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Trump und Kim: historisch, kumpelhaft, vage

Das erste Treffen zwischen einem US-Präsidenten und einem nordkoreanischen Machthaber ist nicht mehr als eine Absichtserklärung. Dennoch weist Pjöngjangs Kurs auf Öffnung

Shaking Hands vor den Flaggen beider Länder: Kim Jong Un und Donald Trump Foto: Saul Loeb/afp

Aus Seoul Fabian Kretschmer

Bereits nach dem ersten Handschlag deutete sich an, dass die beiden Staatschefs gut miteinander auskommen würden: US-Präsident Donald Trump tätschelte Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un die Schulter, dieser erwiderte die Geste mit einem zunächst schüchternen Lächeln. Beide Seiten hatten zudem starkes Interesse daran, das Gipfeltreffen in Singapur vor ihrem Volk als Erfolg zu verkaufen.

Der ganz große Wurf ist es dann letztlich doch nicht geworden. Dafür war die nur vier Punkte umfassende Absichtserklärung zu wenig konkret. In ihrer Symbolhaftigkeit lässt sie sich in etwa vergleichen mit der gemeinsamen Stellungnahme, die bereits Südkoreas Präsident Moon Jae In am 27. April mit Kim beim ersten gemeinsamen Treffen im Friedensdorf Panmunjom abgegeben hat: Der gute Wille wurde öffentlichkeitswirksam demonstriert. „Aus Gegnern können Freunde werden“, jubelte Trump regelrecht bei der Unterzeichnung des zweiseitigen Papiers im Singapurer Fünfsternehotel. Ein konkreter Fahrplan blieb jedoch aus.

Die wohl wichtigste Einigung aus Singapur stellt Nordkoreas Verpflichtung dar, auf eine vollständige nukleare Abrüstung hinzuarbeiten. Dies ist jetzt schwarz auf weiß festgehalten, mehrere tausend akkreditierte Journalisten und die Weltöffentlichkeit sind Zeuge.

Natürlich haben beide Staaten in der Vergangenheit auf eindrückliche Weise demonstriert, wie wenig internationale Abkommen wert sind; Absichtserklärungen schon gar nicht. Dennoch fielen die internationalen Reaktionen weitgehend positiv aus: Japans Premierminister Shinzo Abe hielt es für „von großer Bedeutung“, dass Kim sich vor Trump zur vollständigen Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel bekannt habe. UN-Generalsekretär António Guterres unterstützte ebenfalls die Absichtserklärung des Gipfeltreffens. Dessen Umsetzung würde jedoch die Geduld der internationalen Gemeinschaft erfordern. Aus China heißt es gar, Kim Jong Un und Donald Trump würden „eine neue Geschichtsschreibung“ kreieren. Ebenso spielte ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums darauf an, dass die internationale Gemeinschaft die Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea lockern könne: „Die Sanktionen seien kein Ziel, sondern eine Maßnahme“.

Tatsächlich hat Kim Jong Uns Singapur-Aufenthalt deutlich gemacht, dass er einen neuen Kurs einschlagen möchte, dessen oberste Priorität die wirtschaftliche Entwicklung des Landes darstellt.

Korea: seit 1953 ohne Friedensvertrag

Der Krieg

Der Koreakrieg (1950–53) begann mit einem Angriff des kom­munistischen Nordens auf den Süden. Die USA griffen zugunsten Seouls ein, China auf Seiten Pjöngjangs. Der Krieg endete un­entschieden mit einem Waffenstillstand. Es gibt keinen Friedensvertrag.

Die Atomwaffen

Bis in jüngste Zeit haben die USA Nordkorea immer wieder den Einsatz von Atomwaffen angedroht. Auch Nordkorea begann ein Atomprogramm, offiziell zur Energiegewinnung. 1994 gab es ein Abkommen, das Programm unter internationale Aufsicht zu stellen. Dafür sollte Nordkorea Öl und einen Atomreaktor erhalten, der nicht zur Waffenproduktion taugt. Nordkorea und die USA hielten sich nicht an das Abkommen. Seitdem führte Nordkorea sechs Atomtests durch und behauptet, seine Atomwaffen könnten die USA erreichen. (han)

Noch am Vorabend des Gipfels hat der Despot sein Hotel verlassen und sich auf eine Sightseeingtour durch den Stadtstadt kutschieren lassen, die nächtlichen Aussichtsplattformen der neonleuchtenden Wolkenkratzer genossen und auch den hocheffizienten Hafen besichtigt. Nordkorea könne viel „von der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Singapurs lernen“, sagte Kim während des Ausflugs. Noch erstaunlicher war: Genau so vermeldete es auch die staatliche Nachrichtenagentur KCNA.

