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Kommentar Gerichte als UmweltschützerDer Rechtsweg wird missbraucht

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Wiederholt ist die Deutsche Umwelthilfe beschimpft worden, weil sie Umweltstandards vor Gericht einklagt. Der wahre Sünder ist aber die Politik.

Bei Diesel- und Stickoxid-Abgasen hat die Politik versagt Foto: dpa

D ie Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die Verschmutzung des Grundwassers ist für die Bundesregierung gleich mehrfach peinlich. Gerade der angebliche grüne EU-Musterknabe Deutschland steht wieder mal wegen Öko-Schlamperei vor Gericht. Und der Prozess zeigt: Umweltpolitik findet hier oft nicht mehr statt. Sie ist aus den Behörden und Ministerien in die Gerichtssäle umgezogen.

Die DUH verlangt eigentlich nur etwas Banales: dass geltendes Gesetz auch umgesetzt wird. Diese Normen haben Parlamente beschlossen, oft wurden sie samt Fristen und Grenzwerten durch Lobbys schon verwässert. Dann treten sie in Kraft und werden von den Regierungen verschleppt, falsch umgesetzt oder schlicht ignoriert.

Nicht weniger als 16 Verfahren führt die EU derzeit gegen Deutschland in Umweltfragen: Da geht es um Luftreinhaltung, Schutz des Grundwassers, Ausweisung von Naturschutzgebieten oder Belastungen durch Lärm und Chemie.

Für ihre Strategie der Klagen werden Verbände wie die DUH massiv beschimpft und unter Druck gesetzt. Politiker und Industrie kritisieren gern, die Umweltschützer missbrauchten den Rechtsweg, um ihre Forderungen durchzusetzen. Die Ökos haben schließlich großen Erfolg: Beim Stickoxid und Diesel-Fahrverboten gibt es für die Politik eine juristische Ohrfeige nach der anderen, so ähnlich könnte es bei anderen Themen kommen.

Die EU hilft sehr: Ihre übergeordnete Sichtweise auf Gesundheit und Zukunftsfragen hat zum Glück Vorrang vor den kurzfristigen Erwägungen von Staaten, die Autos herstellen oder Kohle abbauen.

Wenn hier allerdings jemand den Rechtsweg missbraucht, ist es die Politik. Sie gibt ihren Anspruch an Gestaltung auf, wenn sie sich von Klägern scheibchenweise zum Handeln drängen lässt. Richter sollen Streitfragen klären, nicht Behörden und Regierungen auf etwas eigentlich Selbstverständliches verpflichten müssen: Sich an Recht und Gesetz zu halten.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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17 Kommentare

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  • Hier wird nichts weniger als der Rechtstaat abgebaut. Anwält*innen werden als Asylindustrie diffamiert und Minister rühmen sich, Gerichte ausgetrickst zu haben, um eine strafbare Verschleppung zu begehen. In diesen Kontext passt es, das Vorgehen der DUH zu kritisieren.



    Auch wenn ich denke, dass die Fahrverbote an der falschen Stelle ansetzen. Nicht die normkonformen Euro-4-Diesel sollten ausgesperrt werden, sondern die betrügerischen Euro-6-Diesel, die in Wirklichkeit nicht einmal Euro-1-Diesel sind.



    Beim Grundwasser gibt es eine starke chemische Industrie, die schon dafür gesorgt hat, dass das Glyphosat-Verbot an Deutschland scheitert. Diese will natürlich auch keine Einschränkung in ihren Vertriebsaktivitäten durch Vorschriften zur Gewässerreinhaltung in Kauf nehmen.



    Die deutsche Politik ist tief korrupt. Entscheidungen werden gekauft. Während die Staatsanwaltschaften fest unter politischer Kontrolle stehen, haben Richter*innen eine größere Unabhängigkeit. Kein Wunder, dass entsprechende Klagen der Politik ein Dorn im Auge sind und daher gerne ignoriert und diffamiert werden. In letzter Zeit allerdings immer hemmungsloser - hoffentlich nicht in Vorbereitung auf polnische oder türkische Zustände, d.h. der Abschaffung der richterlichen Unabhängigkeit.

  • Teilweise lustige Kommentare hier, hätte man eher in der 'Welt' und Konsorten erwartet.



