Kolumne Nullen und Einsen: Roboterfreundin?!
Meine Freunde sind beleidigt, weil meine App ihnen monatlich automatisiert Nachrichten schickt. Dabei ist das nicht das Problem.
F reunde, wir haben ein Kommunikationsproblem. Ihr empört euch, weil ich seit ein paar Monaten meine Nachrichten an euch automatisiere. Beschimpft es als Spam, nennt mich sogar eine schlechte Freundin.
Zur Erklärung: Eine App schreibt monatlich eine personalisierte Nachricht an jeden einzelnen meiner Freunde. Die Texte habe ich selbst verfasst, die App regelt nur den Versand. Sie verschickt die Nachrichten, egal ob wir uns gerade in diesem Moment am Tisch gegenübersitzen oder ihr an dem Tag zufällig Geburtstag habt. Das ist etwas unglücklich.
Der Vorteil: Wenn es mal drunter und drüber geht in meinem Kalender, hält die App immerhin ein Mindestmaß an Kontakt. Doch sobald ihr erfahrt, dass die SMS automatisiert ist, antwortet ihr nicht mehr darauf.
Ihr sagt dann so etwas wie: „Du denkst also gar nicht an mich, ich bin nur einer von vielen.“ Oder, dass ihr keine „Roboterfreundin“ haben wollt. Oder: „Unsere Freundschaft ist dir also nicht mal die Zeit wert, eine einzige Nachricht zu schreiben.“ Warum so angefasst? Ihr gebt euch doch sonst nicht so technikfeindlich. Meine automatisierte SMS ist nur ein Hilfeschrei im Wirrwarr eurer digitalen Kommunikation.
Textnachrichten wie SMS-Bomber
Nicht einfach Facebook oder WhatsApp, den liebsten Kommunikationskanal jedes Einzelnen soll ich mir merken. Bei Telegram seien „die Sticker so witzig“, sagen die einen. „Signal ist viel sicherer“, sagen die anderen. Freundin A ist gerade im Ausland und nur manchmal bei Skype online. B findet Slack gut, „das machen wir auch auf der Arbeit so“.
Freundin C wiederum will nur bei Snapchat schreiben, „da liest mein Mann nicht mit“. Ach ja, die Planung fürs nächste Festival findet über Threema statt. „Könntest du dir das bitte noch installieren? Das gibt es für 3,49 Euro im App Store.“
Ihr sagt, ihr mögt es nicht, zu telefonieren. Lieber verschickt ihr Textnachrichten wie SMS-Bomber. Denn pro Mitteilung bekommt ihr selten mehr als drei Wörter in die Zeile. Jeden Smiley, jedes Fragezeichen verschickt ihr einzeln. Und wenn ihr doch etwas Längeres zu bequatschen habt, nehmt ihr einen Podcast auf und nennt es Sprachnachricht.
Auch eure Hundertpersonengruppenchats muss ich ertragen. Pling, pling pling. Alle paar Monate setzt ihr einen neuen auf, nur um zu sagen: „Das ist übrigens meine neue Handynummer.“ Aber ihr schafft es seit Jahren nicht, E-Mails an meine aktuelle, seit anno 2012 gültige E-Mail-Adresse zu senden.
Ein einfacher Service
Einige von euch finden Ende-zu-Ende-Verschlüsselung so wichtig. Aber genau ihr bittet mich regelmäßig, die Mail noch mal unverschlüsselt zu versenden, weil ihr sie auf eurem Gerät gerade sonst nicht lesen können. Wieder andere verweigern sich und lesen einfach gar keine Mails.
Ich dagegen biete euch einen einfachen Service an: eine persönliche Kurzmitteilung alle vier Wochen direkt aufs Handy – verständlich, jederzeit abrufbar, barrierefrei, umweltschonend und vegan. Aber bloß, weil ich nicht höchstpersönlich auf das Senden-Knöpfchen drücke, ist DAS natürlich die Zumutung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen