Werder Bremen gegen AfD-Fans: Keine Dauerkarte für Rechtsaußen?
Werder-Präsident Hess-Grunewald drohte einem AfD-Sympathisanten, die Dauerkarte wegzunehmen und ruderte nach Empörung wieder zurück.
Es sei nicht auszuschließen, dass man in Zukunft Dauerkarten nur noch an Vereinsmitglieder ausgeben werde, so der Werder-Präsident. Man werde sich ernsthaft mit der Frage beschäftigen, „ob wir bei der hohen Nachfrage nach Dauerkarten von Menschen, die sich – anders als Sie – mit Werder Bremen und unseren Werten identifizieren, für die kommende Saison wieder eine Dauerkarte anbieten. Dafür haben Sie sicher Verständnis!“, schreibt Hess-Grunewald.
Hatte der Adressat aber nicht: Der Dauerkartenbesitzer petzte bei Springer und leitete den Mail-Verlauf an die Welt weiter, die den Fall sogleich als Beispiel übermäßiger politischer Korrektheit auslegte und den sportpolitischen Sprecher der AfD-Fraktion herbeirief, damit dieser sich ausführlich in seiner Opferrolle suhlen konnte. Tenor: Werder sei intolerant, wenn die AfD ausgeschlossen würde.
Tatsächlich hat Hess-Grunewald schon im Interview mit dem Weser-Kurier gesagt, dass er niemanden, auch keine AfD-Anhänger oder -Wähler, aus dem Stadion ausschließen wolle. Im Gegenteil wolle er dazu einladen, in Dialog zu treten. Weite Teile der Werder-Fans und des Vereins hätten eine weltoffene Haltung und angesichts des gesellschaftlichen Rechtsrucks sei es an der Zeit, sich die eigene Position klar zu machen.
Vereine können Mitglieder ausschließen, wenn sie etwa mit rassistischen Äußerungen dem Ansehen des Vereins schaden – allerdings braucht es eine entsprechende Satzung.
In Paragraph 2 von Werder Bremens Satzung heißt es, Sport „als verbindendes Element zwischen Nationalitäten“ zu fördern.
Im Jahr 2011 hatte Werder Bremen den NPD-Funktionär Jens Pühse aus dem Verein geworfen, nachdem der im Wahlkampf mit seiner Vereinsmitgliedschaft geworben hatte.
Pühse legte Rechtsmittel ein und scheiterte vor dem Bremer Landgericht. Der Richter argumentierte, dass Vereine weitgehende Freiheiten haben, wen sie als Mitglied nähmen. Es bestehe keine Aufnahmepflicht wie bei Gewerkschaften.
Beratungsinitiativen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus empfehlen Vereinen präventiv, sich in der Satzung gegen menschenverachtende Ideologien auszusprechen, um einen Handlungsspielraum gegen Rechtsextreme zu haben.
Fußball und Sport seien niemals unpolitisch, so der Werder-Präsident, der sich auch schon im taz-Interview darüber gefreut hatte, dass keine Neonazis mehr die Kurve verunsichern und dort ihre rassistischen Haltungen ausleben könnten. Viele Fans der Werders Ultra-Szene verorten sich links und sind antifaschistisch organisiert.
Darüber hinaus sprach Werder angesichts der sehr gespaltenen Reaktionen am Dienstag von einer „irreführenden Berichterstattung“ der Welt: „Die zitierten Aussagen wurden aus dem Zusammenhang gerissen und beziehen sich auf diesen konkreten Einzelfall“, sagte Hess-Grunewald in einer Stellungnahme. Zu den Details wollte er sich nicht weiter äußern, wiegelte aber ab: Keinesfalls stehe es auf der Agenda, die Dauerkarten-Vergabe grundsätzlich zu verändern, und AfD-Sympathisant*innen, die ausgetreten sind, die Dauerkarten wegzunehmen.
Gleichzeitig beharrte Hess-Grunewald „bei aller satzungsgemäßen politischen Neutralität“ auf Werten wie Solidarität, Humanismus und dem Kampf gegen Rassismus und für Integration. Man sei es allen zu Werder gehörenden Mannschaften, die aus Menschen vieler Nationen bestünden, schuldig, sich für eine freiheitliche und tolerante Zivilgesellschaft einzusetzen.
Tatsächlich verkaufen bereits einige Fußballklubs wie etwa der VfB Stuttgart oder der Zweitligist Union Berlin eine Dauerkarte nur an Vereinsmitglieder. Das hat allerdings vor allem kommerzielle Gründe: mehr Mitgliedsbeiträge angesichts hoher Nachfrage. Politisch hat das bislang niemand begründet.
Eine Debatte gab es Anfang des Jahres bereits darüber, ob es möglich oder sinnvoll sei, AfD-Mitglieder ganz aus dem Verein auszuschließen. Beim Hamburger SV gab es einen Antrag darauf auf der Mitgliederversammlung, der viel Getöse bei der Hamburger AfD-Fraktion verursachte und schließlich scheiterte.
Ähnliche erfolglose Versuche unternahm der Vereinspräsident von Eintracht Frankfurt, Peter Fischer. Schon vor vier Jahren hatte er in einem Interview mit dem Fußballmagazin 11 Freunde gesagt: „Das braune Pack sollte jede anständige Kurve selbstständig aus dem Block prügeln. Das haben wir früher so gemacht, das wird in Frankfurt heute noch so gemacht.“ Auch er drängte darauf, AfD-Mitglieder auszuschließen. Das scheiterte, aber bei einer Mitgliederversammlung Anfang des Jahres betonte Fischer erneut, dass rechte Ansichten der AfD der Vereinssatzung widersprächen und wurde mit 99 Prozent wiedergewählt.
Der Sportphilosoph Elk Franke von der Uni Bremen hatte in der Debatte vorgebracht, dass es zwar begrüßenswert sei, wenn Vereine gesellschaftspolitische Verantwortung übernähmen. Allerdings sei es ein unangebrachtes Signal, aufgrund formaler Mitgliedschaften Ausgrenzungsbeschlüsse zu fassen. „Dadurch werden Märtyrer geschaffen“, so Franke. Man müsse sich eher einer inhaltlichen Diskussion stellen und auf das reagieren, was sich in den Stadien abspiele.
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