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Ausgebremster KulturaustauschZuerst gefördert und dann verhindert

7 Tänzer aus der Elfenbeinküste sollten in Spandau auftreten. Das Projekt scheiterte an den Visa. Kein Einzelfall.

Mit Leerstelle: der Trupp der Spandauer Jugendtheaterwerkstatt Foto: Patryk Sebastian

Als Julia Schreiner von der Jugendtheaterwerkstatt Spandau vor einem Jahr mit einem Stipendium des Goethe Instituts in die Elfenbeinküste reiste, war sie spontan begeistert: von einer privat finanzierten Tanzschule im Armenviertel von Abidjan, für Straßenkinder- und jugendliche, gegründet von einer Choreografin aus Hawaii. 2006 war Jenny Mezile in die Elfenbeinküste gekommen, um nach dem Bürgerkrieg eine neue Tanzszene mitaufzubauen – heute nennt sie die Theaterschule für die Straßenkinder ein Lebensprojekt.

Der Plan einer Zusammenarbeit war so naheliegend, dass er ebenso schnell in die Umsetzung drängte wie er gefördert wurde – mit 59.000 Euro aus dem Hauptstadtkulturfonds: Ein Tanztheater-Stück zu Ovids „Metamorphosen“ im prekären Spandau, von 20 Berliner Laien aus Russland, Syrien, Israel und Deutschland gespielt, in Zusammenarbeit mit 7 ivorischen Tänzern aus dem Getto, wie sie selbst sagen.

Ein halbes Jahr probten die Akteure in Spandau und in Abidjan parallel, die Rollen der ivorischen Tänzer in Spandau wurden von Platzhaltern übernommen. Beinahe täglich informierten sich Jenny Mezile und Regisseur Carlos Manuel in Berlin via WhatsApp über den Stand der Dinge. Derweil bereitete das Goethe-Institut laut Julia Schreiner die TänzerInnen auf ihre Gespräche in der deutschen Botschaft vor, wo sie ihre Visa beantragen mussten.

Doch dann, zwei Wochen vor Beginn der geplanten Proben in Spandau, der Schock. Keiner der 7 Tänzer hatte ein Visum bekommen, angeblich wegen „Zweifel an ihrer Rückkehrbereitschaft“ – und daran konnte weder die Unterstützung von Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke), des Bundestagsabgeordneten für Spandau Swen Schulz (SPD) noch der Staatsministerin im Auswärtigen Amt für internationale Kulturpolitik Michelle Müntefering (SPD) etwas ändern.

Das Stück, das am Freitag, am Samstag und Sonntag noch dreimal auf die Bühne kommt, muss ohne die ivorischen Tänzer funktionieren. Julia Schreiner von der Jugendtheaterwerkstatt ist noch immer empört über die Ablehnung. „Die Tänzer sind zu arm und zu jung, weder sind sie verheiratet noch haben sie Kinder.“ Am Schlimmsten findet sie aber, dass die Tänzer zuerst von deutschen Kulturmachern eingeladen wurden, um dann von deutschen Beamten gedemütigt zu werden. „Für die Tänzer“, so auch Jenny Mezile, „wäre diese Reise der Beweis gewesen, dass sie auf dem richtigen Weg sind.“

Keineswegs ein Einzelfall

Metamorphosen

Das Stück „Metamorphosen“ nach Ovid mit 20 Berliner Laienschauspielern, aber ohne ivorische Tänzer ist am Freitag, 29. Juni, (19 Uhr), Samstag, 30. Juni (18 Uhr) und Sonntag, 1. Juli, (16 Uhr) zu sehen.

Tickets unter 030/37587623 oder post@jtw-spandau.de, Jugendtheaterwerkstatt Spandau, Gelsenkircher Straße 20 in 13583 Berlin. Das Stück dauert drei Stunden inklusive Pause, der Eintritt ist frei, aber eine Spende erwünscht.

Der Fall in Spandau ist kein Einzelfall, es kommt immer wieder vor, dass kulturelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe zuerst gefördert wird – und dann verhindert. 2017 bekam der südafrikanische Choreograf Fana Tshabalala kein Visum, als er in Berlin mit der renommierten Choreografin Constanza Macras arbeiten wollte. Im selben Jahr durften beim Fratz International, einem Theaterfestival für ZuschauerInnen ab 0 Jahren, trotz Förderung des Goethe-Instituts zwei Tänzer aus Nigeria nicht einreisen. Und Moritz Pankok vom Theater Aufbau Kreuzberg berichtet der taz, dass am 12. Juni das Stück „Stein der Geduld“ einer kurdischen Theatergruppe abgesagt werden musste, da das deutsche Konsulat in Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan im Irak, wenige Tage vor der Premiere die Visa ablehnte.

Es ist schizophren. Der Bund fördert die Projekte und lässt dann die Künstler nicht einreisen

Kultursenator Klaus Lederer

Er habe angeblich die Gründe für die Reise nicht ausreichend dargelegt, so Pankok, außerdem sei der finanzielle Status der Antragssteller unklar. Bei der Garantieerklärung, die Pankok beim Ausländeramt abgeben musste, wird der finanzielle Status laut Pankok allerdings nur bei privaten Antragstellern geprüft, nicht bei Vereinen oder Institutionen. „In Zeiten, wo alle Welt über „die Araber“ schreibt“, so Pankok enttäuscht, „ist es umso wichtiger, dass die Künstler nach wie vor selbst zu Wort kommen.“ Pankok weist außerdem darauf hin, dass das deutsche Konsulat in Erbil die Visaanträge von privaten Firmen bearbeiten lasse. Bei Rückfragen fehlen Ansprechpartner.

Es gibt keine Statistiken, wie viele Künstler zu Festivals oder Kooperationen aus Deutschland eingeladen werden – und wie viele dieser Einladungen scheitern. Dennoch ist vielen, die sich im Berliner Kulturbetrieb bewegen, das Problem hinreichend bekannt. Klaus Lederer sagt: „Es ist schizophren. Der Bund fördert die Projekte und lässt dann aber die Künstler nicht einreisen.“ Auch Stephan Behrmann vom Bundesverband Freie Darstellende Künste zeigt sich alarmiert: „Wir sind mit der Visaablehnung bei dem Berliner Projekt vertraut und vermuten hier ein systemisches Problem.“

Darum appelliert Behrmann ans Auswärtige Amt, dass es eine grundlegende Überprüfung der Visapraxis bei internationalen Projekten geben müsse. „Es ist nicht hinnehmbar, dass künstlerische KooperationspartnerInnen der Unterstellung ausgesetzt sind, die künstlerische Arbeit sei gewissermaßen ein Vorwand, um nach Europa zu migrieren.“

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