    Grundtenor:



    Die bösen Umweltrichtlinien kosten uns am Ende die Exportweltmeisterschaft, und die DUH macht den Özil.

  • "Die EU hilft sehr: Ihre übergeordnete Sichtweise auf Gesundheit und Zukunftsfragen hat zum Glück Vorrang vor den kurzfristigen Erwägungen von Staaten, die Autos herstellen oder Kohle abbauen."

    Tja, die gute EU...

    Ist das die Selbe EU die auch Datenvorratsspeicherung haben will, und die dann wiederum von ihrer eigenen EU-Gerichtsbarkeit eingefangen werden muss? Und Schiedsgerichte für nicht EU-Investoren, und nicht EU-Handelspartner, die de fakto eine Schattenjustiz hingestellt bekommen?

    Die EU als Organisation hat kaum demokratischen rückhalt in den EU-Nationen - fast niemand weiss was die Institutionen machen, welche Rechte sie haben und welchen Einfluß. Eine Kontrolle des EU-Parlaments durch die EU Bürger findet de Faktio nicht statt.

    Sein Heil in einer solchen Organisation zu suchen, nur weil man annimmt, dass deren Eliten liberal sind und das "Gute" wollen ist mehr als gefährlich. Sollten nämlich in den EU-Gremien autoritäre Gruppen die Macht übernehmen kann man sich auch deren Einfluß nicht mehr auf nationaler Ebene erwehren.



    Ich war mal EU-Optimist, aber das ist lange her.

  • Das ist das Problem, wenn man nach dem Motto "Wünsch Dir was" regiert: Da werden noch und nöcher gutgemeinte, aber völlig realitätsferne Umweltschutzvorschriften mit teils gewaltigem Symbolcharakter durchgewunken, um die moralische Meinungssführerschaft milde zu stimmen - und dann kommen doch tatsächlich solche Verbandsfutzis daher und tun so, als wäre diese ganze Wolkenkuckucksheim-Gesetzgebung wirklich praktisch umsetzbar. Und holen sich dafür auch noch Gerichtstitel...

    Da rächt sich dann natürlich auch die langjährige Praxis der Justizbehörden, nur Richter mit absoluten Top-Examina einzustellen, die sich jeglichen Praxisbezug wegstudiert haben. Und von denen sind dann auch noch einige die Studi-Revoluzzer von einst, die NICHT dem Ruf des Geldes erlegen sind. Da ist es dann in linken Herzensangelegenheiten auf einmal Essig mit dem sonst recht durchgängigen Verständnis der Verwaltungsgerichte für die Mühsal der Verwaltung.

  • Geht nur mir das so, oder ist die Überschrift unglücklich gewählt, weil die indirekte Rede nicht ankommt?



    Ich erkenne in der Überschrift die gegenteilige Meinung zu der im Text beschriebenen. Anführungszeichen wäre auch gegangen.

    • @Sophie Kowalski:

      Der Titel ist, in der Tat, irreführend.

  • „Wenn hier allerdings jemand den Rechtsweg missbraucht, ist es die Politik. Sie gibt ihren Anspruch an Gestaltung auf, wenn sie sich von Klägern scheibchenweise zum Handeln drängen lässt. Richter sollen Streitfragen klären, nicht Behörden und Regierungen auf etwas eigentlich Selbstverständliches verpflichten müssen: Sich an Recht und Gesetz zu halten.“

    Gestaltungs-Anspruch?



    In welchem Land leben Sie?



    D kann es nicht sein.

    Was „die“ Politik da macht, ist Klientel-Politik, verschleppt (informiert) wird in voller Absicht, Ungleichverteilung wird immer weiter ausgebaut, das Tafelsilber weiter verscherbelt, Umwelt ist vollkommen egal, Gesundheit der Menschen wohl nicht schützenswert, usw., usw..

    Das hat mit Gestaltungs-Anspruch nur so weit etwas zu tun, als die „Gesellschaft“ nur in eine Richtung „gestaltet“ wird – von unten nach oben umverteilt. Ganz normal in einer Oligarchie, die wir hier inzwischen haben.

    Die DUH zockt m. E. durch ihr Abmahn-System den Kleine(re)n Geld ab, um sich als Umweltretter gerieren zu können – die haben von „den“ Politikern nur gut gelernt, wie es möglich ist, leistungslos an das Geld von anderen zu gelangen.

