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Test in den Niederlanden abgebrochen11 Babys sterben nach Viagra-Studie

Die Studie sollte zeigen, ob Viagra sich positiv auf das Wachstum von Föten auswirken kann. Mehrere Babys starben nach Lungenproblemen.

Medikamente können während der Schwangerschaft fatale Folgen haben Foto: dpa

In den Niederlanden sind elf Babys gestorben, deren Mütter im Rahmen einer Studie während der Schwangerschaft mit Viagra behandelt wurden. Die Studie sollte untersuchen, welchen Einfluss der Wirkstoff Sildenafil, der als Medikament unter dem Namen Viagra bekannt ist, auf das Wachstum von Föten hat.

Viagra wirkt gefäßerweiternd und regt die Durchblutung an. Die Studie sollte prüfen, ob durch die Einnahme von Sildenafil das Wachstum von besorgniserregend schwach entwickelten Föten unterstützt werden kann. Diese Annahme stützten die Mediziner_innen auf vorherigen In-Vitro-Studien und Versuchen mit Laborratten.

Der Guardian berichtet, dass die Studie Anfang der Woche von einem Kontrollkomittee gestoppt wurde, nachdem bekannt worden war, dass einige Babys nach der Geburt Lungenprobleme hatten.

Die Studie des Academic Medical Centre der Universität in Amsterdam begann 2015 und sollte mit 350 Frauen bis 2020 laufen. 183 Frauen und zehn niederländische Krankenhäuser nahmen bisher teil. 93 Frauen bekamen den Wirkstoff verabreicht, 17 der Babys entwickelten nach der Geburt Lungenprobleme, elf davon starben später.

90 weitere Probandinnen erhielten ein Placebo. In dieser Gruppe kamen nur drei Babys mit Lungenproblemen zur Welt. Neun der Babys aus der Placebogruppe starben. Die Ursache dafür konnte aber nicht mit der Studie in Verbindung gebracht werden.

Einige Frauen warten noch auf die Ergebnisse

Der Leiter der Studie, Wessel Ganzevoort, sagte gegenüber niederländischen Medien, er sei über die Ergebnisse der Studie schockiert. Patienten zu schaden, sei das Letzte was man wolle.

Die Mediziner_innen befürchten, dass Sildenafil zu Bluthochdruck in der Lunge führt, so dass die Föten zu wenig Sauerstoff bekommen, schreibt der Guardian. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass die Studie nicht angemessen durchgeführt wurde.

Tierversuche sind kein Freibrief für die Unbedenklichkeit einer solchen Studie

Wolfang Becker-Brüser

„Bei Arzneimittelversuchen während der Schwangerschaft muss man immer mit unkalkulierbaren Risiken rechnen“, sagt Wolfgang Becker-Brüser vom Institut für Arzneimittelinformation. Ihn irritiert die große Teilnehmerinnenzahl der Studie auf einem solch schwierigen Gebiet. Auch die vorausgegangen Versuche mit Ratten hält er für wenig aussagekräftig: „Tierversuche sind kein Freibrief für die Unbedenklichkeit einer solchen Studie“.

Die Verfasser_innen einer britischen Studie zu Sildenafil, die im Dezember veröffentlicht wurde, konnten weder negative noch positive Auffälligkeiten bei der Anwendung des Wirkstoffs feststellen, berichtet CNN. Sie untersuchten die Wirkung des Mittels von 2014 und 2016 und empfehlen, es nicht außerhalb von Studien anzuwenden.

Zehn bis fünfzehn schwangere Frauen, die an der niederländischen Versuchsreihe teilnahmen, haben ihre Babys noch nicht zur Welt gebracht. Für sie ist ungewiss, ob und wie sich das Medikament auf ihre Kinder auswirkt.

Auch in Neuseeland und Australien laufen Studien zu Sildenafil. Eine weitere in Kanada wurde aufgrund der Vorfälle in den Niederlanden gestoppt. Ursprünglich hatte der Pharmakonzern Pfizer Viagra entwickelt, das Medikament ist aber nicht mehr patentiert und wird auch als Kopie des Originalprodukts angeboten.

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2 Kommentare

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  • Ehrlich gesagt, die reisserische Überschrift '11 Babys sterben nach Viagra-Studie' liess Böses erwarten - aber wenn dann in der ~gleich grossen Kontrollgruppe 9 Babies gestorben waren, relativiert sich das doch, auf einem bösen Niveau. Zur besseren Einordnung hätte aber die Information über die zu erwartende Sterblichkeit noch dazu gehört. Erst dann wäre eine reisserische Überschrift gerechtfertigt.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @dodolino:

      Finde ich auch, die Überschrift hört sich nach fiesen Frankensteinversuchen an.



      Als hätte jemand etwas richtig Verbrecherisches getan.