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Kolumne Wir retten die WeltDavid gegen Kohliath

Bernhard Pötter
Kolumne
von Bernhard Pötter

Jetzt jammern VW, RWE und Konsorten, sie würden von der Öko-Stimmung diffamiert und bedrängt. In Wahrheit haben sie immer noch die Macht.

Mit Trump-Slogans für die Braunkohle: Demo in Elsdorf Foto: dpa

W ieder einmal ist Deutscher Herbst. Und man hat den Eindruck: Terror überzieht das Land. In einem „Feldzug gegen das Auto“ (VW-Chef Diess) sollen die Hersteller vernichtet werden. Große Unternehmen werden als „Betrüger“ und „Dreckschleudern“ diffamiert.

Beschäftigte in der Braunkohle fühlen sich an den Grubenrand gedrängt, weil in 20 Jahren ihre Jobs verschwinden. Chemiefirmen wandern aus, wenn sie weniger Plastikmüll produzieren sollen. Und die Agrarindustrie zieht den Schwanz ein, weil sie Ferkel bald nicht mehr ohne Betäubung kastrieren darf.

Leben wir schon unter der Öko-Diktatur?

Hahaha.

Da macht sich Kohliath zum David. Die Reichen und Einflussreichen stilisieren sich zu Opfern. Nur zur Erinnerung: Die Deutsche Umwelthilfe, die Politik und Autoindustrie vor den Gerichten blamiert, hatte 2017 ein Budget von 8 Millionen Euro. Daimler schafft das als Gewinn vor Steuern in zwei Arbeitsstunden.

Reiche und Einflussreiche gefallen sich als Opfer

Die Hambacher AktivistInnen hatten nur ihre Baumhütten – ihnen gegenüber steht RWE mit 2 Milliarden Reingewinn 2017. Wenn die Autoindustrie ein Problem hat, ruft sie im Kanzleramt an. Wenn die Kohle Schutzpatrone braucht, schickt sie drei Ministerpräsidenten vor, um mal eben 60 Milliarden Euro zu fordern. Mindestens.

Und diese wirklich große Koalition aus politischer und wirtschaftlicher Macht maskiert sich als Underdog. Sie hat es geschafft, dass die CO2-Emissionen nicht sinken, dass weiter dreckige Diesel auf die Straße kommen und dass der Steuerzahler jedes Jahr 50 Milliarden für die Zerstörung der Umwelt ausgibt. Und dass sich darüber außer mir keiner aufregt.

Dieses Machtgefälle zwischen hilflosen Ökos und fast allmächtiger Politik/Wirtschaft wird nun gedreht: Erst mal sollen die Umweltverbände sich um Jobs kümmern, ehe sie die Welt retten. Ganz falsch. Umweltverbände sollen für die Umwelt kämpfen, weil die sonst keine Stimme hat. So wie Gewerkschaften für Jobs streiten. Den Ausgleich dazwischen muss gefälligst die Politik schaffen.

Wer Umweltschützer zu Gewerkschaften­ macht, der betreibt die Herrschaftspolitik der Konzerne. Warum dreht niemand den Spieß um? Und verlangt von den Gewerkschaften­ (Motto: „Es gibt keine Jobs auf einem toten Planeten“) einen realistischen Plan zur Verhinderung des Klimawandels? Daran könnte sich die Bergbau-Gewerkschaft IG BCE mal versuchen. Dann würde sie zu Recht die Sympathien ernten, die David gegen Goliath zufliegen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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10 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Wenn Täter sich zu Opfern machen. Folge 4711. Einfach nur zum Kotzen.

    Ich schlage vor, die diesjährige Weihnachts-Spendensammlung den Opfern der 'Öko-Stimmung' zu widmen. Zuvorderst den Managern und Gross-Aktionären von RWE.

  • Danke, super Artikel!

  • War da in den Achtziger Jahren nicht Mal was mit ökologischer Umgestaltung der Industriegesellschaft von der SPD oder so? Hätte man machen sollen, dann bräuchte man heute keine Panik vor der Oekodiktatur zu haben. Die kommt sowieso, wir brauchen nur so weiter zu machen wie jetzt.

  • Finde Braunkohle auch nicht gut aber derzeit erzeugen erneuerbare Energien einfach noch nicht genug Energie. Wenn man den Protestanten den Strom abstellt und sie ein paar Wochen im Dunkeln sitzen werden sie ihre Meinung vielleicht nochmal überdenken.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Emma Neuwied:

      Bitte mehr von solch wundervoll kreativen Lösungsvorschlägen!!!

      Ist Ihnen schon mal der Gedanke durch den Hirnkasten gekrochen, dass das Festhalten an der Braunkohle jegliche Verstromung in der Zukunft überflüssig macht? Dann sind keine Menschen mehr da, die Strom brauchen. Und auch niemand, der Strom abstellen kann.

      Aber was stören schon lästige Fakten?

    • @Emma Neuwied:

      Deutschland exportiert bereits Strom aus erneuerbaren Energien, weil es genug gibt. Man muss nur wollen. Arbeitsplätze gäbe es auch im Umweltschutzsektor, Umschulungsmöglichkeiten sicher auch. Wenn die Bevölkerung und Politiker der Industrie das ehrlich mal abfordern würden.

      • @aujau:

        Es sollte endlich statt ehrlich heissen.

    • @Emma Neuwied:

      Gähn!



      Das Orignal deines dummen Spruchs kommt aus der Propagandaabteilung der Atomindustrie und ist ungefähr Vierzig! Jahre alt:



      "Atomkraftgegner überwintern im Dunkeln mit kaltem Hintern"



      Das war einer der Aufkleber die damals z.b. Schülern bei einer Besichtigung des Atomkrafwerks Stade zusammen mit den schicken Hochglanzbroschüren über die "sichere und saubere Kernenergie" mit gegeben wurden.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Wagenbär:

        Das stammt sicher aus der Ecke "Make RWE great again!" Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Mögen sich diese Lakaien die Zähne daran ausbeissen und ihr Brot zukünftig lutschen!

  • @Bernhard Pötter



    Danke für die offene Aussage, die mir immer gefehlt hat seitens der taz.

    "Und dass sich darüber außer mir keiner aufregt." Also das stimmt nicht ganz – wie jede|r lesen konnte, rege ich mich ständig und unendlich darüber auf – aber wer sind schon Kommentator*innen…