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Kommentar Wahl in BrasilienUngeschminkter Rechtskurs

Andreas Behn
Kommentar von Andreas Behn

Die Klientel des rechten Kandidaten Bolsonaro ist die weiße Mittelschicht, die Angst vor jeder Veränderung hat. Offen ist, ob er noch gestoppt werden kann.

Jubelnde Anhänger von Jair Bolsonaro feiern in Rio de Janeiro Foto: dpa

N och besteht etwas Hoffnung in Brasilien. Nicht ausgeschlossen, dass der Ex-Militär Jair Bolsonaro doch noch gestoppt wird. Nicht ausgeschlossen, dass sein rechtsextremer Diskurs die Menschen stutzig macht und verhindert, dass er weitere vier Prozent Stimmen hinzugewinnt und auch den zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahl gewinnt.

Doch es ist unwahrscheinlich. Nach der Wahl am Sonntag, bei der Bolsonaro 46 Prozent der Wählerstimmen bekam, ist zu befürchten, dass das fünftgrößte Land der Welt sich demnächst in die Staatengruppe einreiht, deren Regierungen den Rechtsstaat in Frage stellen und bestimmte Menschengruppen für die Alltagsprobleme verantwortlich machen.

Dabei ist Bolsonaros Diskurs noch ungeschminkter als bei anderen Vertretern des ultrarechten Lagers. Er werde dafür sorgen, dass alle Verbrecher erschossen werden, sagte er im Wahlkampf. Und auch die Petistas, also die Anhänger seines Gegners in der Stichwahl. Dazu die Pose mit angelegter Waffe. Später ließ er mitteilen, er habe nur gescherzt.

Einige sagen, er vergreift sich nur im Ton, wenn er sagt, eine Kollegin sei zu hässlich, um vergewaltigt zu werden

Seine Wähler schreckt das alles nicht ab. Sie wählen ihn, weil er einen Aufbruch nach der langen Krise verspricht. Weil er der Korruption den Garaus machen will, obwohl er selbst fragwürdige Geldbeträge von Unternehmen bekam. Weil die Pastoren in unzähligen evangelikalen Kirchen predigten, er sei die richtige Option.

Seine Fans misstrauen der ganzen Politikerkaste und vergessen, dass Bolsonaro seit über 20 Jahren Bundesabgeordneter ist. Einige sagen, er vergreift sich nur im Ton, wenn er sagt, eine Kollegin sei zu hässlich, um vergewaltigt zu werden. Er übertreibe nur, wenn er Schwarze als faul bezeichnet. Andere stimmen schlicht zu, da sie selbst rassistische und sexistische Einstellungen haben.

Seine Klientel ist die weiße Mittelschicht

Bolsonaro, der bis vor kurzem auch in Brasilien nicht sonderlich bekannt war, ist kein Außenseiter, dessen Popularität überrascht. Er ist Teil des Establishment, und wurde zu einer politischen Option, als sich abzeichnete, dass kein anderer konservativer Kandidat in den Wahlumfragen anstieg. Die Massenmedien, Unternehmer und zahlreiche Parteien setzten ohne jede Scham auf den Ex-Militär, weil dieser gegen links wetterte und ein liberales Wirtschaftsprogramm in Aussicht stellte.

Anders als klassische Rechtspopulisten spricht er kaum zu denjenigen, die am meisten unter Krise und Armut leiden. Seine Klientel ist die weiße Mittelschicht, die Angst vor jeder Veränderung hat. Ihr bietet sich Bolsonaro als Garant von Familienwerten an, ebenso wie der Elite als Bollwerk gegen links – das heißt im heutigen Brasilien gegen die Erfahrung von 14 Jahren sozialdemokratischer Reformpolitik der Arbeiterpartei.

Ein Präsident Bolsonaro ginge schlussendlich auf das Konto derjenigen, die seit 2014 alles daran setzten, die Arbeiterpartei aus der Regierung zu drängen und ihre althergebrachte Macht wiederzuerlangen.

