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Die WahrheitSoja-Burger ist Punk

Kolumne
von Anke Richter

Neues aus Neuseeland: In Aotearoa tobt zur Zeit ein erbitterter Kampf um vegetarische Doppel-Hamburger, Rücksicht auf Verluste wird nicht genommen.

W er glaubt, Kühe seien nur in Indien heilig, der irrt. Aotearoa ist das Land, wo Milch und Honig fließen, wo Lämmer auf endlosen Weiden blöken und Viehbauern nach der Tourismusbranche zur stärksten Lobby zählen. Dass die Millionen von Kühen auf all den Farmen unsere Gewässer mit ihrer Gülle versauen und die Gewässer nach und nach umkippen, ist eines der dunklen Geheimnisse von „Godzone“.

Ein weiteres Geheimnis muss ich hier lüften: Es ist „The Impossible Burger“ – der unmögliche Burger. Seit letzter Woche verhöhnt dieses Fresswerk alle traditionellen Werte unserer Schafkot-und-Boden-Kultur. Schlimmer noch, es wird von einer anderen heiligen Kiwi-Institution nicht nur auf den Sockel gehoben, sondern durch die Luft geflogen – von Air New Zealand. Jetzt droht uns ein Burgergate.

Unsere staatliche Fluglinie bietet auf ihren Business-Flügen von Los Angeles nach Auckland ab sofort einen vegetarischen Doppel-Hamburger an, der nicht nur appetitlich aussieht, sondern angeblich auch Karnivoren schmeckt. Ein auf Soja basierendes Molekül, das im Labor in Silicon Valley entwickelt wurde und das den Geschmack von Hackfleisch verblüffend echt vortäuscht.

Die schlauen Werber haben keine Kosten und Mühen gescheut, um uns in einem schicken Video davon zu überzeugen, was für einen innovativen Wonneproppen aus der Versuchsküche sich die Fluggäste da einverleiben. Chemie hin, Gourmet her: Da der Verzehr von rotem Fleisch darm- und klimaschädlich ist, ist das Fake-Fleisch in der Tat ein Fortschritt.

Doch Winston Peters, unser derzeit amtierender stellvertretender Premierminister, hat keinen Sinn für solch neumodische Mätzchen. Er reagierte angesichts des Jungfernflugs des Soja-Burgers so verstört, als ob die Rugby-Mannschaft All Blacks vor einem Match statt des testosteronhaltigen Hakas in Zukunft lieber einen genderneutralen Balletttanz aufführt, um mit der Zeit zu gehen.

„Air New Zealand wurde von neuseeländischen Steuerzahlern finanziert“, wetterte Peters und machte damit gleich die ersten Schlagzeilen, seit Politik-Star Jacinda Ardern in die Babypause verschwunden ist. „Viele davon sind Bauern. Sie wollen an die Spitze im Export kommen. Unsere Fluglinie sollte ihr erster Vermarkter sein.“ Die Nationalpartei – ein Hort der Farmer – tweetete hinterher: Es sei „enttäuschend“, statt Lamm und Rind einen genmanipulierten Ersatz ins Bordmenü aufzunehmen.

Was die rinderlieben Politiker verdrängen: Trotz – oder wegen – ihres Hangs zum Nutztier sind bereits zehn Prozent der Neuseeländer Vegetarier. Die Zahl steigt. Frauen sind hier in der Mehrzahl, doch die Rate der männlichen Fleischverachter wächst rasanter. Einer der Hauptgründe ist jedoch nicht die Gesundheit, sondern schlicht die Tatsache, dass Spitzenfleisch für viele Kiwis immer unerschwinglicher wird. Das ist das letzte dunkle Geheimnis Down Under: wachsende Armut.

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