: Köstliche Zuwanderer
Dresdner, Nürnberger, Aachener und Lübecker wurden in Berlin schon früh integriert. Darüber hinaus haben viele weitere Zugereiste globale Backvielfalt nach Berlin gebracht
Von Alina Schwermer
Zum 25. Mal findet in diesem Jahr in Dresden das Stollenfest statt; eine rein sächsische Angelegenheit aber ist der Christstollen schon lange nicht mehr. Weihnachtsgebäck hat sich globalisiert, der Kunde wünscht eine große Auswahl und vermeintlich oder tatsächlich regionaltypische Produkte. Im kulturellen Schmelztiegel Berlin ist alles Erdenkliche angekommen, Nürnberger Lebkuchen, Lübecker Marzipan, Aachener Printen oder Dresdner Christstollen. Und seit in der Hauptstadt viele Zugezogene aus dem Ausland eine neue Heimat oder ein zwischenzeitliches Plätzchen gefunden haben, haben sie auch ausländisches Weihnachtsgebäck nach Berlin gebracht. Manches lässt sich mittlerweile auf fast jedem Weihnachtsmarkt kaufen, anderes ist kaum bekannt; selbst backen aber lohnt sich.
Der weihnachtliche Streifzug beginnt in Frankreich. Bûche de Noël, auch Weihnachtsscheit oder Julscheit heißt die Delikatesse, die in Frankreich und dessen Überseegebieten traditionell als Dessert des Weihnachtsessens serviert wird. Sie sieht – mal mehr, mal weniger überzeugend – wie ein Holzscheit aus, weil in Frankreich einst traditionell ein Holzscheit zu Weihnachten im Kamin verbrannt wurde. Eine Bûche kann man kaufen, aber auch gut selbst backen: Ein rechteckiger Biskuitboden wird dabei mit Schokoladen-Buttercreme gefüllt und aufgerollt. Dann können BäckerInnen den Weihnachtsscheit so holzig wie möglich dekorieren, beispielsweise mit Rillen in der Außenschicht, aufgeklebten Marzipan-Pilzen oder künstlichen Blättern.
Nicht nur Weizen und Roggen, sondern auch etwa Hirse, Dinkel, Buchweizen, Hafer und Reis können zu Mehl verarbeitet werden. Die Typenzahl auf der Packung gibt dabei den Gehalt an Mineralstoffen an. Eine hohe Typenzahl ist besonders reich an Mineralstoffen, eignet sich aber schwerer zum Backen. Für klassischen Kuchen bietet sich vor allem das feine Weizenmehl Type 405 an. Type 550 dagegen eignet sich zum Beispiel gut für Strudelteig und Hefegebäck und macht den Teig stabiler. Für eher herzhafte Teige ist Weizenvollkornmehl eine gute Wahl. Es muss aber nicht immer Weizen sein: Auch Dinkelmehl der Type 603 lässt sich prima für viele Arten von Kuchen oder Kleingebäck nutzen, und hat eine etwas nussige Note. Roggenmehl wird vor allem für Brot und Brötchen verwendet. Gerstenmehl enthält relativ wenig Klebeeiweiß und ist deshalb allein keine gute Wahl zum Backen, kann aber mit anderen Mehlsorten gemischt werden. Gleiches gilt für Hafermehl und Buchweizenmehl. Will man Mehl selbst mahlen, braucht es dazu nur eine Getreidemühle, entweder in günstiger Variante handbetrieben oder elektrisch. Selbst gemahlenes Mehl hält seine Nährstoffe am besten. Es eignen sich alle Arten von Mehl.
Einen auch ziemlich erfolgreichen Export-Weihnachtskuchen hat Italien. Der Panettone, der ursprünglich aus Mailand kommt, ist ein Hefekuchen, der mittlerweile auch in der Schweiz, Lateinamerika und auf unseren Märkten weit verbreitet ist. Panettone ist 20 Zentimeter hoch und wird klassisch mit Orangeat und Zitronat gemacht; er ist luftig, saftig und wird oft zu süßem Wein gegessen. Wer einen Panettone selbst backen will, sollte allerdings Zeit mitbringen: Die Herstellung dauert mehrere Tage, weil zuerst ein Weizensauerteig angesetzt wird. Der Weihnachtsmarkt, der italienische Feinkostladen oder mittlerweile sogar deutsche Supermarktketten bieten Ungeduldigen schnelleren Ersatz.
