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Editorial von Andreas RüttenauerDa schau her!

Bayern ist fortan ein Freistaat.“ So heißt es in der Proklamation der Republik am 7. November 1918. Ein Wort war in der Welt, das nicht mehr sein wollte als eine deutsche Bezeichnung für Republik. An die Ideen des Sozialdemokraten Kurt Eisner, der den Umsturz in Bayern vor 100 Jahren angeführt hat, wird kaum einer denken, der die bayerischen Landesgrenzen überschreitet und dieses bunte Wappen sieht, das für den Freistaat Bayern steht. Dass Bayern einmal rot war, dass gar eine Räterepublik in München ausgerufen worden ist, scheint heute unvorstellbar.

Ideen sind es also nicht, die mit dem Wort Freistaat verbunden werden. Nach jahrzehntelanger CSU-Herrschaft steht es für heimatbesoffene Kraftmeierei, für Wohlstand, den man herzeigt, indem man ein dickes bayerisches Auto auf die Straße stellt, und für eine faschingsähnliche Folklore, die längst alles Echte verloren hat. Aber was ist eigentlich echt an Bayern? Der Flächenfraß, der aus jeder bayerischen Gemeinde ein Gewerbegebiet mit angeschlossenem Wohngebiet macht? Eine Bildung, mit der man angibt, zu der aber längst nicht alle Zugang haben? Traditionelle Wohlfühlheimat für braunes Gedankengut? Wir haben uns für diese Sonderausgabe mal umgesehen in Bayern, haben uns die Geschichten da erzählen lassen, wo keine Geranien von Holzbalkonen hängen, wo das Bier nicht in Strömen durch viel zu große Kehlen fließt und wo man ohne Dirndl oder Lederhose durch das Leben kommt.

Ein wenig sind wir diesem Land auf die Spur gekommen, indem wir die Perspektive gewechselt haben. Wir wollten mit bayerischen Augen auf die Welt sehen. 100 Jahre Freistaat Bayern waren für uns Grund genug, eine bayerische taz zu machen. Es war uns ein Vergnügen.

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