Experte über Tagung der Weltbank: „Falsches Entwicklungsmodell“
Die Weltbank tagt und schreibt Fatales über die Zukunft der Arbeit, kritisiert Knud Vöcking von Urgewald. Immerhin: Sie steigt aus Kohleinvestments aus.
taz: Herr Vöcking, was steht bei der Weltbank-Tagung ab Freitag auf dem Programm?
Knud Vöcking: Die Vereinbarung der 189 Mitglieder zur Kapitalerhöhung der Weltbank wird unterzeichnet. Damit steigen etwa die Mittel, die die Weltbank pro Jahr an Projektpartner aus dem öffentlichen Sektor vergeben kann, von 60 Milliarden auf 100 Milliarden Dollar. Das potenziert Probleme und hat negative Auswirkungen.
Wäre es besser, die Weltbank würde weniger tun?
Die Weltbank sollte nicht weniger tun, sondern das, was sie macht, vernünftig machen. Die Menschen brauchen keine Infrastrukturprojekte wie Staudämme oder makroökonomische Interventionen wie eine Reform des Steuer- oder Sozialsystems, um fremde Investoren anzulocken – das aber unterstützt die Weltbank. Ihr Entwicklungsmodell ist auf falschen Voraussetzungen aufgebaut. Es folgt der Idee, Länder zu immer mehr Exporten zu bringen, statt Industrien aufzubauen, die für den eigenen Markt produzieren.
Knud Vöcking, 62, ist bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald Referent für Finanzinstitutionen.
Was muss sich ändern?
Die Weltbank muss ihr Modell ändern, hin zu kooperativen, kleinteiligen Entwicklungsprogrammen. Außerdem müssen die Kontrollen und Rechenschaftsmechanismen schärfer werden, damit die Manager der Weltbank Fehler auch korrigieren. Und vor allem muss die Weltbank Menschen- und Umweltrechte stärker beachten.
Die Weltbank will grüner werden. Wie?
Neben dem Bereich für öffentliche Projekte hat die Weltbank mit der International Finance Corporation (IFC) eine eigene Institution für private Investitionen. Ein Drittel der gesamten Mittel der Weltbank Gruppe werden derzeit an private Investoren vergeben. Nichtregierungsorganisationen fordern seit langem, dass sich die Weltbank aus Investitionen im Kohlebereich zurückzieht. Jetzt wird sich die Weltbank im Bereich der privaten Finanzierung aus diesen Investments zurückziehen. Das ist ein Erfolg, auch wenn dieser erste Schritt nicht reicht und der grundsätzliche Ausstieg aus Kohleprojekten nötig ist. Man kann zwar noch keine Zahlen nennen oder sagen, wie lange es dauern wird. Aber die Weichen sind richtig gestellt. Das ist ein Türöffner.
Wieso?
Die Gesamtstrategie der Weltbank geht dahin, für Entwicklungsprojekte private Gelder anzuwerben. Zu jedem Dollar von der Weltbank kommen drei bis zehn Dollar an privater Finanzierung.
Verändert die Weltbank ihre Strategie, auf Privatisierung, Deregulierung und Abbau von Sozialprogrammen zu setzen?
Nein. Der neue Weltentwicklungsbericht der Weltbank für 2019 befasst sich mit der Zukunft der Arbeit. Dieser Bericht ist eine Art Handbuch der Deregulierung, ein Rezeptbuch dafür, wie man ein Land investorenfreundlich macht. Die Logik: Wenn es Arbeitsplätze geben soll, dann ohne Gewerkschaften und ohne Rechte für Beschäftigte. Gleichzeitig sollen Plattformen wie Uber stark gemacht werden. Das ist als Anregung für Entwicklungsländer gedacht, richtet sich aber an alle. Der Report wird auch Auswirkungen auf das deutsche und das europäische Arbeitsrechtsklima haben. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat sich deshalb in einem Schreiben an die Weltbank und das deutsche Entwicklungshilfeministerium darüber beschwert.
Zu der Tagung von Weltbank und IWF sind hunderte von Nichtregierungsorganisationen (NGO) akkreditiert. Welche Rolle haben sie?
Das kommt auf die jeweilige NGO an. Es gibt auch NGOs, die von der Weltbank Geld bekommen, um Projekte durchzuführen. Diese NGOs haben eine andere Rolle als die, die sich als Kritiker verstehen. Sie versuchen, in den Dialog mit Regierungsvertretern und Managern zu kommen. In den öffentlichen Foren stellen wir unsere Untersuchungsergebnisse und Forderungen vor.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt angesichts des von den USA angezettelten Handelskonflikts vor Gefahren für die Finanzmärkte. Eine weitere Eskalation könne „das Vertrauen der Anleger untergraben und auch das Wirtschaftswachstum schädigen“, heißt es in dem am Mittwoch auf der IWF-Jahrestagung auf Bali veröffentlichten Bericht zur Finanzstabilität. Schwellenländer seien besonders anfällig, da sie wegen erhöhter Zinsen in den USA und künftig auch in der Eurozone mit Kapitalflucht rechnen müssten. Deshalb sei es laut IWF auch nicht ratsam, die Regeln für die Finanzmärkte zu lockern. Zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise sehe er wieder neue Risiken, sagte IWF-Direktor Tobias Adrian, etwa hohe Immobilienpreise in London oder New York. (rtr/taz)
Sind die NGOs ein Feigenblatt?
Klar, die Teilnahme kritischer NGOs hat auch einen beruhigenden Charakter. Ob sie ein Feigenblatt sind, hängt davon ab, ob sich ihre Vertreter durch freundliche Worte und gemeinsames Kaffee trinken einlullen lassen oder freundlich im Ton, aber hart in der Sache bleiben. Proteste sind wichtig, aber Dialog ist auch wichtig.
Gibt es in Bali Proteste?
Es gibt einen Alternativgipfel, den indonesische und NGOs aus der Region organisieren. Die Polizei wollte die Veranstaltung aus Brandschutzgründen verbieten. Nachdem sich auch Vertreter der Weltbank für den Gipfel eingesetzt haben, sieht es so aus, als könnte er stattfinden. Es gibt auch Proteste, aber die dringen nicht bis an den Tagungsort durch. Dazu ist das Netz an Sicherheitskräften zu eng.
China macht zwar bei der Weltbank mit, hat aber mit der AIIB eine weitere Entwicklungsbank und damit Konkurrenz auf den Weg gebracht. Haben Umwelt- und Sozialstandards dort mehr Gewicht?
Nein. Die AIIB ist ein Instrument, das China dazu dient, eine bessere internationale Position zu bekommen. Sie hat schlechte Umwelt- und Sozialstandards, betreibt keine vernünftige Informationspolitik, es gibt kein Verfahren für Beschwerden. Das ist keine Gegengewicht.
Angesichts der Politik von US-Präsident Donald Trump: Haben sich die Institutionen Weltbank und die Schwesterorganisation IWF bewährt, auch wenn Reformen nötig sind?
Sie sind schon Gegengewicht zu denen, die den eigenen Kirchturm für den Nabel der Welt halten. Hier wird zur Kooperation gezwungen. Das hat auch Nachteile, denn man muss mit repressiven Regimen wie Saudi Arabien, China oder Indonesien zusammenarbeiten. Deshalb sind die Fortschritte langsam. Aber wie der SPD-Politiker Egon Bahr sagte: Wer redet, der schießt nicht. Das ist ganz wichtig.
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