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Debatte Rechter Terror in Bayern100 Jahre NSU

Kommentar von Thies Marsen

Mit der Ausrufung des Freistaats kam die Demokratie nach Bayern. Zugleich bildete sich ein extrem rechter Untergrund – der bis heute geduldet wird.

Die Anfänge des rechtsextremen Untergrunds reichen in Bayern weit zurück Foto: dpa

I n Bayern wird derzeit der 100. Geburtstag der Revolution gefeiert – völlig zu recht. Fast ohne Blutvergießen wird im November 1918 die Monarchie abgeschafft, der Krieg beendet und das allgemeine Wahlrecht für alle eingeführt. In der Nacht zum 8. November 1918 ruft der linke Sozialdemokrat Kurt Eisner den „Freistaat Baiern“ aus und wird Ministerpräsident. Sein Programm: „Die Demokratisierung des öffentlichen Geistes wie der öffentlichen Einrichtungen“.

Doch zeitgleich bildet sich in Bayern ein extrem rechter Untergrund, der die Demokratisierung erbittert bekämpft, allen voran die Thule-Gesellschaft, eine im Nobelhotel Vier Jahreszeiten logierende Geheimorganisation. In ihrem Logo: das Hakenkreuz. Die Regierung Eisner ist für sie der „Todfeind: Juda“, den es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt.

Eine bewaffnete Kampfgruppe wird gebildet, ein Putsch vorbereitet. Die unblutige Phase der Revolution ist am 21. Februar 1919 vorbei: Ein extrem rechter Attentäter erschießt Ministerpräsident Eisner auf offener Straße. Am Vorabend hat der Mörder verkündet: „Der muss weg, er ist ein Bolschewik und ein Jude.“ Ein Jahr später, als die Revolution längst Geschichte ist, wird der Mörder pro forma zum Tode verurteilt und schon am nächsten Tag zu Festungshaft begnadigt, einer Ehrenhaft für Überzeugungstäter.

Nach Eisners Tod haben die Arbeiter- und Soldatenräte die Macht übernommen. Die Thule-Verschwörer organisieren im Untergrund ein Spitzelsystem und fälschen Stempel der Räteorgane. Aus dem Thule-Kampfbund wird das extrem rechte Freikorps „Bund Oberland“, das Anfang Mai 1919 mit anderen „weißen Truppen“ die rote Revolution niederschlägt und dabei ein Blutbad anrichtet.

„The cradle of the Nazi beast“

Unterdessen hat der österreichische Gefreite Adolf Hitler in München bei der Propagandaabteilung der Reichswehr angeheuert und wird kurz nach dem Ende der Räterepublik als „V-Mann“ – wie es schon damals heißt – nach Lagerlechfeld bei Augsburg geschickt, um die dortigen Soldaten auf Linie zu bringen. Als Agent der Armee hält Hitler erste Propagandareden und fasst in einem Brief an seinen Vorgesetzten seine politische Agenda zusammen: Letztes Ziel müsse „unverrückbar die Entfernung der Juden überhaupt sein“. Als Hitler kurz darauf der Deutschen Arbeiterpartei DAP beitritt, aus der bald die NSDAP werden sollte, steht er immer noch im Sold der Reichswehr.

Aus der Bayerntaz

Schwestern und Brüder, auf zur Sonne, auf nach Bayern: Diesen Artikel lest Ihr/lesen Sie im Rahmen des weißblauen Sonderprojektes der taz zum 100. Geburtstag des Freistaats Bayern. Unter der zünftigen Federführung des Obermünchners Andreas Rüttenauer haben sich nur die besten bayerischen Kräfte der taz an die Recherche gemacht: alle Texte. Ein Prosit auf Sie und auf uns!

Bayern hat sich da längst zur Ordnungszelle gewandelt, in der Linke erbittert bekämpft werden, während Rechtsradikale frei agieren können. Mit Unterstützung aus höchsten Kreisen bereitet Hitler den Putsch vor. Als Termin wählen die Verschwörer den fünften Jahrestag der Revolution, um die Schmach der „Novemberverbrecher“ auszulöschen. Der Putsch wird zwar niedergeschlagen und Hitler verhaftet. Doch der Hochverräter wird nicht etwa zum Tode verurteilt oder nach Österreich abgeschoben. Wie der Eisner-Mörder wird Hitler Ehrenhäftling in Landsberg, darf unter der schützenden Hand der Justiz Hunderte Besucher empfangen, politische Schulungen abhalten, den ersten Teil von „Mein Kampf“ verfassen und die NSDAP neu aufbauen.

Thies Marsen

ist Journalist in München und arbeitet vornehmlich für den Bayerischen Rundfunk. Zusammen mit Egon Günther hat er die Autobiografie der Räterevolutionärin Hilde Kramer herausgegeben: „Rebellin in München, Moskau und Berlin“, erschienen bei Basis-Druck.

