: Ist das Kunst oder kann man da umsteigen?
Die Domsheide soll ein schöner Platz am Eingang zur Innenstadt werden, wünscht sich Bürgermeister Sieling (SPD). Doch zu viel Verkehr verhinderte diese Idee schon vor 30 Jahren. Das letzte bisschen Schönheit wird nun wohl wegrationalisiert
Von Klaus Wolschner
Alles soll neu werden am Verkehrsknotenpunkt zwischen Markt, Neustadt und Steintorviertel. „Die Domsheide ist ungeordnet, es ist kein Platz“, erklärte Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) bei der „Ideenmeisterschaft“, die eine Woche über den Umbau der Innenstadt beraten hat. „Das muss ein Platz sein, eine Visitenkarte – auf dem Weg zum wunderschönen Marktplatz und in die Innenstadt.“
Wenn Sieling den Stadtplaner gefragt hätte, zu dessen Zeit die Domsheide ihre jetzige Gestalt erhielt, hätte er sich vermutlich kräftige Watschen abgeholt: „Das ist ein Kunstwerk“, hätte der damalige Staatsrat Eberhard Kulenkampff wohl gesagt. Das könne jeder sehen, der nicht ein absoluter Banause in Sachen Stadtplanung ist.
Die Idee für den Platz entwickelte die Landschaftsarchitektin Marlene Zlonicki. Die Steine symbolisieren das Meer, die Betonblöcke die Dünen, anfangs gab es sogar aufragende Eisschollen, die aber aufgrund der Stolpergefahr schnell wieder weg mussten. Und der Per-Kirkeby-Turm erst! Das war Kulenkampffs Baby, der den Künstler damals kennenlernte und seither förderte. Aber heute lebt der für seinen Furor bekannte Kulenkampff im italienischen Umbrien und schweigt zu Bremer Angelegenheiten.
Diese Idee des Platzes wird vor allem deutlich, wenn weder Bus noch Bahn die Sicht verstellen. Das aber war schon in den 1980er-Jahren das Problem. Gegen die Funktionalität des Platzes hätte nur schöne Gestaltung geholfen, „damit es nicht ganz so schrecklich ist“, sagt auch der damalige Stadtplaner Detlev Kniemeyer. Wenn der ÖPNV zunehme, was politisch gewollt ist, bleibe dort kaum Platz für stadtarchitektonische Gestaltung.
Den Fahrradverkehr wollte man damals einfach umleiten – die Domsheide sollte nicht nur auto-, sondern auch fahrradfrei sein wie Marktplatz und Obernstraße auch. Dass es keine Fahrradwege gibt, war also Konzept aufgrund akuten Platzmangels. Aber die Fahrradfahrer lassen sich genauso wenig verdrängen wie die Fußgänger und tragen zum Chaos an dem Knotenpunkt bei.
Vier wichtige Straßenbahnlinien treffen sich hier, die Ost und West, Nord und Süd der Stadt verbinden. Hinzu kommen noch zwei Buslinien. Außerdem muss das Konzerthaus Glocke erreichbar sein für Lieferverkehr. Die jetzige Struktur mit zwei Haltestellen für die Bahn entzerrt den Umsteigeknotenpunkt zwischen Balgebrückstraße und altem Postamt.
Für die kleinen Gestaltungselemente von Marlene Zlonicki gab es nur wenige Freiflächen und der Kirkeby-Turm diente als Zentrale der BSAG, solange die noch einen Überblickspunkt vor Ort brauchte.
Wenn die Haltestellen, wie Sieling es sich vorstellt, konzentriert werden vor dem Postamt, gibt es noch weniger Freiflächen für einen Platz. Die BSAG will die Haltestellen barrierefrei machen und hohe Bahnsteige bauen, damit selbst Menschen mit Gehhilfe stufenlos einsteigen können. Zudem könnten die maroden Schienen durch moderne Flüsterschienen ersetzt werden, was die Konzertbesucher der Glocke ebenso wie die Richter im angrenzenden Landgericht freuen würde.
Der Kirkeby-Turm müsste vermutlich weg, weil er bei der Optimierung des Schienenverlaufs stört und sicherlich müsste die Stadt Toilettenanlagen für die Fußballfans bauen, wenn der als öffentliches Urinal missbrauchte Backsteinturm wegfiele. Ob neben einem solchen optimierten Verkehrsknotenpunkt dann noch Raum ist für einen schön gestalteten Platz zwischen Glocke, Landgericht und altem Postamt, für eine „Visitenkarte“ also, wie Sieling sie sich wünscht – das bezweifelt Stadtplaner Kniemeyer.
Der Teil in Richtung Weser und Balgestraße gehöre ja auch noch zur Domsheide, versucht Jens Tittmann, Sprecher der Baubehörde, Sielings Idee zu retten. Ein bisschen Freiraum bliebe demnach in Richtung Weser – mit Blick auf das hässliche Parkhaus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen