Wolgogradtaz | Gibt es etwas Schöneres bei einer Fußball-WM, als Menschen zuzusehen, wie sie sich um den Hals fallen, nur weil sie die gleiche Leidenschaft teilen? Wie wildfremde Menschen anfangen, sich zu unterhalten, obwohl sie die Sprache des jeweils anderen nicht verstehen, nur weil sie als Fußballfans zu erkennen sind. Was ist dein Klub? Wer gewinnt heute? Wer wird Weltmeister? Wie findest du das Stadion?
Der Fußball macht manchmal die ganze Welt so leicht, dass man sich wünscht, das Leben wäre eine ewige Fußballweltmeisterschaft. Zwei Stunden vor dem Anpfiff des Spiels Island gegen Nigeria in Wolgograd stolpern vier Russen in ihre Landesfahnen gehüllt aus dem Eingang eines Hostels unweit des Stadions. „Wartet, wartet!“, rufen sie der Gruppe von Nigerianern zu, die sich schon auf den Weg zur Arena gemacht haben.
Die Russen herzen die Nigerianer, die Nigerianer herzen zurück und jeder wird gleich das gemeinsame Gruppenselfie auf Instagram posten und dazuschreiben, was er doch für tolle neue Freunde gefunden hat. Nur manchmal wird es schwierig. Wie findet ihr Wolgograd? Was soll man antworten, ohne unhöflich zu werden.
„Stadt des Sieges“
Die Stadt macht die Besucher klein. Die Denkmäler, die an die kriegsentscheidende Schlacht um Stalingrad erinnern, sind allgegenwärtig. Es gibt die großen Statuen, es gibt die kleinen Erinnerungstafeln, lebensgroße Denkmäler, Reliefs, die ganze Hausfassaden bedecken. Und immer wieder sieht man die sowjetrealistischen Darstellungen von Kriegern mit entschlossenen Gesichtern. „Wolgograd, Stadt des Sieges!“, steht überall. Das Fanfest liegt zu Füßen des Obelisken, der an die Gefallenen der Schlacht erinnern soll. Er macht den Fans aus dem Ausland das Feiern nicht leicht.
Die heimlichen Stars der WM
Aleksandr Golovin, Russland, Zentrales Mittelfeld. Bei dieser WM könnte Golovin (rechts) der große Durchbruch gelingen. Der 22-jährige Mittelfeldspieler gilt als großes Talent und hat dies in der heimischen Premjer-Liga unter Beweis gestellt, wo er diese Saison fünf Tore für seinen Verein ZSKA Moskau schoss.
dpa
Salem Al-Dawsari, Saudi-Arabien, Rechtes Mittelfeld. Während fast alle Spieler in der heimischen Saudi Professional League spielen, wagte er den Sprung in die spanische Liga und heuerte beim FC Villareal an. Konnte sich nicht durchsetzen und spielte nur ein einziges Spiel. Jetzt wieder zurück in der Heimat.
AP
Essam El Hadary, Ägypten, Tor. Als in der 85. Minute im Gruppenspiel Japan – Kolumbien der WM 2014 Faryd Mondragon für Kolumbien eingewechselt wird, ist er der älteste Spieler in der WM-Historie. Diesen Titel wird er an El Hadary (rechts) abgeben müssen: mit 45 Jahren wird er bei seinem WM Debüt zwei Jahre älter sein.
EPA
Diego Laxalt, Uruguay, Linkes Mittelfeld. Zwar besitzt der 25-jährige Laxalt (rechts) im Team Uruguays keinen Stammplatz, doch ist er durch seine Geschwindigkeit gerade in der Schlussphase, wenn die Kraft des Gegners schwindet, eine gefährliche Alternative. Stammspieler beim CFC Genua in der italienischen Liga.
EPA
Willam Carvalho, Portugal, Zentrales Defensives Mittelfeld. „Prinz William“ (Mitte), wie sie ihn in der Heimat liebevoll nennen, ist ein Fels in der Brandung. 1,90 m groß und 90 kg schwer. Er ist Europameister, unverzichtbarer Stabilisator – und hat kürzlich seinen Vertrag in Lissabon wegen Fanausschreitungen gekündigt.
EPA
Iago Aspas, Spanien, Sturm. 22 Tore gelangen Aspas in der vergangenen Saison für Celta Vigo in der spanischen Liga. Doch weil der spanische Sturm lauter Hochkaräter besitzt, muss er um seinen Stammplatz zittern. Wie lange er für Vigo noch auflaufen wird ist unklar, denn zahlreiche Topvereine interessieren sich für ihn.
dpa
Achraf Hakimi, Marokko, Rechte Verteidigung. 19 Jahre jung ist Hakimi (2. v. rechts). Bei Real Madrid wird er immer wieder als Back-Up für Daniel Carvajal gebraucht, in Russland könnte ihm der endgültige Durchbruch gelingen.
Reuters
Morteza Pouraliganji, Iran, Innenverteidigung. Der 26-Jährige (rechts) ist nach Seyed Jalal Hosseini eine wichtige Defensivstütze im iranischen Nationalteam. Spielt in der kleinen katarischen Liga beim al-Sadd Sports Club.
AP
Benjamin Pavard, Frankreich, Innenverteidigung. Pavard (rechts) ist einer der ganz wenigen, der in der französischen Nationalmannschaft (noch) kein Topstar ist. Über LOSC Lille in der französischen Ligue 1 voriges Jahr zum VFB Stuttgart gekommen und ist er dort mit jetzt 22 Jahren ein absoluter Stammspieler.
AP
Mile Jedinak, Australien, Zentrales Defensives Mittelfeld. Nachdem sich Australien gegen Syrien gerade so in die finale Runde gegen Honduras gequält hatte, war es Jedinak, der im Rückspiel beim 3:0 Sieg alle Tore erzielte und Australien das WM-Ticket bescherte.
AAP
Pedro Gallese, Peru, Tor. Ganz Argentinien scheiterte im Oktober letzten Jahres während der Qualifikation an jenem Pedro Gallese, der einfach nicht hinter sich greifen wollte. Nach diesem Qualifikationsspiel hatte Peru bis zur WM noch acht Partien in denen insgesamt ganze zwei Tore gegen die Peruaner fielen.
EFE
Yussuf Poulsen, Dänemark, Sturm. Der 23-Jährige (Mitte) ist vor allem eins: Pfeilschnell. Gemeinsam mit Topstar Christian Eriksen (Tottenham) und Viktor Fischer (Kopenhagen) kann er ein tödliches Dreieck bilden. Seit Jahren Stammspieler bei RB Leipzig.
dpa
Federico Fazio, Argentinien, Innenverteidigung. Während alle Welt auf den Sturm von Argentinien schaut, zieht Fazio (rechts) einsam seine Kreise in der Abwehr. Drang mit der AS Rom bis ins Champions League Halbfinale vor, zudem souveräne Stammkraft in Rom.
dpa
Jon Dadi Bödvarsson, Island, Sturm. Bödvarssons (links) musste einen Umweg zum Profifußballer machen. Bereits als kleiner Junge litt er unter ADHS und musste Tabletten nehmen, die Stimmungsschwankungen verursachten. Erst als er sie absetzte, konnte er sich auf dem Platz entwickeln und reifte zum Nationalspieler.
dpa
Danijel Subašić, Kroatien, Tor. Über NK Zader und Hadjuk Split fand er seinen Weg zur AS Monaco. Seit mehr als einem halben Jahrzehnt strahlt er Souveränität in der französischen Ligue 1 aus. Höhepunkt seiner Karriere: Französischer Meister im vergangenen Jahr.
EPA
Francis Uzoho, Nigeria, Tor. Nachdem der Stammtorwart Nigerias für die WM verletzt ausgefallen ist, muss sich der Coach Nigerias, Gernot Rohr, zwischen drei Alternativen entscheiden. Eine davon ist Francis Uzoho (rechts), der mit seinen 19 Jahren schon eine feste Kraft bei Deportivo La Coruña ist. Ein Mann mit Zukunft.
