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Offener Brief der Rowohlt-AutorenFür Holtzbrinck hoch brisant

Nach dem kalten Abservieren der Rowohlt-Verlegerin Barbara Laugwitz empören sich jetzt viele Autoren. Für den Mutter-Konzern ist das ein Problem.

Über ihren Rauswurf sind viele Autor*innen wütend: Barbara Laugwitz Foto: Thorsten Wulff

Berlin taz | Das ist ein in der Verlagsszene höchst ungewöhnlicher Vorgang. Autor*innen des Rowohlt-Verlages zeigen sich öffentlich verwundert, ja teilweise entsetzt über den Rauswurf ihrer bisherigen Verlegerin Barbara Laugwitz und über die Art und Weise, wie er vollzogen wurde. 22 von ihnen haben das nun in einem Offenen Brief an Joerg Pfuhl, den CEO der Holtzbrinck-Buchverlage, denen Rowohlt gehört, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.

Offensichtlich hat also der Holtzbrinck-Konzern bei der überraschenden Entscheidung, Barbara Laugwitz durch Florian Illies zu ersetzen, die Autor*innen des eigenen Hauses nicht mitgenommen – und vielleicht sollte man an dieser Stelle doch einmal sagen, dass Autorinnen und Autoren für einen seriösen Literaturverlag das wichtigste Kapital darstellen. Die Zusammenarbeit zwischen Autor*in und Verleger*in ist eine oft enge, emotional aufgeladene und auf jeden Fall Vertrauen voraussetzende Herzblut-Angelegenheit. Wie Florian Illies als neuer Verleger so ein Vertrauen wiederherstellen soll, wird zur Zeit noch nicht einmal er selbst wissen.

In dem Brief, der auch über die sozialen Medien veröffentlicht wurde, heißt es: „Es geht uns wie vielen anderen, die sich in den vergangenen Tagen zur Entlassung von Barbara Laugwitz geäußert haben: Viele von uns sind verwundert über diesen Vorgang, einige entsetzt. Wir haben Frau Laugwitz als Verlegerin sehr geschätzt und waren froh, mit ihr eine offene, zugewandte Ansprechperson zu haben, die sowohl ein gutes Gespür für erfolgversprechende Bücher hatte als auch für die Belange von Autor*innen. Die plötzliche Entlassung in Kombination mit der Unmöglichkeit, mit Frau Laugwitz in Kontakt zu treten, empfinden wir als unverständlich und unwürdig. Wir sind Barbara Laugwitz für ihre Arbeit sehr dankbar und möchten das an dieser Stelle noch einmal entschieden zum Ausdruck bringen.“

Unterschrieben haben die Autor*innen Katharina Adler, Patrick Bauer, Giulia Becker, Frau Freitag, Lucy Fricke, Jens Friebe, Nora Gantenbrink, Lena Gorelik, Leonhard Horowski, Sebastian Janata, Frl. Krise, Inger-Maria Mahlke, Thomas Melle, Bodo Mrozek, Matthias Nawrat, Till Raether, Eugen Ruge, Florian Schroeder, Nis-Momme Stockmann, Margarete Stokowski, Heinz Strunk und David Wagner. Das ist eine beeindruckende Liste.

Auch Franzen, Jelinek und Hustvedt sind wütend

Der Gewinner des Deutschen Buchpreises Eugen Ruge befindet sich ebenso darauf wie die Gewinner des Leipziger Buchpreises Thomas Melle und David Wagner. Autor*innen wie Lucy Fricke, Margarete Stokowski und Heinz Strunk sind sowohl fürs Renommee des Hauses wichtig als auch als Bestsellerautor*innen für den Umsatz. Und Inger-Maria Mahlke steht mit ihrem Roman „Archipel“ derzeit auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.

Das alles ist für den Holtzbrinck-Konzern hoch brisant. Zumal der Offene Brief sich einreiht in eine ganze Reihe von öffentlichen Protesten seitens von Rowohlt-Autor*innen. Daniel Kehlmann, ja nun gewiss in der Literaturszene kein kleiner Name, dankte in seiner Dankesrede zum Schirrmacherpreis Barbara Laugwitz, und zwar „ausdrücklich auch im Namen so unterschiedlicher Kollegen wie Martin Walser, Ildikó von Kürthy, Jonathan Franzen und Eckart von Hirschhausen, für vier Jahre der souveränen und tatkräftigen Arbeit – und dieser simple Satz ist leider schon mehr Dank als die Holtzbrinck-Führung für ihre erfolgreichste Verlegerin erübrigen konnte“.

Die FAS hat in ihrer Ausgabe vom vergangenen Wochenende zudem so renommierte und wichtige Autor*innen wie Jonathan Franzen, Siri Hustvedt und Elfriede Jelinek mit zum Teil wütenden Reaktionen zitiert.

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2 Kommentare

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  • Zitat: „...vielleicht sollte man an dieser Stelle doch einmal sagen, dass Autorinnen und Autoren für einen seriösen Literaturverlag das wichtigste Kapital darstellen.“

    Nein, nicht „an dieser Stelle“ sollte man das sagen, sondern an der Stelle, an der die Binsenweisheit offenbar ganz und gar unbekannt ist: An der Konzernsitze des Holtzbrinck-Konzerns und in der Chefetage des Rowohlt-Verlags. Aber da, denke ich, würde die Wahrheit auch nicht viel helfen. Weshalb sie lediglich ins "Netz" geschrieben wird.

    „Schockiert“ und „fassungslos“ sei man gewesen über diesen Rausschmiss, der ganz gewiss ein „schrecklicher Irrtum“ war und „keinen Sinn“ ergibt, weil die Geschasste „das Tafelsilber zusammengehalten, vermehrt und vergoldet“ hätte. Als sei es in aller Regel sinnvoll und jedenfalls immer und ausschließlich Schuld der Entlassenen, wenn sie sich plötzlich auf der Straße wiederfinden!

    Wann, frage ich mich, haben sich die Damen und Herren Feingeister eigentlich zuletzt mit der Frage befasst, was „ihr Verlag“ aus ihren Büchern macht? Wie kann es all diesen klugen, wortgewandten Menschen derart komplett entgangen sein, dass auch Verlage Teil eines „Systems“ sind?

    Es ist hier viel von „renommierte[n] und wichtige[n] Autor*innen" die Rede, von "Bestsellerautor*innen", die wichtig sind fürs „Renommee des Hauses“, von Preisträgern und von Menschen, die auf „beeindruckende[n] Liste[n]“ stehen – als wäre jene Wahrnehmung, die sie Medienleute einander geben, eine Versicherung. Ich frage mich nur: Gegen was eigentlich?

    Dass das allgemeine Aufheulen tatsächlich „hoch brisant“ sein könnte für den Holtzbrinck-Konzern, glaube ich nicht. Selbst für Elfriede Jelinek nämlich ist es ein „Schicksal“, das sie „schwesterlich“ teilt. Und zwar nur mit der ihr weitgehend unbekannten Barbara Laugwitz, nicht mit den vielen anderen sinnlos und völlig zu Unrecht entlassenen Tafelsilbervergoldern. Und welcher Aufstrebende wird schon versuchen, Schicksale zu ändern - bevor sie ihn selber ereilen?

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Gestern wurde hier noch auf Frau Stokowski eingprügelt, die hat jetzt ihre großen Brüder und Schwestern geholt und gleich schaut die Sache ganz anders aus.