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Abschied vom ewigen Geheim-favoriten

Die Niederlage gegen Frankreich hat sie traurig gemacht. Aber aufrechter als die Belgier kann man das Rennen um den Weltmeistertitel kaum beenden

In die Arme: im Vordergrund Belgiens Assistenztrainer Thierry Henry und Eden Hazard Foto: Petr David Josek/ap

Aus St. Peterburg Johannes Kopp

Selbst die Enttäuschung zwang diese Belgier nicht in die Knie. Als der Schiedsrichter das teilweise furiose WM-Halbfinale abpfiff, sank keiner – wie sonst üblich bei solchen Anlässen – in den Rasen und vergrub sein Gesicht und seine Trauer in den Grashalmen. Oder suchte in umgekehrter Lage mit Blick gen Himmel nach Erklärungen für die ungerechte Welt und die 0:1-Niederlage.

Die Belgier standen einfach nur da, viele die Hände an den Hüften. Ihr Adrenalin, das diese Weltmeisterschaft in Verbindung mit ihrem großen Können so belebt hatte, war immer noch am Wirken. Es schien, als wollten sie das Ende ihrer großen Ambitionen einfach nicht akzeptieren. Aufrechter als die Belgier kann man sich sowieso aus dem Rennen um den größten zu vergebenden Pokal des Fußballs nicht verabschieden.

Was der ewige Geheimfavorit alles kann, hat man in den vergangenen Jahren schon oft gehört. Gesehen hat man es zum ersten Mal bei diesem Turnier in Russland. In den Ausscheidungsspielen haben sie kon­stant den attraktivsten, einfallsreichsten und flexibelsten Fußball gezeigt. Gegen Japan im Achtelfinale haben sie trotz eines 0:2-Rückstands vorgeführt, wie man auch das Bollwerk einer tiefstehenden Abwehr auseinandernehmen kann, um die Partie dann mit dem schönsten Kontertor der WM zu entscheiden.

Gegen Brasilien präsentierten sie sich als Defensivkünstler, die letztlich mit genial schnell vorgetragenen Gegenangriffen bestachen. Sie spielten fast ein wenig französisch. Nur gegen Frankreich konnte man wieder ein Team betrachten, das über so viele Jahre Erwartungen notorisch enttäuscht hatte.

Warum es nicht zum großen Glück reichte? Vielleicht, meinte Trainer Roberto Martinez, habe kurz vor dem gegnerischen Tor der letzte präzise Pass gefehlt, um dann die Abwesenheit von etwas zu beklagen, was eh kaum zu beeinflussen ist: „Es hat ein wenig das Glück gefehlt.“Denn: Bei seinen Spielern wollte er sich eigentlich nicht beklagen. Im Grunde, hob er hervor, hätten sie alles richtig gemacht. „Es war eine starke Vorstellung meines Teams.“ Sie hatten Frankreichs größte Stärke, die rasanten auf den pfeilschnellen Kylian Mbappé ausgerichteten Gegenangriffe, unterbinden können. Dabei musste sich die Mannschaft von Didier Deschamps dafür tief ­fallen lassen und Belgien die Ini­tia­tive überlassen.

Vor allem in der ersten Halbzeit entwickelte sich aus dieser Ausgangssituation heraus ein hochinteressanter Wettbewerb der Ideen. Vornehmlich die wieder als Flügelspieler eingesetzten Kevin De Bruyne und Eden Hazard sorgten für Gefahr im französischen 16-Meter-Raum. Bei den Franzosen ließen derweil Benjamin Pavard und vor allem Olivier Giroud schön herausgespielte Möglichkeiten ungenutzt.

Die Möglichkeit eines Treffers stand in der intensiven Auseinandersetzung bis zur 51. Minute auf beiden Seiten ständig im Raum. Paradoxerweise nahm dann das Kopfballtor von Innenverteidiger Samuel Umtiti nach einer Ecke von An­toine Griezmann ein wenig die Energie aus der Partie. Gegen die ausgebuffte Verteidigungsarbeit der Franzosen kamen die Belgier nur noch selten an. „Das Standardtor war entscheidend“, stellte Martinez fest, um damit noch einmal den marginalen Unterschied zwischen den Teams hervorzuheben – zu Recht.

Sie hatten Frankreichs größte Stärke unterbinden können

Dem Trainer muss vor der Zukunft nicht bange sein. Nach dem Turnier, sagte er, werde man sich wieder zusammenfinden. Mit neuen Talenten des belgischen Fußballs. Die Altersstruktur der so überragenden belgischen Offensive ist mit de Bruyne (27), Hazard (27) und Romelu Lukaku (25) immer noch vielversprechend. Bei der Europameisterschaft 2020 ist diese Mannschaft gewiss kein Geheimfavorit mehr.

Aber noch ist die Weltmeisterschaft nicht beendet. Am Samstag steht das Spiel um Platz drei in St. Petersburg an. Martinez sagte, natürlich sei es schwer, sich für dieses Match zu motivieren. Gleichzeitig gab er aber auch zu bedenken: „Es passiert nicht oft, dass man Dritter einer Weltmeisterschaft werden kann. Das einzige Mal hatte Belgien diese Möglichkeit 1986, als man Vierter wurde.“

Einen historischen Erfolg können die Belgier also sogar noch in dieser Woche der bitteren Niederlage erreichen.

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