Reuters
Ederson Moraes, Brasilien, Tor. Noch ein Torwart. Aber einer, der wahrscheinlich nicht spielen wird, da Alisson Becker in Brasilien die Nase vorne hat. Dabei sind Ederson (2. v. links) und Manchester City kürzlich englischer Meister geworden – mit nur 27 Gegentoren in 38 Spielen. Alisson statt Ederson – ein Nachgeschmack bleibt.
dpa
Nico Elvedi, Schweiz, Abwehr. Elvedi (links) ist zwar erst 21, doch längst mehr als nur ein Talent. In der Bundesliga ist er zum Stammspieler in M'Gladbach gereift, spielte fast immer. Sein großes Plus lautet Flexibilität: Er kann sowohl innen als auch außen verteidigen. Und langsam ist er auch nicht.
AP
Joel Campbell, Costa-Rica, Rechtes Mittelfeld. Es war doch schon alles angerichtet: Nach der WM 2014 buhlte quasi halb Europa um diesen Spieler, der solch ein Talent hatte. Doch Campbell überzeugte anschließend nicht und landete letzlich bei Betis Sevilla. Nun hat er wieder die Chance zu liefern. Dass er das kann, hat er schon bewiesen.
AP
Luka Jović, Serbien, Sturm. Einer, der die große Bühne genutzt hat, war Jović (unten). Er war der Siegtorschütze im Pokal-Halbfinale gegen Schalke 04 – und somit Türöffner für den Frankfurter Erfolg über Bayern. Jović braucht kein ganzes Spiel um gefährlich zu werden, eine Chance reicht ihm schon – Schalker können dies bezeugen.
Reuters
Marvin Plattenhardt, Deutschland, Linke Verteidigung. Jonas Hector dürfte zwar den Platz links hinten sicher haben, doch für den Fall der Fälle ist Plattenhardt eine mehr als gute Alternative. Bodenständig und diszipliniert erledigt er seine Aufgaben bei der Berliner Hertha. Mit gefährlichen Standards immer eine Option. Der FC Everton hat Interesse bekundet.
dpa
Hirving Lozano, Mexiko, Linkes Mittelfeld. Wenn er zum Antritt ansetzt, ist es meistens schon zu spät für den Gegner. Lozano, der in den Niederlanden bei der PSV Eindhoven spielt, ist der wahrscheinlich schnellste Spieler in dieser WM. Gerade bei Kontern von Mexiko darf man ihn nicht gehen lassen – einen guten Abschluss hat er nämlich auch.
dpa
Victor Lindelöf, Schweden, Innenverteidigung. Vor drei Jahren ging sein Stern bei der U21-EM auf. Lindelöf (links) wurde daraufhin in Benfica Lissabons Herrenmannschaft hochgezogen und verteidigte weiterhin so präzise, dass er vorigen Sommer von Manchester United abgeworben wurde.
dpa
Sung-Yong Ki, Südkorea, Zentrales Defensives Mittelfeld. Ki (rechts) ist einer der wenigen Südkoreaner, die nicht in Asien spielen, sondern in England. Als Kapitän der Auswahl Südkoreas ist er im Mittelfeld gesetzt und immer wieder für Tore gut.
AP
Jan Verthongen, Belgien, Innenverteidigung. Als auffällig unauffällig kann man Jan Verthongen abseits des Platzes beschreiben. Dem Rekordnationalspieler fehlt ein Einsatz in Russland, um den 100er-Club beizutreten. Mit zwei Qualitoren auch durchaus als Abwehrspieler gefährlich.