    Dass „die“ Politiker kein Interesse haben, etwas zu ändern, so lange sie immer und immer wieder gewählt werden, liegt auf der Hand …

    • @Frau Kirschgrün:

      "...die haben von „den“ Politikern nur gut gelernt, wie es möglich ist, leistungslos an das Geld von anderen zu gelangen." Hä? Inwiefern bekommt die DUH Geld, wenn sie Prozesse gewinnt? Die werden dafür nicht bezahlt! Fürs Rechthaben Geld zu kriegen, das wär ein schönes Geschäftsmodell. Gibts nur im Wettbüro.

      • @miri:

        Die DUH erzockt sich meines Wissens das Geld über Abmahn-Verfahren.

        Die Klagerei könnte m. E. ein Hobby für die die DUH betreibenden Anwälte sein, oder – wie gesagt – als Imagehilfe, weil sie ^^"Gutes tun"^^ - da sind doch "fragwürdige" Abmahn-Gebaren nicht erheblich…

        Honi soit qui mal y pense…

    • @Frau Kirschgrün:

      „Die DUH zockt m. E. durch ihr Abmahn-System den Kleine(re)n Geld ab, um sich als Umweltretter gerieren zu können...“



      Ui! Hasskommentare Marke Volkswagen. :-P

      • @Galavant:

        Seit wann handelt es sich um Hasskommentare, wenn Tatsachen festgestellt werden?

        Erschließt sich mir nicht.

        Gehören Sie zur DUH?

  • Wie sieht es denn europaweit aus? Es kann schliesslich auch ein enormer wirtschaftlicher Nachteil sein wenn hier übergenau alles stimmen muss und in anderen Ländern quasi alles halbherzig umgesetzt wird.

    • @lord lord:

      Ich sehe das eher andersrum.



      Typen wie Ex-Verkehrsminister Wissmann der bei der Automobilindustrie ja auf Eigenverantwortlichkeit statt auf Gesetze wert gelegt hat und dafür sehr üppig belohnt wurde mit vielen Posten, hat der Autzomobilindustrie ja indirekt mitgeteilt:



      "Macht was ihr wollt, hauptsache es kommen Arbeitsplätze und Umsätze dabei raus."



      Dass u.a. damit der Damm gebrochen ist für Betrügereien und deutsche Autos umwelttechnisch veraltet sind und dem Markt hinterher hinken ist die Folge.

  • Die Frage, nach übertrieben niedrigen Grenzwerten wird NIE gestellt.

    Die Umweltlobby sitzt mit ihren gesetzlich garantierten Entsenderchten in der ARD und verhindert kritische Auseinandersetzungen zu diesem Thema.

    Am Ende landen wir vielleicht bei Grenzwerten für den Pferdemist für Pferdefuhrwerke, nachdem wir alle anderen Antriebsformen mit Umweltrichtlinien platt gemacht.

    • @Fredericke Rauh:

      "Die DUH verlangt eigentlich nur etwas Banales: dass geltendes Gesetz auch umgesetzt wird. Diese Normen haben Parlamente beschlossen, oft wurden sie samt Fristen und Grenzwerten durch Lobbys schon verwässert."

      • @Ürre KrankerScheiß:

        Darüber lässt sich trefflich streiten.

  • Was ist denn das für ein seltsames Rechtsverständnis, welches Politik und Wirtschaft hier an den Tag legen? Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagt die Umsetzung geltenden Rechts ein, was wiederum ihr gutes Recht ist. Geltendes Recht (hierzulande) überhaupt einklagen zu müssen ist einem demokratischen Rechtsstaat unwürdig und für die Bundesrepublik Deutschland hoch peinlich.



    Wenn die DUH Verfahren auf diesem Sektor gewinnt, so sind deutsche Gerichte hierfür verantwortlich, stehen Richter hinter diesen Urteilen; kurz die Judikative als (richterliche) Staatsgewalt. Die kritische Betrachtung des juristischen Engagements der DUH, seitens Politik und Wirtschaft, ist kindlich naiv und wohl der Meinung geschuldet: “Hätte die DUH nicht geklagt, wäre für uns die Welt (noch) in Ordnung“.