Selbst die Titelseite der größten Tageszeitung des Landes druckte die Fotos ab, auf denen Kim vor der geradezu dekadenten Skyline Singapurs posiert. Solch eine Offenheit ist bemerkenswert für ein Land, das laut dem Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen auf dem letzten (!) von 180 Plätzen rangiert. Am nächsten Tag übertrug das Staatsfernsehen das Treffen mit Trump nahezu live.

Auch sonst war die Kommunikation unkonventionell: Die konkreten Maßnahmen des Gipfels wurden auf Trumps Pressekonferenz im Anschluss bekannt gegeben: Kim sei bereits im Gange, eine weitere Raketentestanlage zu schließen. Trump hingegen erwähnte fast beiläufig, die „Kriegsspiele“ einstellen zu wollen. Gemeint sind die halbjährlich stattfindenden Militärübungen der südkoreanischen und US-Streitkräfte, die Nordkorea in der Vergangenheit wiederholt als Kriegserklärung gewertet hat.

Im Seouler Stadtzentrum wurde Trumps Zugeständnis mit gemischten Gefühlen wahrgenommen: „Natürlich soll­ten wir irgendwann vollständig unabhängig sein und auf einen Abzug der US-Soldaten in Südkorea pochen“, sagt beispielsweise Kim Sang Jin, der als Musikprofessor an der renommierten Seouler Nationaluniversität lehrt. Anders sieht das Oh Jin-hyun, Mitte 60, Betreiber eines kleinen Shops: „Auch wenn die Stimmung jetzt friedlich zwischen Nord und Süd ist, haben wir doch unser eigenes Recht auf Verteidigung. Von daher finde ich nicht, dass wir die Militärübungen mit den US-Streitkräften aufgeben sollten.“ Sein wichtigstes Anliegen sei jedoch, dass die Angehörigen der im Koreakrieg (1950–53) getrennten Familien bald die Möglichkeit eines Wiedersehens bekommen.

Von südkoreanischen Konservativen wurde der Stopp der Militärübungen wie zu erwarten scharf kritisiert. „Südkoreas nationale Sicherheit steht an der Kippe zu einer Krise“, twitterte etwa Hong Joon Pyo, Sprecher der rechtsgerichteten Freiheitspartei Koreas. Mit seinen wirren Verschwörungstheorien hat er jedoch seine Partei bereits ins politische Abseits gestellt: So verglich er die jetzige Situation in Korea mit „München 1938“ und wollte so auf die Gefahr einer nordkoreanischen Invasion hinweisen.

Am heutigen Mittwoch finden in Südkorea auch Kommunalwahlen statt, die vollkommen im Schatten der innerkoreanischen Annäherung stehen. In Umfragen dürfte das erzkonservative Lager nur auf rund 20 Prozent kommen. „Moon Jae In könnte laut Umfragen eine linke Mehrheit im Parlament bekommen und so auch seine Nordkorea-Politik in Gesetzen manifestieren“, sagt Sven Schwersensky, der das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Seoul leitet: „Diese Kontinuität könnte Kim Jong Un Vertrauen geben.“

Bislang nämlich haben beide politischen Lager jeweils ihre Nordkorea-Politik torpediert. Präsident Moon würde laut Korea-Experte Schwersensky beeindruckt auf das historische Deutschland schauen, wo selbst Helmut Kohl die Ostpolitik von Willy Brandt weitgehend fortgeführt hat. „Wichtig ist, dass die beiden Seiten überhaupt einmal miteinander geredet haben“, sagt Hong Dong-min, ein 37-jähriger Büroangestellter, beim Warten auf dem Bus in ­Seoul. Trump würde zwar die Ergebnisse deutlich überbewerten, aber dennoch habe er zumindest einen dynamischen Prozess in den verkrusteten Konflikt gebracht: „Letztendlich sehe ich den Gipfel vor allem als Beginn einer langen Konversation an, die nun aktiv weitergeführt werden muss.“

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