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Andreas Behn
Auslandskorrespondent Südamerika
Journalist und Soziologe, lebt seit neun Jahren in Rio de Janeiro und berichtet für Zeitungen, Agenturen und Radios aus der Region. Arbeitsschwerpunkt sind interkulturelle Medienprojekte wie der Nachrichtenpool Lateinamerika (Mexiko/Berlin) und Pulsar, die Presseagentur des Weltverbands Freier Radios (Amarc) in Lateinamerika.
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5 Kommentare

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  • Interessantes Detail: Trotz Wahlpflicht haben 20% der Brasilianer nicht gewählt und 8 % einen leeren Zettel abgegeben. Dann wird aus 46% nur noch 33 % für Bolsonaro. Und die sind zu stoppen. So man wählen geht.

  • Ja wie jetzt? Wollen seine Wähler das es keine Veränderung gibt? Oder wählen die ihn, weil er einen Aufbruch nach der Krise symbolisiert und weil er einen auf Duterte machen will? Das wäre ja durchaus eine Veränderung, wenn auch keine wünschenswerte.

    “… ist zu befürchten, dass das fünftgrößte Land der Welt sich demnächst in die Staatengruppe einreiht, deren Regierungen den Rechtsstaat in Frage stellen und bestimmte Menschengruppen für die Alltagsprobleme verantwortlich machen.”

    So wie in Venezuela oder Kuba, wo ebenfalls und menschenrechtswidrig nach politischer Einstellung diskriminiert wird?

    “Die Massenmedien, Unternehmer und zahlreiche Parteien setzten ohne jede Scham auf den Ex-Militär, weil dieser gegen links wetterte und ein liberales Wirtschaftsprogramm in Aussicht stellte.”

    Wie kann das denn angehen? Der Kapitalismus nützt doch angeblich nur dem obersten 1%, wie kann es da sein das er damit fast auf 50% der Stimmen kommt? Da muss doch was im Busch sein!

    “… das heißt im heutigen Brasilien gegen die Erfahrung von 14 Jahren sozialdemokratischer Reformpolitik der Arbeiterpartei.”

    Ein Blick auf diese Arbeiterpartei kann auch helfen zu verstehen warum sie nun abgesägt wird.

    Ich bin nicht erfreut über diesen Wahlausgang aber ich bin auch angefressen von der penetranten Tendenz so zu tun als würden linke Regierungen weltweit einfach so, ohne erkennbaren Grund und ohne Eigenverschulden verschwinden. Es heißt dann “Das ist die Schuld der weißen Mittelschicht”. Ja aber warum denn? Die werden ja nicht nicht mit vorgehaltener Waffe gezwungen irgenwelche protofaschisten zu wählen.

    • @Januß:

      Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

      Die Moderation

  • "Ein Präsident Bolsonaro ginge schlussendlich auf das Konto derjenigen, die seit 2014 alles daran setzten, die Arbeiterpartei aus der Regierung zu drängen und ihre althergebrachte Macht wiederzuerlangen."



    Das ist das einzige, was Ihnen einfällt, um zu erklären, warum 46 (!) Prozent der Brasilianer nach 14 Jahren sozialdemokratischer Politik einen solchen Kandidaten wählen?

    • @Karl Bauer15:

      Nein, das passiert nicht seit 2016. Der Anfang war 2003 als Lula zum Präsidenten wurde und die ärmsten etwas mehr Hoffnung auf die Zzkunft haben dürften. Nur die Elite hat es nicht gut geheißen und langsam hat sich die Stimmung aufgeheizt. Geholfen natürlich von den Medien, die den Clown vor Jahren als schlechtester politiker der Welt gekürt haben. Er hat darin die Chance gesehen, als viele seine "Ideen" doch ganz gut fanden, als "Saubermann" zu posieren und den Platz einzunehmen, den die alte politiker der PSDB und der MDB verlieren. Gerade die beiden Parteien (das sind die putschisten aus 2016) sind die größten Verlierer. PT bleibt als erst oder zweitstärkste Partei.