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Piepen unter der Zimmerdecke

Genervte Nachbarn, anrückende Feuerwehr: Mit der Pflicht, Rauchmelder zu installieren, kommt es wohl zu mehr Fehlalarmen

Nähere Informationen zum Thema findet man unter www.rauchmelder-lebensretter.de – darunter die Empfehlung, nur Geräte mit dem Qualitäts-zeichen „Q“ zu kaufen.

Auch die Stiftung Warentest (www.test.de) gibt Tipps für den sachgemäßen Umgang

Von Joachim Göres

Die Zahl steigt: Von rund 167.000 im Jahr 2010 auf 295.000 im Jahr 2015. „Wir haben keine Statistik über die Gründe für die Fehlalarme“, sagt Silvia Darmstädter, Sprecherin des Deutschen Feuerwehrverbandes. „Aber vom Gefühl nimmt diese Zahl seit der Einführung der Rauchmelderpflicht zu.“ Es ist anzunehmen, dass es seit dem vergangenem Jahr noch mal mehr Fehlalarme gegeben hat: Die Rauchmelderpflicht gilt in den meisten Bundesländern erst seit Ende 2015.

Gerufen wird die Feuerwehr oft dann, wenn niemand zu Hause ist und die Nachbarn beunruhigt oder genervt sind von dem mindestens 82 Dezibel lauten, mindestens vier Minuten andauernden Alarmton. „In Zweifelsfällen sollte man immer die Feuerwehr verständigen“, so Darmstaedter. „Niemand muss Angst haben, dass er bei einem Fehlalarm unsere Einsatzkosten übernehmen muss. Die Sprecherin ist froh, dass Rauchmelder mittlerweile überall vorgeschrieben sind: So seien in den vergangenen Jahren in Deutschland weniger Menschen durch ein Feuer in einem Privathaus gestorben; 2010 gab es laut Statistischem Bundesamt 328 Tote, 2015 waren es 290.

Warum schlägt ein Rauchmelder Alarm, obwohl es gar nicht brennt? Für Hans-Peter Brixvon der Stiftung Warentest spielt Staub eine wichtige Rolle. Durch das Absaugen der Rauchmelder einmal im Jahr könne das Risiko eines Fehlalarms gesenkt werden. Auch Wasserdampf oder Kochdunst können Auslöser sein – mit ein Grund für die Empfehlung, Rauchmelder nicht in Küche oder Bad anzubringen. Bei einem 2015 durchgeführten Test von 14 Rauchmeldern hatten die meisten Geräte eine „Kompensationsschaltung“: Eine verbesserte Software sorgte dafür, dass Staub, Ruß oder Fett nicht so schnell zu einem Fehlalarm führten. „Bei Handwerkerarbeiten fällt vermehrt Staub an“, sagt Brix, „da ist es von Vorteil, wenn man den Rauchmelder stumm schalten kann. Auch Kerzenrauch kann einen Fehlalarm auslösen. Wegen Kerzen am Weihnachtsbaum sollte man allerdings nicht den Rauchmelder abschalten oder abmontieren – lieber einen Fehlalarm riskieren, denn im Falle eines Brandes kann der Rauchmelder Leben retten.“

Rauchmelder geben auch schrille Töne von sich, wenn ihre Batterie leer ist, und das bevorzugt, wenn diese abkühlt – nachts. Bei Billigprodukten wird man also häufiger aus dem Schlaf gerissen als bei den von Brix getesteten Rauchmeldern mit zehnjähriger Garantie. „Auf Billigrauchmelder sollten Verbraucher besser verzichten“, sagt Brix „Die Ersparnis beträgt allenfalls wenige Euro“ und stehe in keinem Verhältnis zum Aufwand fürs Wechseln der Batterien oder der Unfallgefahr beim Leiterklettern.“

Über Haus-brände führt die Feuerwehr keine Statistik. Zahlen gibt es für Brände und Explosionen allgemein – und die steigen: von 188.429 im Jahr 2010 auf 192.078 (2015). Ursache für Wohnungsbrände ist selten Brandstiftung, sondern die auf dem Herd vergessene Pfanne, das defekte Elektrogerät – oder die in Blumenerde (nicht ganz) ausgedrückte Zigarette

Versichert auch ohne Rauchwarngerät

Gesundheitliche Schäden durch einen Fehl­alarm muss indes niemand befürchten. „Erst oberhalb von 90 Dezibel sind bei einer Dauerbeschallung negative Auswirkungen möglich“, sagt Michael Deeg, Sprecher des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte. „Bei 82 Dezibel muss niemand Angst vor einem Tinnitus oder einem Schalltrauma haben.“ Er habe erst einen Patienten gehabt, der Hörprobleme auf einen plötzlich einsetzenden Rauchmelder zurückgeführt habe, so Deeg. Auch bei den ihm bekannten Kollegen spiele dieses Thema keine Rolle. Vollkommene Entwarnung wiederum kann das auch nicht bedeuten: Laut Brix lag der gemessene Höchstwert bei 95 Dezibel, und eine gesetzliche Obergrenze gebe es nicht.

Wer auf einen Fehlalarm hin die Rauchmelder abbaut, der braucht bei eines späteren Brand keine Angst zu haben, dass seine Versicherung nicht zahlt. Zwar müsse, wer eine Hausrat- oder Gebäudeversicherung abschließt, „grundsätzlich alle gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsregelungen beachten“, sagt Matthias Zunk vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, das Fehlen oder der unsachgemäße Betrieb eines Rauchmelders müsse gegebenenfalls aber für den Schaden beziehungsweise dessen Höhe ursächlich sein, so Zunk weiter – und „ein solcher Zusammenhang lässt sich in der Regel nicht herstellen“.

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