Nur folgerichtig, dass Hitler nach seiner vorzeitigen Entlassung in Bayern bleibt, denn hier können die Nazis in aller Öffentlichkeit die Machtübernahme in Berlin vorbereiten. 1933 ist es geschafft und der „Führer“ bedankt sich, indem er München zur „Hauptstadt der Bewegung“ kürt. Zwölf Jahre und Millionen Tote später erhält München einen neuen „Ehrentitel“ – von US-General Eisenhower, dessen Truppen die Stadt Ende April 1945 befreien: „the cradle of the Nazi beast“, die Wiege der Nazibestie.

Viele Nazis gehen in den Untergrund, schließen sich dem „Werwolf“ an, einer Geheimorganisation, die SS-Führer Himmler kurz vor Kriegsende gegründet hat und die über geheime Waffenlager verfügt. Noch vor dem Einmarsch der US-Army ermorden Werwolf-Einheiten zahlreiche Nazi-Gegner. Der erträumte Guerillakrieg gegen die Alliierten kommt zwar nicht zustande, doch einzelne Attentate scheint es gegeben zu haben. So fand der Historiker Ralph Klein jüngst Hinweise darauf, dass der US-amerikanische Offizier Edward Hartshorne im August 1946 gezielt durch ein Nazi-Kommando ermordet wurde. Hartshorne sollte die bayerischen Universitäten von Nazis säubern. Auf der Autobahn München–Nürnberg wird er aus einem fahrenden Auto heraus erschossen.

Nazis fühlen sich in Bayern weiter wohl

Im Dezember 1946 wird der Freistaat wieder gegründet. Und auch wenn die neue bayerische Verfassung – ausgearbeitet unter dem SPD-Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner – antifaschistischen Geist atmet, fühlen sich Nazis in Bayern weiter wohl. Hier entstehen einflussreiche extrem rechte Verlage, hier gründet Karl-Heinz Hoffmann 1973 die nach ihm benannte Wehrsportgruppe. Als der Bundesinnenminister die paramilitärische Truppe verbietet, erwidert Bayerns CSU-Ministerpräsident Franz Josef Strauß, man solle Hoffmann doch „in Ruhe lassen“. Kurz darauf ermordet ein Wehrsportgruppen-Mitglied in Erlangen den jüdischen Verleger Shlomo Lewin und seine Lebensgefährtin Frieda Poeschke.

Auch der folgenschwerste extrem rechte Anschlag der deutschen Nachkriegsgeschichte geht auf das Konto eines Hoffmann-Anhängers: Das Oktoberfest-Attentat, bei dem 1980 zwölf Menschen und der Attentäter sterben. Die Hintergründe der Tat, insbesondere die Verwicklungen und Versäumnisse staatlicher Stellen, sind bis heute nicht aufgearbeitet. Gleiches gilt für die Taten des NSU. Die Mitglieder des NSU-Kerntrios waren schon vor ihrem Untertauchen 1998 regelmäßig in Bayern. Hier verübten sie fünf ihrer insgesamt zehn Morde. Kaum vorstellbar, dass sie an den Tatorten Nürnberg und München keine Helfer hatten. Doch die wurden nie ermittelt.

Auch nach 100 Jahren scheint sich der Wille, den nationalsozialistischen Untergrund in Bayern wirklich trocken zu legen, in Grenzen zu halten.

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5 Kommentare

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  • General Dwigthy Eisenhower erkennt München 1945 als Wiege Nationalsozialistischen Untergrunds „The cradle of the Nazi beast“, vielleicht, weil hier die unheilschwangere Melange aus Elite, Volk wie in einem Brutofen nach verlorenem 1.Weltkrieg hochgeheizt nicht zurück in kleinstaatich alte monarchistische Strukturen vor 1871 strebt, sondern, weil diese Melange, 1914-1918 militärisch formiert, in Ostafrika, Palästina, Syrien, Türkei, Baltikum, Ober Ost Ukraine. Krim als Besatzer, christlich moralisch entfesselt, mordierend missionierend von der zivilen Leine gelassen, Blut gerochen, kriegswirtschaftlich nach mehr Raum fürs deutsche Volk an vermeintlicher Sonne untergehenden Kolonialismus eilt und all diese Optionen durch den Versailler Vertrag verliert und doch nicht lassen will.



