Zeitungssterben in den USA: Miss Brown verkauft News
In Pittsburgh gibt es kaum noch lokale Politikberichte. AmyJo Brown will das ändern und hat ein Start-up gegründet.
Der Westen Pennsylvanias ist journalistisch ein Notfallpatient. Mehrere Lokalzeitungen haben in den letzten Jahren geschlossen, die zwei großen Tageszeitungen in Pittsburgh haben viel Personal entlassen und ihre Einzugsgebiete verkleinert. Eine umfassende Berichterstattung über die Lokalpolitik findet nicht mehr statt. Um dem entgegenzuwirken, zahlen örtliche Unternehmen in Stiftungen ein, die neue Konzepte fördern. AmyJo Brown hingegen glaubt, dass Lokaljournalismus kein Fall für Charity ist, sondern ein Geschäft, das sich tragen kann.
„Als die Digitalisierung kam, hatten die Verlage keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollten“, sagt Brown. Sie kommt selbst aus der Region, vor sieben Jahren ist sie nach Pittsburgh zurückgekehrt. Bis dahin hatte sie als Reporterin und später als Beraterin für Lokalredaktionen gearbeitet. Aus ihrer Sicht haben die traditionellen Zeitungen es versäumt, den Wandel vorzubereiten. „Die Verlagsleute waren nie gezwungen, sich im Wettbewerb zu beweisen.“ Lokale Zeitungen finanzierten sich neben Abos über Anzeigen örtlicher Unternehmen, die Preise bestimmten sie quasi allein. Das Internet beendete das.
Inzwischen können Zeitungen in vielen Teilen der USA ihre politische Kontrollfunktion nicht mehr wahrnehmen. Die Konsequenzen sind schwer zu erforschen, Wissenschaftler der Uni Princeton haben es 2009 versucht. Die Forscher erhoben politische Beteiligung in der Stadt Cincinnati im Bundesstaat Ohio um den Zeitpunkt herum, als dort eine von zwei Lokalzeitungen dichtmachte. Das Ergebnis: Die Wahlbeteiligung nahm ab, genau wie die Anzahl derer, die kandidierten. Politiker*innen blieben länger im Amt. Die Gefahr: Das Interesse für Politik sinkt, immer mehr werden passiv.
Weniger Zeitungen, weniger Wähler_innen
Das könnte auch in Pittsburgh so kommen. Zwar gibt es noch zwei Zeitungen, aber beide schreiben hohe zweistellige Millionenverluste. Die Post Gazette wird von einem Mischkonzern mitgeschleift, der so seine Steuerlast drückt. Die Tribune-Review konzentriert sich auf schnelle Texte ohne nennenswerten Rechercheaufwand. Viele umliegende Städte sehen keine Reporter*innen mehr.
AmyJo Brown dagegen nimmt an, dass es in Pittsburgh eine zahlende Zielgruppe für politische Recherche geben muss. Brown stellt ein datenjournalistisches Team zusammen, das Akten aus den politischen Gremien und Behörden der Stadt auswertet und relevante Geschichten daraus destilliert. Die Geschäftsidee: NGOs, Unternehmen, Anwaltskanzleien, sie alle müssen möglichst gut über die Politik Bescheid wissen – und sind bereit, dafür zu zahlen. An die nötigen Dokumente zu kommen ist nicht schwer. „Die Akten, die wir brauchen, sind alle frei zugänglich“, sagt Brown. „Aber es sind so viele, das können nicht mal die Spitzenberater*innen alles durchblättern.“
Browns Firma entwickelt interaktive Formate, mit denen sich komplexe Zusammenhänge leicht nachvollziehen lassen. Das erste dieser Tools ist fast fertig und soll zeigen, wer in Pittsburgh an wen gespendet hat. Und zwar in den letzten zehn Jahren. Die Abonent*innen müssen für dieses Angebot bezahlen, weiterführende Recherchen sollen aber auch kostenlos für alle zugänglich sein.
In der Ära Trump können sich große US-Zeitungen über Abozuwachs freuen. Aber im Rest des Landes geht die Krise weiter. Was bedeutet das Zeitungssterben für die Demokratie? Und wer springt ein? Vier Folgen über die Zukunft der Vierten Gewalt.
Die Recherche wurde unterstützt durch ein Stipendium des American Council on Germany in New York.
So will Brown auf Dauer ein Team von neun Journalist*innen unterhalten können, unabhängig von Anzeigen oder Spenden. Wenn das klappt, wäre es eines der ersten lokaljournalistischen Projekte in den USA, das sich mit dem trockenen, politischen „Accountability“-Journalismus selbst finanziert. Das muss sich noch zeigen. Aber AmyJo Brown ist sicher, dass es Lösungen gibt, wenn Journalist*innen endlich lernen, auch unternehmerisch zu denken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!