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Der Raum des Wir

Kollektivprojekte von Freiburg bis zum Amazonas sind in der Schau „An Atlas of Commoning“ im Bethanien zu sehen. Unser Autor liest dazu Charles Fourier und blickt auf die Geschichte gemeinschaftlicher Ideen

„archplus.net2“: Präsentation des Modells „House of One“Foto: ifa

Von Helmut Höge

Nach dem „Degrowth“ und der „Allmende“ kommt nun wieder ein neues Wort: der „Commonism“. Eine Ausstellung im Kreuzberger Kunstraum Bethanien zeigt einen „Atlas of Commoning“ – mit Modellen, Plänen, Videos, Interviews und einem ebenso großen wie vielsagenden Webteppich.

Bei der vom Institut für Auslandsbeziehungen und der Zeitschrift Arch+ zusammengestellten „Tourneeausstellung“ mit etlichen Begleitveranstaltungen handelt es sich um „zunächst 30 ausgewählte Projekte des Gemeinschaffens“ – das heißt, um mehr oder weniger reale Kollektivunternehmungen.

Das reicht vom Marktplatz in einem palästinensischen Flüchtlingslager, dem Freiburger Mietersyndikat und dem Berliner Prinzessinnengarten über das genossenschaftliche Wohnprojekt „Kalkbreite“ in Zürich, die von Sri Aurobindo gegründete Hindu-Community „Auroville“ bei Madras und das utopische Berliner „House Of One“ (für die drei monotheistischen Religionen) bis zu Gemeinschaftshäusern der Tukano im Amazonasbecken und der Rotterdamer Vereinigung „City in the Making“.

In der Mitte der Ausstellung wird an den großen Vorläufer aller vorweggreifenden Gesellschaftsentwürfe erinnert: an den Genossenschaftsplan „Phalanstère“ von Charles Fourier (1772–1837). Die nie realisierten Ideen dieses „utopischen Sozialisten“ haben Marxisten und Surrealisten gleichermaßen begeistert, im Besonderen seine „Neue Liebeswelt“ und die „Theorie der vier Bewegungen und der allgemeinen Bestimmungen“, die 1966 von Theodor W. Adorno auf Deutsch neu veröffentlicht wurde.

Wie dort Menschen und Birnen in Gruppen aufgeteilt werden, um einerseits die Birnenzucht zu verbessern und andererseits ein Modell zu finden, das sich auf Zusammenarbeit auch auf andere gesellschaftliche Projekte übertragen ließe, ist so erstaunlich und kurios beschrieben, dass wir den Text, unten stehend, in einem längeren Ausschnitt dokumentieren.

Fouriers Kommuneplan „Phalanstère“ war gärtnerisch-handwerklich ausgerichtet. Den heutigen in der Ausstellung vorgestellten „Commoning“-Projekten geht es vor allem um Wohnen und Kommunikation. Klar: Architekten können keine Arbeitsplätze planen, schon gar keine hochmodernen. Mit dem „Atlas of Commoning“ wollen die Ausstellungsmacher in partizipativer Form „den offenen und emanzipatorischen Raum des Wir zurückerobern und neu definieren“, wobei sie es auf die „städtischen Gemeingüter“ abgesehen haben, die jetzt in Berlin tagtäglich von den miesesten Schurken als sogenannte Investments privatisiert und mit ihren noch mieseren Architekten verhunzt werden.

Die Ausstellungsmacher sind aber nicht defensiv gestimmt, die „Gemeingüter“, an die sie denken, „erstrecken sich auch auf immaterielle Bereiche wie Wissen, Daten und Governance“. Dabei geht es ihnen darum, „kollektive Ressourcen und Räume“ zu schaffen und zu bewirtschaften, „die die Grundlage demokratischer Teilhabe bilden“.

Die Ausstellungsmacher sind nicht defensiv gestimmt

Schöne Worte! Es sei daran erinnert, dass nach Einführung der „Demokratie“ in Athen die damit erreichte allgemeine „Gleichheit vor dem Gesetz“ (isonomia) bereits von Diodoros aus Agyrion als verfehlt begriffen wurde, da man sie ohne „Gleichheit des Eigentums“ (isomoiria) durchgesetzt hatte. Infolgedessen hatte sich der Klassenkampf, weit davon entfernt, beendet zu sein, noch verschärft. Es standen sich nicht mehr Adlige und Bürger, Mitglieder einer menschlichen Gesellschaft, gegenüber, sondern Sklavenhalter und Sklaven, wobei Letztere aus der Gesellschaft Ausgestoßene und zugleich „Schöpfer ihres Wohlstands“ waren.

Aus dem Sklaven (Servus) wurde der Leibeigene, dann der Proletarier und nun der Serviceleister. So gesehen ist der Bezug auf „immaterielle Gemeingüter“ (die gerade vom Copyright ausgehebelt werden) ein Ausweichen vor der Enteignung der Enteigner, das heißt vor dem „Klassenkampf“, der nur ein anderes Wort für den „Bürgerkrieg“, für ein „Level Playingfield“ ist.

Trotzdem: Es sind ein paar schöne, ästhetisch anspruchsvolle Wohnprojekte und -ideen darunter: realisierte, geplante, temporäre, revitalisierte (wie zum Beispiel die Arbeiterclubs in England und Russland).

Bis 26. August im Kunstraum Kreuzberg im Bethanien, tägl. 11 bis 20 Uhr

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