    König Ludwig III von Bayern verließ Novemver 1918 fluchtartig seine Residenz München, ließ Zepter, Schwert zum revolutionären Teufel fahren. weil er seine Pappanheimer kannte, wusste wie die seit 1914 mordierend an allen Fronten gegen Ziviles unterwegs waren, fürchtete, dass das von der Front heimkehrende bayrische Heer daheim ein Massaker gegen seinen Stamm anrichtet, wie die Bolschewiki gegen ihre Zarenfamilie (Quelle: Victor Klemperer "Man möchte immer weinen und und lachen in Einem" Revolutionstagebuch 1919 ). Seit 7. Februar 1919 unterrichtet Klemper Kriegsheimkehrer als Privatdozent in der Ludwig Maximilian Universität München (ab S. 128 Bild 6). Bild 12 "Rotarmisten mit Minenwerfer, Granaten, Munitionskästen am Stachus unterwegs, als handel es sich um Ost Gemüse. Klemperer baut als Besatzungsoffizier kaiserliche Heere im Baltikum für die dort unterdrückte Zivilgesellschaft ab 1915 gelenktes Pressewesen in Deutsch als Amtssprache auf. Lesenswert ist auch das Buch "Träumer" wie Kurt Eisner, Erich Mühsam, Oskar Maria Graf "Als die Dichter die macht übernahmen",darunter Kurt Eisner Volker Weidemann. SA Braunhemden bestanden aus entwendet bayrisch kaiserlichen Khaki Kolonialtuch-

  • Was das gesamte Bild ergänzt, sind Hinweise auf die Rückführung von rund 900.000 Soldaten Bayerns in den Friedensstand nach Unterzeichung des Waffenstillstandes 11. November 1918. Bayerische Regimenter waren in Russland, der Ukraine, Krim, Ungarn, Serbien stationiert wie in Syrien, Palästina unter General Paul von Lettow-Vorbeck (1870-1964), an der Westfront. Die unmittelbare Demobilisierung bayerischer Soldaten vollzog sich Dezember 1918 bis Februar 1919.



    Wobei etwas Besonderes hinzukommt. Während die Reichswehr 19. Januan 1919 gegründet wurde, kam es erst 25. August 1919 zur offiziellen Übernahme bayerischen Heeres in die Reichswehr durch Reichskanzler Friedrich Ebert in der Münchner Marsfeldkaserne.



    Bis dahin agierten Truppenteile bayrischer Heere neun Monate lang wie Freikorps privater Geldgeber zu dunklem Zweck als freischwebend Soldateska zu jeder aus dunkler Quelle - Thule Vereingung im Hotel Vierjareszeiten München ? - finanzierte Schandtat in geheim nachwievor gehaltenen Gebieten Ober Ost Ukraine, Baltikum gegen die Bolschewiki in Moskau bereit, den dortigen Bürgerkrieg zu nähren, Strafaktion Willkür zu verbreiten, Zwangsarbeiter in KZ zu bewachen..



    Der Waffenstillstand 11. November 1918 überraschte bayerische Regimenter an allen Fronten Europas, Ostafrikas. Bayerische Kavallerie und bayerische Landwehr waren zur Sicherung des Friedensvertrages Brest Litowsk mit Russland vom Baltikum, Galizien über die Ukraine zur Krim in der militärischen Verwaltungseinheit Ober-Ost unter dem Oberbefehl Generalquartiermeister Erich Ludendorff seit Januar 1918 stationiert.



    Das Objekt obskurer Begierde obsessiver Optionen des nationalsozialistischen Untergrunds war in Bayern mit Figuren wie Adolf Hitler, anders als in übrigen Teilen Deutschlands, Richtung Ober Ost Ukraine, Südwest, Naher Osten gerichtet, verdeckt zu halten, was der Brest Litowsk Vertrag verheißen hatte "Lebensraum zu sichern, entvölkert von Juden, wie dieses Zar Nikolaus infam brutal begonnen hatte".

  • Aber Hallo: als ob es z.B. die rechtsradikale Szene in Dortmund nicht gäbe. Aber das passt halt nicht in's Schwarz-Weiss Schema.

    • @schwaw:

      Ableger gibt's überall, auch in Dortmund. Aber vor hundert Jahren schien in Dortmund die Sonne und in Bayern sind die Rechten aus dem Ei gekrochen. Was meinst Du mit Schwarz-Weiss-Schema?

      • @Wuff:

        Wenn ich in duckduckgo "nationalsozialismus dortmund" eingebe, da frage ich mich schon, ob die Sonne da so hell gescheint hat. Wie wäre es mit



        Geschichte des Faschismus in NRW oder regional z.B. OWL



        denke da an die Wewelsburg, die Bodelschwing'schen Anstalten zur Zeit des Nationalsozialismus.



        Oder die extrem fanatischen NSDAP Akademiker an der Uni Tübingen...



        Zu Schwarz-Weiss: Progressiv ist gut und konservativ ist schlecht ((wie auch immer das definiert wird) . Und weil die Bayern zu einem nicht ganz kleinen Teil so etwas wie ein Identitätsbewusstsein haben (manchmal wügt's einen dann auch wie beim FC Bayern München) wird gern die Parallele zum Faschismus gezogen (und nein, ich bin kein Bayer).



        In diesem Artikel wird massiv schubladisiert: Blutbäder wurden nach dem 1. WK und vor der Hitler-Diktatur auch von Kommunisten angerichtet, aber das passt halt nicht in's Schema.