Fusion von Karstadt und Kaufhof: Letzte Chance des Modells Warenhaus
Gemeinsam wollen sie gegen die Online-Konkurrenz bestehen: Karstadt und Kaufhof fusionieren.
Beide sind rot verklinkert, beide betritt man durch gläserne Schwingtüren, beide bieten auf drei Obergeschossen ihre S.Oliver-Shirts, WMF-Töpfe und Braun-Bügeleisen an, beide teilen den Geruch nach Zuviel: zu viel Bodenreiniger, zu viel Parfüm, zu viele heißlaufende Rolltreppen – das Wesen des Kaufhauses ist der Überfluss.
Nun verbünden sich Kaufhof und Karstadt – und damit Deutschlands letzte beiden großen Warenhausketten. Der Projektname: Deutsche Warenhaus Holding. Es ist die wahrscheinlich letzte Rettungsaktion für das System Warenhaus in Deutschland. Seit Jahren bereiten Billiganbieter wie Primark und Onlinehändler wie Amazon oder Zalando den beiden Kaufhäusern Probleme, aber auch die großen Einkaufszentren auf der grünen Wiese.
Zum Vergleich: Wenn Karstadt und Kaufhof fusionieren, haben sie gemeinsam einen Umsatz von 5,4 Milliarden Euro jährlich. Der Onlinemarktführer in der Bundesrepublik, Amazon.de, fuhr im vergangenen Jahr einen Einzelhandelsumsatz von 8,8 Milliarden Euro ein. Besonders kritisch ist die Situation zurzeit bei Kaufhof. Die Kölner kämpfen seit der Übernahme durch den kanadischen Kaufhauskonzern HBC Ende 2015 mit Umsatzrückgängen und roten Zahlen. Karstadt dagegen hat gerade erstmals seit 12 Jahren die Rückkehr in die schwarzen Zahlen geschafft.
243 Standorte
Das ist ein Erfolg vom Österreicher René Benko, der Karstadt 2014 kaufte. Der Immobilienhändler hatte mit seiner Signa-Holding schon seit Jahren auf eine Fusion hingearbeitet. Nun erhält Signa 50,01 Prozent, HBC 49,99 Prozent am neuen Einzelhandelsriesen.
Europaweit geht es um 243 Standorte. Denn dazu gehören nicht allein die 175 deutschen Kaufhof- und Karstadt-Filialen plus die Karstadt-Sporthäuser, sondern auch die europäischen Filialen der Outlet-Kette Saks Off 5th, die Galerie-Inno-Kaufhäuser in Belgien und die erst vor Kurzem gegründeten Hudson’s-Bay-Warenhäuser in den Niederlanden. Zudem sind Onlineplattformen wie kaufhof.de und karstadt.de dabei.
Die insgesamt 32.000 Beschäftigten sollen alle einen Chef haben – Stephan Fanderl, der zuletzt Karstadt geleitet und umgekrempelt hat. Er wird wieder und weiter umbauen, bei der Logistik und beim Einkauf sparen, aus den bislang zwei Hauptsitzen, Essen und Köln, wohl einen machen. Konkrete Pläne wurden am Dienstag nicht bekannt. Die Fusion biete die Möglichkeit „effizienterer Prozesse“, hieß es lediglich. Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger sagte hingegen: „Wer Geld für solch eine Transaktion hat, muss auch Geld für die Beschäftigten haben.“
Die bleiben an diesem Tag lieber stumm: Bei Karstadt die Rolltreppen hoch, durch die Abteilungen geschlendert – Küche, Elektro, Schreibwaren – „Entschuldigung, darf ich Sie was fragen?“ Ein Lächeln. Doch sobald das Wort „Fusion“ fällt, schaut man in Gesichter, angespannt wie beim Tauziehen. Schweigen, Verweise an die Unternehmensführung, Verweise an die Pressestelle. Bei Kaufhof: Das Gleiche. Man kann es sogar verstehen. Angeblich sind 5.000 Jobs gefährdet.
„Tragfähiges Zukunftskonzept“ gefordert
Verdi forderte, die beiden Marken dürften nicht einfach verschmolzen werden. „Beide Warenhäuser haben ihren Platz in Deutschland“, sagte Nutzenberger. „Wenn das Konzept stimmt, können Doppelstandorte sogar eine Stärke sein.“ Sinn der Transaktion dürfe es auch nicht sein, „mit Innenstadtimmobilien in bester Lage einmal mehr Kasse zu machen“, meinte Nutzenberger. HBC und Signa müssten mit den Arbeitnehmern ein „tragfähiges Zukunftskonzept“ entwickeln.
Das könnte in weniger Lohn bestehen – vor allem für die Kaufhof-Angestellten. Bei Karstadt gilt bereits seit Dezember 2016 ein „Zukunftstarifvertrag“. „Zukunft“, das heißt, dass die Beschäftigten auf Teile von Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Tariferhöhungen verzichten. Spätestens ab April 2021 soll Karstadt wieder unter den Flächentarifvertrag fallen. Bei Galeria Kaufhof greift dieser besser dotierte Flächentarifvertrag. Das Management der angeschlagenen Kette hatte bereits im Sommer einen Sanierungstarifvertrag fast zu Ende verhandelt. Nun dürfte er wieder aktuell werden.
David Klein brät Fettiges zwischen den Klinkerfronten. Mit seinem Wurstwägelchen steht der Verkäufer auf der Stubengasse. Den Rücken zu Karstadt, den Blick auf Kaufhof. Bei ihm essen auch Angestellte der beiden Kaufhäuser. „Zu mir haben sie nichts gesagt. Aber wenn ich sie wäre: Klar würde ich mir Sorgen machen.“
Seine eigene Laufkundschaft würde wohl nicht weniger werden, wenn ein Haus schließe, sagt Klein und dreht die Würste mit der Holzzange, dass es zischt. „Aber es wäre ein Einschnitt ins Stadtbild. Die sind seit Jahrzehnten hier.“ Er selbst kaufe ungern im Internet. „Kaufhäuser sind praktisch für Menschen wie mich. Da gibt es alles an einem Ort.“
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