EPA
Gabriel Gomez, Panama, Zentrales Defensives Mittelfeld. Rekordnationalspieler und defensiv ausgelegter Spieler. Harmoniert mit Kapitän Torres, der das WM-Ticket mit seinem Phantomtor buchte, als Achse hervorragend. Es wird das erste und letzte große Turnier für Gomez (rechts), der mit 34 Jahren seinen Karrierehöhepunkt erlebt.
dpa
Bassem Srarfi, Tunesien, Sturm. Erst 20 Jahre alt und jetzt schon zur WM. Als Back-Up von Wahbi Kazri eingeplant, kann Srarfi (Mitte) mit seiner Spritzigkeit gerade in der Schlussphase als Joker gefährlich werden. Spielte unter Favre bei OGC Nizza und zuvor in England bei Stoke City.
dpa
Trent Alexander-Arnold, England, Rechte Verteidigung. Ohne jegliches Nationalspiel wurde der 19-Jährige (rechts) nominiert. Doch sein kometenhafter Aufstieg bei Liverpool belegt, dass er sehr bald sein Debüt feiern wird. Noch ist er als Back-up zu Kyle Walker eingeplant. Alexander-Arnold lauert auf seine Chance.
Reuters
Kamil Glik, Polen, Innenverteidigung. Es ist schade, dass Glik (oben) für die polnische Auswahl verteidigt, statt für Deutschland, denn er hat auch einen deutschen Pass. Seit 2010 zieht Glik die Fäden in der polnischen Verteidigung, seit 2016 spielt er bei der AS Monaco, wo er regelmäßig überzeugt und 2017 französischer Meister wurde.
dpa
Keita Baldé, Senegal, Linkes Mittelfeld. In Russland wird Kamil Glik auf seinen monegassischen Vereinskollegen Keita Baldé (rechts) treffen. Eigentlich wäre er bei Barcelona zum Topstar gereift, doch wurde er in der Jugendakademie rausgeschmissen, weil er einem Mitspieler Eiswürfel unters Kopfkissen legte.
AP
Luis Muriel, Kolumbien, Sturm. Der nächste pfeilschnelle Angreifer. Muriel (rechts) wird sich mit Carlos Bacca und Radamel Falcao um einen Platz streiten müssen. Ausgang offen. Spielte eine lange Zeit in der italienischen Liga bei Genua, jetzt beim FC Sevilla in Spanien.
dpa
Yoshinori Muto, Japan, Sturm. Wie viele weitere japanische Fußballer hat auch Yoshinori Muto (Mitte) seine Zelte in Deutschland (Mainz 05) aufgeschlagen. Dort überzeugt er regelmäßig. Da Keisuke Honda zuletzt schwächelte, könnte Muto seinen Platz übernehmen. Das Potential dazu hat er.
dpa
Die Wolgograder sehen längst nicht mehr jedes Mahnmal in der Stadt. Was ist zum Beispiel mit dem Luftabwehrgeschütz, das da an einem Bahndamm auf einem Sockel steht? „Ach, das ist mir noch nie aufgefallen“, sagt Natalja, die die zwei Dixi-Klos bewacht, die man für die Fans aufgebaut hat, damit sie sich auf dem langen Weg vom Bezirk Roter Oktober zum Stadion erleichtern können.
„Hier ist doch überall Krieg“, sagt sie und lacht. Ihre zwei Chemieklos stehen innerhalb der riesigen Bannmeile, die an Spieltagen um das Stadion gezogen wird. Der halbe Innenstadtbezirk ist für Autos gesperrt. Darüber regen sich die Bewohner zwar auf, denen man mit einem Betonpoller die Straße versperrt hat, sodass sie gar nicht mehr aus ihrem Viertel herauskommen. Die meisten aber haben Verständnis.
Immer wieder kommt das Gespräch auf die Serie von islamistisch motivierten Selbstmordanschlägen, die Wolgograd 2013 erschütterten. Dabei kamen 40 Menschen ums Leben, Teile des Bahnhofs, der nach dem Krieg im schönsten Stalin’schen Zuckerbäckerstil wieder aufgebaut wurde, wurden bei einem dieser Selbstmordattentate zerstört.
Kann man sich Helene Fischer wünschen?
