piwik no script img

Kolumne Nach GeburtDas bisschen Schubsen

Im Internet kursiert das Video von einem Mann, der ein Kind beim Fußball schubst – und alle finden es lustig. Dabei geht das gar nicht.

Geschubst werden ist uncool – ob beim Fußball oder sonst wo Foto: unsplash/ Arseny Togulev

Papa des Jahres“, dazu noch ein Tränen-vor-Lachen-Smiley, applaudierende Hände und ein Fußball-Emoji – so war ein Video überschrieben, das mir vor Kurzem in die Twitter-Timeline gespült wurde. Darin zu sehen: Kinder, die Fußball spielen, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt, ein Schuss, ein Mann, der neben einem Tor steht, ein kleiner Junge im Tor – und plötzlich ein Stoß: Der Mann neben dem Tor schubst den kleinen Jungen um, damit der auf die Fresse fliegt und so den Ball hält. Was er dann auch tut. Unfreiwillig.

Papa des Jahres. Herzlichen Glückwunsch.

Das Video wurde mehr als 28 Millionen Mal angeschaut, der Beitrag knapp 717.000 Mal geliked und mehr als 281.000 Mal retweetet. 7.000 Kommentare stehen unter dem Video. Tenor der meisten: Ich halt es nicht aus, ich piss mir gleich in die Hose vor Lachen.

Und ich dachte nur: Was für eine Scheiße. Da wird ein Kind völlig unerwartet umgeschubst von jemandem, dem es zu vertrauen scheint.

Ich hab keine Ahnung, ob der Mann wirklich der Vater ist. Oder der Trainer. Ist auch egal. Denn bei allen stellt sich mir die selbe Frage: Wie kommt man darauf, ein Kind umzuschubsen, um ein verdammtes Tor zu verhindern? Ein Tor! Beim Kinderfußball!

Ganzes Recht auf körperliche Unversehrtheit

Kinder sehen zwar womöglich so aus wie halbe Menschen, aber sie haben schon das ganze Recht auf körperliche Unversehrtheit. Sie sind keine Objekte zur Befriedigung des elterlichen Ehrgeizes! Das einzige Recht, das Eltern auf einem Fußballplatz haben sollten, ist das auf einen Kaffee. Das muss reichen.

Ja, es ist blöd, den Das-ist-nicht-lustig-Miesepeter zu spielen. Und ich weiß auch, dass sofort der Mach-dich-mal-locker-Vorwurf kommt. Du lachst doch auch über diese Sendungen mit den lustigsten Homevideos! Ja, tu ich tatsächlich. Vor allem über die stumpfen Kommentare aus dem Off. Tipp für alle, die mal eine kleine Zeitreise in das Fernsehen der 90er Jahre unternehmen wollen: „Upps! – Die Pannenshow“ läuft tatsächlich noch bei Super RTL.

Nur kann ich diesen Humor bei dem Fußballvideo nicht erkennen. Ich sehe nur einen Erwachsenen, dem mindestens eine Sicherung raus springt

Aber: Da lach ich über Menschen, die beim Schlittenfahren einen Hügel unterschätzen, oder eine Katze, die von einer Fensterbank fällt. Nur kann ich diesen Humor bei dem Fußballvideo nicht erkennen. Ich sehe nur einen Erwachsenen, dem mindestens eine Sicherung raus springt. Und stelle mir vor, wie der abends auf dem Sofa sitzt, Champions League guckt und auf Neymar schimpft: Der immer mit seinen Schwalben! Das ist doch kein Fairplay! Der ist doch kein Vorbild!

Natürlich darf man streng sein mit Kindern, man darf schimpfen und streiten und auch laut werden (die sind ja auch laut), aber es sollte doch zumindest einen für das Kind teilweise nachvollziehbaren Grund dafür geben. Aber dieser Junge im Tor hat doch nichts gemacht. Gar nichts. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Beim Nachschuss geht der Ball dann übrigens trotzdem rein. Der Mann winkt einfach ab. Zu nichts zu gebrauchen, diese Blagen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Fehlt eigentlich noch der Hinweis, dass der Schubser einem älteren weißen Mann ähnelt. Dann ist das Feindbild komplett.

  • Vater verhaften, Kind beim Jugendamt als misshandelt melden, auf die nicht vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Kindes / des Vaters über die Jugendarbeit eingehen und den Zögling bis ins Erwachsenenalter vor allem Unbill bewahren.

    • @KOBA:

      Gute Antwort! Man könnte bis zur Todesstrafe gehen. Aber vielleicht hat der Autor das Ganze als Satire geschrieben. Weil so verstockt kann ich mir fast nicht vorstellen!

  • Korrekt. But.

    “…Aber dieser Junge im Tor hat doch nichts gemacht. Gar nichts.



    Im wahrsten Sinne des Wortes.…“ Sorry - da schwächense - Schonn.

    Denn. Schon darum - “hat nix gemacht“ - geht’s grad -



    & Schon erst gar nicht. Newahr.

    Nee Nee. Das - “hat nix gemacht“ - ist schon “the step across the border!“



    Der falsche - respeklose - geistige unempathische Ansatz.



    Der Typ spielt nicht mit & fertig. Mehr brauchts nicht. Normal.



    &



    EndeGelände.

    unterm—— mal dazu —-



    Entsinne mich gut an eine Szene im ostasiatischen Museum.



    Ein Großmeister der Seidenmalerei - in workshop.



    Mein damals etwa 12/13jähriger - ein bedacht begabter an Stift&Pinsel.



    Saß halbschräg gegenüber - grad zum nächsten Pinselstrich ansetzend.



    Als der hohe Meister - ansatzlos - sich von hinten drüberbeugte.



    & Däh! für Sohnemann bis heute unvergessen & aufgehoben - ;)(



    Mit einenem 4cm breiten schwarzen Strich - quer über das filgrane Bild fuhrwerkte!

    Die Wut & den Zorn in den Augen meines Jüngsten.



    Bemerkte der hohe Meister - plappernd weiterwandernd.



    Nich die Bohne.



    &



    Eh ich eingreifen konnte - hatte sein etwas älterer (Künstler)freund daneben.



    Eingegriffen & ihn schließlich sogar dazu doch annimieren können.



    Doch noch weiter zu malen.



    (Leider entschwand der Meister vorzeitig - “ehs was aufs Maul gab!“



    Schade. Newahr.)

    • @Lowandorder:

      & Däh - ehs regnet oder wirdes finster ;)

      Zisch & mailtütenfrisch -

      "So, wie dieser Meister "schafft",



      plädiere ich für Meister-Haft."

      Liggers. Biste nich willich - drillich.