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Saudi-Arabien nimmt Aktivistinnen festÖffnung bleibt Chefsache

Saudische Behörden haben erneut zwei Aktivistinnen festgenommen. Während das Land sich gesellschaftlich öffnet, setzt das Regime auf Repression.

Nicht zum ersten Mal im Gefängnis: die saudische Aktivistin Samar Badawi (Archivbild) Foto: dpa

Berlin taz | Frauen posten stolz die Fotos ihrer Führerscheine auf Facebook, in Riad hat endlich wieder ein Kino eröffnet und der junge Kronprinz kämpft mit einer Charmoffensive gegen das Image Saudi-Arabiens als rückständiges, von religiösen Hardlinern getriebenes Wüstenreich.

Endlich gute Nachrichten aus Saudi-Arabien, möchte man rufen! Wäre da nicht die Kehrseite dieser vielversprechenden Öffnung: Wie am Mittwoch bekannt wurde, haben die saudischen Behörden erneut zwei Aktivistinnen festgenommen. Nassima al-Sadah engagierte sich unter anderem im Kampf gegen das Autofahrverbot, das seit Juni offiziell Geschichte ist. 2015 hatte sie sich als eine der ersten Frauen in den saudischen Lokalwahlen aufstellen lassen. Seit Montag ist sie verschwunden, wie saudische Menschenrechtler und Human Rights Watch übereinstimmend mitteilten. Aufenthaltsort? Unbekannt? Gründe für ihre Festnahme? Fehlanzeige.

Die zweite Festgenommene, Samar Badawi, hatte sich in den vergangenen Jahren vor allem für die Freilassung ihres Ehemanns und ihres Bruders eingesetzt. Denn mit Badawi sitzt nun eine ganze Familie hinter Gittern. Badawis Bruder, der Blogger Raif Badawi, wurde 2013 zu zehn Jahren Haft und 1.000 Peitschenhieben verurteilt. Ihr Ehemann, der Menschenrechtsanwalt Walid Abu al-Chair, wurde im Folgejahr zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Badawi, die in der Küstenstadt Dschidda ein Make-up-Studio betrieb und seit der Festnahme Abu al-Chairs zwei Kinder allein erzieht, war bereits 2016 festgenommen worden, wurde am Folgetag aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Zuvor war der Aktivistin verboten worden, das Land zu verlassen. Flughafenbedienstete in Dschidda stoppten sie auf dem Weg nach Brüssel, wo sie an einer Veranstaltung über Menschenrechte teilnehmen wollte.

Wandel kommt von oben

Ganz offensichtlich setzt das Regime unter Kronprinz Mohammed bin Salman weiter auf Einschüchterung. Schon im Mai, kurz vor der Aufhebung des Fahrverbots, waren mindestens 17 Aktivisten und Aktivistinnen festgenommen worden. Viele hatten sich für Frauenrechte und gegen das Fahrverbot eingesetzt.

Mit der langsamen gesellschaftlichen Öffnung wird Saudi-Arabien für viele Menschen ein attraktiverer Ort. Gleichzeitig zieht das Regime die Daumenschrauben an für all jene, die aktiv für politische Rechte kämpfen. Politischer und gesellschaftlicher Wandel in ­Saudi-Arabien wird noch immer von oben angeordnet.

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