Und so ist es kein Wunder, dass die Sicherheitskräfte in der Stadt die Taschen ein bisschen genauer untersuchen am Eingang zum Stadion, zum Fanfest und zur Straßenbahn. Im Club Grjaduschka ist man nicht so glücklich über die weiträumigen Absperrungen. Der Barkeeper erzählt, dass man sich mehr WM-Touristen gewünscht hätte. „Wenn man wenigstens mit dem Taxi bis vor die Tür fahren könnte,“ sagt er.
Kurz vor Mitternacht ist jedenfalls noch nichts los. Ein paar russische WM-Touristen aus Belgorod sind da, ein paar unauffällige Einheimische und jede Menge Türsteher. Der Clubsound ist zwar arg gefällig, aber eine wohltuende Abwechslung zu dem ansonsten allgegenwärtigen Russki Pop, der sich so billig anhört, dass Helene Fischer beinahe vergleichsweise symphonisch klingt.
Die Spezialität des Hauses mag zunächst niemand ordern an diesem Tag. Speziell zum Gastspiel der Engländer gegen Tunesien haben die Betreiber des Grjaduschka einen neuen Drink entwickelt. Novichok heißt der, wie das Nervengift, mit dem der Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter in Salisbury umgebracht werden sollten. Giftgrün ist das höchstprozentige Zeug, das bekommt, wer den absolut tödlichen Drink bestellt. Kräuterschnaps, Wodka und Benzin könnten drin sein, so schmeckt es zumindest.
Auf die Frage, was man getrunken habe, gibt der Barkeeper die niederschmetternde Antwort „Novichok, was sonst?“ Zum Runterspülen gibt es Wodka in Pfirsichsirup. 2.000 Rubel kostet das. Wer nicht mehr zur Verfügung hat als die Durchschnittsrente in Russland, könnte sich acht solche Drinks im Monat leisten.
Dass die Stadt nicht reich ist, sieht man. Sie ist ein recht amorphes Gebilde, das sich über 70 Kilometer am Wolga-Ufer entlangzieht. Die Plattenbauten aus Sowjetzeiten wirken wie zufällig über der Stadt abgeworfen und sehen so aus, als hätten sie beim Aufschlagen auf der Erde die Macken abbekommen, die sie so unwohnlich aussehen lassen. Dazwischen stehen Hütten, die wohl ärmlicher aussehen, als sie sind. Es sind die Datschen der Wolgograder, die beinahe mitten in der Stadt ihr Gemüse anbauen. Das ganz Große und das Winzigkleine liegen dicht beieinander. Mit dem neuen Stadion setzt Wolgograd einmal mehr zum Sprung in die Moderne an, an dem die Stadt bis jetzt noch immer gescheitert ist.
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Beim Stahlwerk „Roter Oktober“, jenem legendären Hüttenwerk, das selbst während der Schlacht um die Stadt weiter produziert hat, ist das nicht so gut gelungen. Zwar wird hier immer noch Stahl gewalzt für die russische Rüstungsindustrie, aber die riesigen roten Rauchwolken, die regelmäßig über der Stadt aufsteigen, zeigen, wie sehr das Werk von gestern ist. Während der WM wird im „Roten Oktober“ nicht produziert, weil man nicht will, dass die Rauchwolken ins Stadion ziehen. Den Schutz vor den giftigen Wolken wünschen sich die Wolgograder nicht nur zu WM-Zeiten. Gerichte haben den Stahlproduzenten wegen Verletzung von Umweltauflagen zu Strafzahlungen verdonnert. Die kann der überschuldete „Rote Oktober“ aber nicht leisten und so steht sogar die Pleite des Werks im Raum. Die Arbeiter sind schon auf die Straße gegangen.
Vielleicht gibt es bald eine weitere Industrieruine in der Stadt. Derer gibt es viele. Man war vor der WM damit beschäftigt, die verlassenen Industrieanlagen direkt neben dem Stadion hinter riesigen Planen zu verstecken. Die Fifa-Sponsoren wird’s gefreut haben. So große Werbetafeln hat man ihnen in anderen WM-Orten nicht aufgestellt.
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