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Umstrittenes Einkaufszentrum„Wir fühlen uns irregeführt“

Wegen Autolärms und Luftverschmutzung: Einige Anwohner in der Hamburger Hafencity klagen gegen die Stadt.

Architektur top: Ob das geplante Einkaufszentrum sich aber auch mit dem Stadtteil verträgt, ist strittig. Foto: Unibail-Rodamco

Hamburg taz | Wegen des geplanten Einkaufszentrums in der Hamburger Hafencity haben fünf AnwohnerInnen am Montag eine Normenkontrollklage beim dortigen Oberverwaltungsgericht eingereicht. Darüber haben am Dienstag die Initiative „Lebenswerte Hafencity“ und der Anwalt Michael Günther die Presse informiert. Die KlägerInnen sind allesamt BewohnerInnen der „Hafenliebe“, eines ausdrücklich auf Familien ausgelegten Immobilienprojekts am Dalmannkai/Am Sandtorpark.

Wie die Architektin und Entwicklerin des Projekts, Iris Neitmann, in Erinnerung rief, sei man einst ausdrücklich auf Drängen der Stadt in die Hafencity gekommen – umso größer ist heute der Ärger über die geänderten Planungen mit deutlich höheren Gebäuden. „Wir fühlen uns irregeführt“, sagte die Klägerin Solveig Binroth.

Im südlichen Teil des „Überseequartiers“ will der französische Einkaufs- und Messezentren-Riese Unibail-Rodamco nach eigenen Angaben etwas über eine Milliarde Euro investieren. Eine Sorge nahm der Konzern damit nicht zuletzt der Stadt: Die war in Folge der Immobilienkrise eines ursprünglichen Investors verlustig gegangen und brauchte nicht noch mehr schlechte Nachrichten aus dem Vorzeige-Quartier: Am anderen Ende wurde ja die Elbphilharmonie partout nicht fertig, dafür immer teurer. Ende 2014 konnte der Senat dann mit Unibail-Rodamco eine Lösung präsentieren: „Alle anderen Investoren sind nicht bereit, eine solche Konzeption weiterzuverfolgen“, sagte damals Bürgermeister Olaf Scholz (SPD).

Herzstück der Unternehmung ist ein Einkaufszentrum, das aber ganz anders werden solle als andere, das betonen Bauherr und Stadt: kein geschlossener Kosmos, sondern ein offenes Konzept mit einer Mischung von Marken, die es so noch nicht gebe.

Von einem Rückfall in die „autogerechte Stadt“, in Konzepte der 1960er-Jahre, sprach dagegen am Dienstag der Architekt Bruno Brandi. Er erinnerte an die Sanierung der Hamburger Fleetinsel in den frühen 90er-Jahren, an der er freilich selbst beteiligt war: Diese Qualität, so Brandi, verdiene auch die Hafencity. Stattdessen aber drohen aus Sicht der Initiative abweisende Erdgeschosse ohne Ladenflächen, verbauter Blick, aber vor allem ein Mehr an Verkehr mit all den Folgen, gegen die die Stadt an anderer Stelle ja gerade mit Diesel-Fahrverboten vorgeht. Die Initiative rechnet mit bis zu 25.000 Fahrzeugen täglich – in einem Stadtteil, der wegen seiner Lage und den Abgasen der Kreuzfahrtschiffe schon heute bemerkenswert schlechte Luftreinheitswerte aufweist.

Dass man nun klage, sei doch eigentlich auch im Sinne der Stadt und des Investors, fanden die am Dienstag Versammelten: Könnte man nun noch mal das Gespräch darüber eröffnen, wie dieses städtische Filetstück einmal aussehen soll, würden am Ende doch alle profitieren.

Zunächst aber liegt die Klage beim Oberverwaltungsgericht. Geprüft werden soll damit, ob die genehmigende Behörde höherrangige Rechtsgüter verletzt hat. Weil so eine „Normenkon­trolle“ aber keine aufschiebende Wirkung habe, wollen Günther und seine MandantInnen obendrein Eilantrag gegen die Teilbaugenehmigung für die geplante Tiefgarage stellen.

Die dafür beantragte Akteneinsicht könnte der Anwalt schon in der kommenden Woche erhalten: Er rechne mit bis zu 17 Kartons von der Stadtentwicklungsbehörde, sagte Günther jetzt – und zeigte sich zuversichtlich, darin weitere Argumente zu entdecken.

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