmte Zeit nicht wiederzusehen. Sie entschieden sich, dass die Mutter mit den Geschwistern in Syrien bleiben sollte; der Vater hingegen reiste zu seinem ältesten Sohn.
Ob auch Alis Mutter und Geschwister nun bald eine „frohe Botschaft“ erhalten, ist noch offen. Das hängt davon ab, ob die neue Regelung auch für sogenannte Altfälle gilt. Für Neufälle sieht es dagegen gut aus.
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