das portrait: Nino Haratischwili– eine Literaturgewalt
Schade wäre, wenn Nino Haratischwili für ihren vierten Roman endlich den Deutschen Buchpreis bekäme, auf dessen Shortlist sie steht. Nicht, dass es ihr zu missgönne wäre. Die Georgierin, die Jahre ihrer Kindheit und später ihr Regiestudium in Hamburg verbracht hat, wo sie – jetzt mit Kind und Partner – weiterhin lebt, hat jede Auszeichnung verdient.
Sie hat ja auch fast jede schon bekommen: den Chamisso-Preis, weil sie wie der französische Revolutionsflüchtling ihr Werk auf Deutsch verfasst, den Brecht-Preis, weil sie mutig politische Themen anpackt, den Seghers-Preis, weil sie das Grauen ungeschönt schildert und den, trotz seines bescheuerten Namens bedeutsamen „Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft“: Die 35-Jährige ist echt eine Literaturgewalt.
Niemand haut so offenbar ohne Mühe fast jedes Jahr ein tiefgründiges Theaterstück raus, niemand schreibt so spannende Romane, die als Bestseller funktionieren und doch in ihrem Erzählfluss Metaphern von großer gedanklicher Tiefe entwickeln. Erinnern Sie sich noch an diesen harmlosen Kakao-Satz aus „Das achte Leben“? „Schokolade“, hieß es da, und damit war schon die ganze Existenz, alles offengelegt, „war nur noch ein Andenken an eine andere Epoche, und ohne Schokolade vergaß man die Süße und ohne Süßes vergaß man die Kindheit und ohne Kindheit vergaß man den Anfang und ohne den Anfang erkannte man nicht das Ende.“
Lassen sich solche Sätze auch in „Die Katze und der General“ finden? Eher gibt Haratischwili darin einer Neigung zum gefälligen Erzählen im Thriller-Schema nach, vielleicht um die Schrecken des Tschetschenien-Kriegs, denen sie sich stellt, in eine konsumierbare Form zu bannen. Statt zu poetischen Bildern führt das zu Lebensweisheiten à la „Vergiss jede Fabel von den am Ende immer siegreichen Guten. Das ist alles Schrott“, die nur kraftvoll klingen, weil sie so hohl sind. Nein, das zu ehren wäre unter Haratischwilis Niveau. Aber ein netter Gruß ans Buchmessen-Gastland Georgien, das wär’s schon. Benno Schirrmeister
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