Kommentar Schleswig-Holsteins VS-Chef: Mehr als nur eine Personalie
Dem Verfassungsschutzchef in Kiel wird sexuelle Belästigung vorgeworfen. Dass der Geheimdienst deviante Typen anzieht, ist kein Zufall.
N un hat es also Dieter Büddefeld erwischt. Freunde des Verfassungsschutzes werden die Beurlaubung des Kieler Behördenleiters zur bloßen Personalie bagatellisieren wollen. Der Mann muss ja nicht gehen, weil er vertrauliche Gespräche mit Rechtsradikalen geführt hätte. Man lässt ihn fallen, weil seine Testosteron-Not so groß war, dass sie sich trotz einschlägiger professioneller Erfahrung nicht länger hat verheimlichen lassen.
Er soll – seit Jahren – untergebene Mitarbeiterinnen sexuell belästigt haben. Und er konnte selbst auf dem Dienst-Laptop nicht auf seine geliebten Porno-Filme verzichten, das arme Kerlchen! Klar ist so etwas unschön, schon wegen der Flecken, und vielleicht einer Therapie zugänglich, aber eben rein „persönliches Verhalten“, wie das Innenministerium klargestellt hat. Oder doch nicht?
Nun ist Büddefeld sicher nicht verhaltensauffällig geworden, weil er für den Landesgeheimdienst jobbt. Aber interessanter ist ja die gegenläufige Perspektive: Das Amt für Verfassungsschutz „hat zur Aufgabe, die Werte zu schützen, die unseren demokratischen Rechtsstaat ausmachen“, salbadert es von der offiziellen Homepage. Belege dafür bleiben die Verfassungsschutzämter seit jeher schuldig, weil sie ja ihr Tun und Trachten ins staatliche Geheimnis hüllen.
Dass diese Struktur deviante Typen anzieht, ist aber alles andere als ein Zufall: Denen kommt ja die Verschwiegenheit, die Abwesenheit von effizienter demokratischer Kontrolle zupass. Ja, fast schon ist man erleichtert, dass die Auffälligkeiten sich auf unsägliche, aber im Vergleich harmlose sexuelle Belästigungen beschränken – und nicht in die aktive Terrorfinanzierung übergehen, wie seinerzeit durch Büddefelds Thüringer Amtsbruder Helmut Röwer praktiziert.
Diese Leute verbergen sich gern hinter der Behauptung, sie würden wichtige Verfassungsgrundsätze schützen, „die das Wesen der Demokratie ausmachen“. Wahrscheinlich, weil die so gar keine Rückschlüsse auf ihre wahre Identität erlaubt. Wie jede gute Geheimdienst-Legende.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen