Depot für Berliner Kommunalverkehr: Was die Menschen einst bewegte
Im Depot für Kommunalverkehr parkt das, was die Berliner mal durch die Stadt brachte. Im September lädt man hier zu Zeitreisen.
Dottergelb steht er da, mit seiner blechernen Schnauze und dem bretterbeschlagenen Aufbau, der Paketwagen aus den Bergmann-Werken in Wilhelmsruh. Die kennt heute keiner mehr, und auch das Besondere an dem Fahrzeug, das da im Depot für Kommunalverkehr des Deutschen Technikmuseums steht, überrascht den Laien: Die gelben Kästen fuhren elektrisch, schon in den vierziger Jahren und – in diesem konkreten Fall – bis 1967, für die Post im Ostteil der Stadt.
„Ältere Menschen erinnern sich meist noch an das rasselnde Geräusch, das die machten“, sagt Frank Zwintzscher, Mitarbeiter im Sammlungsbereich Landverkehr beim Technikmuseum. Kein Wunder: Die Kraftübertragung zwischen Elektromotor und Rädern lief wie bei einem Fahrrad über eine Kette.
Dass man beim heutigen Hype um E-Mobility manchmal vergisst, dass die Elektromobilität auf der Schiene allgegenwärtig und schon ein ziemlich alter Hut ist, geschenkt. Hier in der riesigen früheren Reichsbahnwerkstatt zwischen Monumenten- und Kolonnenbrücke lernt man dann mal nebenbei, dass schon vor zwei oder drei Generationen Lastwagen im Batteriebetrieb fuhren. Mit einer Reichweite von 60 oder 70 Kilometern, da ist man heute weiter, aber eben auch nicht so viel, wie die aktuellen Probleme bei der Beschaffung von E-Bussen durch die BVG beweisen.
An diesem Sonntag und allen weiteren im September öffnet die Halle ihre Tore bei freiem Eintritt. Wer alte Fahrzeuge nicht nur im Stillstand bewundern will, kann den Shuttleservice zum Haupthaus des Technikmuseums am Gleisdreieck nutzen, es fahren die Museumsbahn und historische BVG-Omnibusse der AG Traditionsbus.
Das Depot:
Das Depot für Kommunalverkehr des Deutschen Technikmuseums öffnet an allen Sonntagen im September seine Türen in der Kreuzberger Monumentenstraße 15. Zu sehen gibt es neben Fahrzeugen aus 150 Jahren öffentlichem Nahverkehr auch anderes wie etwa Erich Honeckers Jagdwagen. Offen ist die Halle von 10 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei.
Der Fahrservice:
Als Shuttleservice fahren zwischen dem Deutschen Technikmuseum und der Depothalle die Museumsbahn und historische Omnibusse der AG Traditionsbus.
Eine Ausstellung im eigentlichen Sinne biete die Halle nicht, erklärt Frank Zwintzscher, sie sei eben auch ein Depot, in dem historische Fahrzeuge restauriert oder einfach nur untergestellt werden könnten. Außer den Museumsmitarbeitern selbst und dem Förderverein haben auch diejenigen Gruppen Zugang, deren Leidenschaft für die Fahrzeuge die Sicherung der Historie mit ermöglicht – wie die Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin oder der Verein Historische S-Bahn. Ihre Mitglieder werden auch an den Septembersonntagen durch die Gänge der Halle wuseln und Interessierten ihre Sehnsuchtsobjekte bis ins kleinste Schräubchen erklären.
Alles ist da: vom perfekt restaurierten Wagen der ersten Berliner Pferdebahn (auch schon ein Doppeldecker) bis hin zu einem Ostberliner Fahrschul-Omnibus des ungarischen Herstellers Ikarus. Dazwischen viele Modelle von Bus, Tram, U- und S-Bahn, die man größtenteils betreten kann, um sich von der Optik und Haptik in Zeiten katapultieren zu lassen, die man selbst noch erlebt hat oder auch nur gerne erlebt hätte. „Wenn Sie in ‚Babylon Berlin‘ sehen, wie die Protagonistin mit dem Bus fährt, wirkt das natürlich viel lebendiger, aber es ist nicht echt“, sagt Zwintzscher, „bei uns stehen die Fahrzeuge einfach nur da, aber dafür sind sie authentisch.“
Tatsächlich fällt es zumindest gefühlt leichter, sich gedanklich in die 1930er zu versetzen, wenn man im Oberdeck eines originalen BVG-Busses aus dieser Zeit den Kopf noch ein bisschen weiter einziehen muss als heute. Einen Mittelgang gab es damals nicht, sondern vier Sitzplätze pro Reihe, in die man sich wie in eine Kirchenbank zwängen musste, aber dafür reihenweise Aschenbecher mit BVG-Logo. Sitzt man dann in einer U-Bahn aus den 50ern, ist das Raumgefühl vom heutigen gar nicht so weit entfernt – was natürlich auch daran liegt, dass die BVG mit der Erneuerung ihres Fuhrparks dann doch nicht ganz so flott ist.
Schmankerl gibt’s dann auch noch jenseits der Meilensteine des Nahverkehrs: einen moosgrünen Range Rover, mit dem Erich Honecker zum Jagen chauffiert wurde, oder einen gewaltigen schwarzglänzenden Cadillac der Firma Grieneisen, mit dem Ernst Reuter, Benno Ohnesorg und Marlene Dietrich ihre allerletzte Fahrt absolvierten. Und der hellblaue „EMW“-Sportwagen von DDR-Staatsdichter Johannes R. Becher, der irgendwann im Depot landete und zu dem Frank Zwintzscher auch eine Anekdote kennt: „Als wir den bekamen, lagen da noch seine Skischuhe drin.“
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