piwik no script img

Kommentar Renten-EinigungReines Maulheldentum

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Das von der Koalition vereinbarte Rentenpaket geht in die richtige Richtung. Es geht aber wieder mal nicht weit genug. Dabei gäbe es Ideen genug.

Die SPD könnte genausogut eine stabile Rente bis 3040 fordern Foto: dpa

N ach dem Theater der vergangenen Tage hat das Rentenpaket von Arbeitsminister Hubertus Heil am Mittwoch doch noch das Kabinett passiert. Dabei sind die Abweichungen gegenüber dem Gesetzentwurf, den Heil Mitte Juli präsentiert hatte, nicht der Rede wert. Tatsächlich arbeiten SPD und Union einfach nur ihren Koalitionsvertrag ab.

Die einzige signifikante Modifizierung gibt es bei der „Mütterrente“. Und die bleibt schön kostenneutral – mit der Folge, dass es weiter eine Ungleichbehandlung von Eltern gibt, die ihren Nachwuchs vor oder aber nach 1992 bekommen haben. Die „Mütterrente“ wird auf die Grundsicherung angerechnet – ausgerechnet Eltern, die schon jetzt im Alter am Rande des Existenzminimums leben, profitieren davon also nicht.

Darüber hätte die SPD mit der Union streiten sollen. Ebenso sinnvoll wäre es gewesen, wenn die Genossen entschieden dafür eingetreten wären, die „Mütterrente“ nicht aus der Rentenkasse, sondern aus Steuermitteln zu finanzieren. Doch lieber beschränkten sie sich auf eine Schauforderung für die Galerie: Das derzeitige Rentenniveau solle nicht nur bis 2025, sondern bis 2040 stabil bleiben! Das klingt zwar gut, aber ist reines Maulheldentum. Denn wie die erzielte Renteneinigung zeigt, geht es ihr nicht um konkretes Regierungshandeln. Die Sozis wollen ihr sozialpolitisches Profil schärfen, ohne dass es etwas kostet. Genauso gut könnten sie ein stabiles Rentenniveau bis zum Jahr 3040 fordern. Wenn schon, denn schon.

Kurz: Das Rentenpaket geht in die richtige Richtung, aber wieder mal nicht weit genug. Ja, die sogenannte doppelte Haltelinie für Rentenniveau und Beitragssatz ist sinnvoll. Aber ist ein Rentenniveau von nur 48 Prozent wirklich ausreichend? Und wäre es nicht sozialer, statt nur den Betragssatz auf höchstens 20 Prozent festzuschreiben, über einen höheren Rentenversicherungsbeitrag der Arbeitgeber nachzudenken? Ist es nicht eigentlich längst überfällig, eine Erwerbstätigenversicherung zu schaffen, in die alle einzahlen: Arbeitnehmer, Selbstständige und Beamte? Doch zu alledem hört man von der SPD – nichts.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Diese 48% orientieren sich am, Durchschnittsverdienst von 2500€ Brutto = 1200 € Rente. Was erwartet aber einen Aufstocker oder Geringverdiener mit 800 oder 1200 € Bruttoverdienst - die Altersarmut - sonst nix. Wieso das ein Schritt in die "richtige Richtung" sein soll, erschließt sich mir jedenfalls nicht.

  • Ist eh nur Show. Damit die SPD ihren Teil der neoliberalen Agenda abwickeln kann - das Beschwichtigen - braucht sie eine gewisse Minimalgröße. Deswegen darf sie jetzt ein bißchen den aufrührerischen Kevin Kühnert der Deutschen Politik geben. Und bekommt, damit der kämpferische Einsatz auch gewürdigt wird, die Lobhudeleien auf Spon und anderswo auch spendiert. Eine Rolle, die den Beteiligten selbst (Nahles) eher peinlich ist.



    Eine echte Wende beginnt mit der Distanzierung, zum Beispiel von den Verursachern der Miesere: Müntefering, Steinmeier, Schröder. Vorher ist alles nur abgekartetes Schauspiel, das endet, sobald die Umfrageergebnisse besser werden.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Die SPD schafft sich selbst ab.



    Noch schnell die Jahre absitzen, die eigene vorzügliche Versorgung einkassieren und dann ade!



    Was interessiert mich der kleine Mann mit seiner kleinen Frau draussen im Land.

    Fragt noch irgendwer warum es eine solche Politikerverdrossenheit gibt?



    Warum an der Demokratie gezweifelt wird?



    Warum der rechte Mob mit all seinen schändlichen Auswirkungen wächst und Zustimmung erhält?

    Das haben sie alle zu verantworten, die Parteien und die SPD im großen Stil.

  • Derzeit wird erst mal Chemnitz der Treiber für die Umfragewerte sein. 80% der Wähler wird das mit der Renteneinigung gar nicht mitbekommen. Mangels Interesse.