Weniger aufwendig, dafür ganz international, sind Buñuelos. Sie erinnern an Krapfen und werden zum Beispiel in Spanien, Südamerika und Griechenland gegessen. Ein einfacher Hefeteig wird mit Äpfeln oder Feigen gefüllt, aber auch herzhaft mit Käse, Kartoffeln oder Fisch. Die Bällchen werden anschließend frittiert. Es gibt viele regionale Unterschiede: In Kuba werden sie mit Aniskaramell bedeckt, in Nicaragua mit Honig, in Uruguay bestehen sie zum Teil aus Meeresalgen. Nicht ganz so weit gereist, aber ähnlich bunt gefüllt ist das Mince Pie, eine britische und irische Weihnachtsspezialität. Der Name „Mincemeat“ führt allerdings in die Irre: Früher waren diese Törtchen tatsächlich mit Fleisch gefüllt; heute finden sich darin etwa Äpfel, kandierte Orangen oder Rosinen. Als Gewürz werden traditionell Nelken, Zimt und Muskatnuss verwendet, die die Geschenke der Heiligen Drei Könige symbolisieren.
Und im Osten nichts Neues? Von wegen. Aus Russland, Polen und der Ukraine, kommt Kutja; ein süßer Weizenbrei, der meist aus verschiedenen Nüssen, geschältem und gekochtem Weizen, Honig und Rosinen gemacht wird. Die verschiedenen Zutaten symbolisieren unter anderem ewiges Leben, Hoffnung, Glück oder Gesundheit. Der Brei ist Teil des Weihnachtsessens und soll der Familie oder gleich dem ganzen Volk ein gutes neues Jahr sichern.
Typische Weihnachtsgewürze basieren auf Mischungen, die variieren. Ein hoher Anteil Zimt etwa ist nur in deutschen Rezepten für Lebkuchen häufig vertreten, Pfeffer wiederum lediglich in Osteuropa. Im süddeutschen Raum verwendete Mischungen enthalten in der Regel Zimt, Nelken, Piment, Koriander, Ingwer, Kardamom und Muskatnuss oder Macis. Eine typische Mischung für Pfefferkuchen enthält Anis, Ingwer, Pfeffer und Piment. Häufig kommen auch Schalen von Zitrusfrüchten hinzu oder Blütenwasser von Orangen bzw. Rosen. Die gebräuchlichen Mixturen bei Spekulatius ähneln denen für Lebkuchen, sind jedoch nicht so vielseitig: Neben einem hohen Anteil Zimt sind dies Muskat, Nelken, Kardamom, Anis und Zitronenschale. Die für Glühwein verwendeten Mischungen sind denen für Lebkuchen ebenfalls ähnlich. Häufig mit Zimt, Nelken, Schale von Orange oder Zitrone und Anis.
Wer statt Brei eher ein künstlerisches internationales Weihnachtsdessert probieren möchte, kann es mit Tirggel versuchen. Das ist ein Gebäck aus Honig, Mehl und Gewürzen, das ursprünglich aus Zürich kommt. Berühmt ist es vor allem für das geprägte Bild auf der Oberseite. Die eingepressten Bilder sind seit dem 15. Jahrhundert überliefert. Die Formen werden aus Holz geschnitzt und zeigen Bibelszenen, aber auch lokale Motive und Alltagsszenerien. Einige Motive haben es sogar ins Museum geschafft. Der Teig für Tirggel besteht aus Mehl, Honig und Gewürzen; man kann das Gebäck prima zu Hause im Ofen machen, dafür braucht es allerdings die traditionellen Formen.
Die Königsdisziplin künstlerischen Weihnachtsgebäcks ist wahrscheinlich das isländische Laufabrauð. Es besteht aus dünnem Brot, in das detaillierte Muster geschnitzt werden. Den Teig bekommt auch jeder Berliner hin. Er wird aus Weizenmehl, Milch, Salz und Backpulver geknetet und so flach ausgerollt, dass man die Überschriften einer Zeitung hindurch lesen kann. Hardcore wird es erst danach: Muster, die an Schneeflocken oder Laub erinnern, werden mit einem feinen Messer von Hand in den Teig geschnitzt. Oft werden bestimmte Muster innerhalb der Familie weitergegeben und mit der ganzen Familie gemeinsam geschnitten. Man kann auch Stanzrädchen benutzen. Anschließend wird das Laufabrauð frittiert. Viele Isländer machen es sich übrigens leicht und kaufen das Brot einfach. Weil es Laufabrauð in Deutschland noch selten gibt, können Sie sich schon mal mit dem Messer an Schneeflocken versuchen.
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