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Meinungsfreiheit in DänemarkHaftstrafe für „Fuck Trump“-Ausruf?

Ein 16-Jähriger soll sich für seinen Ausruf während einer Demo vor Gericht verantworten. Der Polizei werden Misshandlungen vorgeworfen.

Diesen Mann zu beleidigen soll die öffentliche Ordnung gefährden Foto: reuters

Stockholm taz | Es war eine friedliche Demonstration, zu der sich rund 2.000 Menschen am 8. Dezember 2017 vor der Botschaft der USA in Kopenhagen versammelt hatten. Ihr Protest galt dem Beschluss des US-Präsidenten, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen und die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Ein großes Polizeiaufgebot sei zur Stelle gewesen, berichteten die abendlichen Nachrichtensendungen, es habe aber nur „Rangeleien“ gegeben.

Für Tarek Adlouni war es eine folgenreiche „Rangelei“. Der 16-Jährige glaubte, bei dieser Demonstration seine Meinung äußern zu dürfen. Er rief: „Fuck Donald Trump!“, woraufhin er nach eigener Schilderung von mehreren Polizeibeamten zu einem Polizeibus gezerrt wurde. In dem sei er mit Handschellen gefesselt, mit Schlagstock und Fäusten geprügelt, als „Kanake“ und „Muslimschwein“ beschimpft, zum Polizeirevier Station City gebracht und da in eine Zelle gesperrt worden.

Als Tareks Mutter, Iman Adlouni, ihren Sohn später im Revier abholen will, bekommt sie einen Schock, als sie die Spuren der Misshandlungen in seinem Gesicht sieht. Sie werde ihn zum Arzt bringen und Anzeige erstatten, kündigt sie an. Sie sei ebenfalls festgenommen und trotz ihrer Proteste im Beisein männlicher Beamter teilweise entkleidet und von einer Polizeibeamtin einer Leibesvisitation unterzogen worden. Anschließend habe man sie in eine Zelle gesperrt: Da könne sie Weihnachten verbringen, ohne ihre Kinder. Die werde man ihr sowieso wegnehmen. All das geschieht im Beisein ihres Sohnes und ihrer 11-jährigen Tochter.

Auch wenn seither über fünf Monate vergangen sind, hat die Polizei diese Darstellung bislang nicht bestritten: Es laufe ein Verfahren vor der internen Untersuchung, man wolle daher nicht Stellung nehmen. Und Tarek Adlouni hat eine Anklageschrift bekommen: Das „Fuck Donald Trump“ sei ein „störendes und beleidigendes Verhalten“ gewesen, das „geeignet war, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören“. Dafür drohen bis zu 6 Monate Haft.

Der Geschichte von Tarek Adlouni widmete Dänemarks Rundfunk vergangene Woche eine Dokumentation mit dem Titel „Wenn das Vertrauen in die Polizei schwindet“. Darin stellen Strafrechtsexperten und Anwälte das Verhalten der Polizei als völlig unangemessen ebenso infrage wie die Einschätzung der Anklagebehörde, der Ausruf „Fuck Trump“ könne eine strafbare Handlung sein. Rosa Lund, rechtspolitische Sprecherin der linken Einheitsliste, möchte nun in einer parlamentarischen Anfrage von Justizminister Søren Pape Poulsen wissen, wie es um sein Vertrauen in Polizei und Staatsanwaltschaft steht.

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3 Kommentare

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  • Machen wir uns doch nichts vor. Wie weit Meinungsfreiheit oder Kunstfreiheit gehen kann und darf, zeigte Böhmermann, als er den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan mit ziemlichen allem Unappetitlichen bezeichnete was der deutsche Wortschatz so her gab. Hätte er das selbe mit Banjamin Netanjahu getan, wäre Böhmernann zur max. Strafe verurteilt worden.

    Das „Fuck TRUMP“ eine Straftat sein soll, liegt einzig und allein für mein dafürhalten nur mit der Tatsache zusammen, dass dieses „Fuck TRUMP“ eben mit einer israelkritischen Demo in Verbindung stand. Ansonsten hätte sich kein Mensch über das „Fuck TRUMP“ aufgeregt.

  • Ich verfolge die Lage in Dänemark relativ interessiert, lese täglich dänische Medien. Ich kann leider nur sagen, daß so etwas nicht mehr ungewöhnlich ist. Die Mentalität in Dänemark ist seit Jahren immer kleinkarierter und provinzieller geworden, die Ausländerfeindlichkeit ist sehr stark. Die rechtspopulistische "Dansk Folkeparti" steht dort bei 20 Prozent und Konservative wie Sozialdemokraten bedienen sich ungehemmt im rechtsextremen Sandkasten. Das sozialdemokratische Vorzeigeland Dänemark gibt es nicht mehr.

     

    Die Angst vor Muslimen und sogenannten "Ghettos" ist riesig. So soll nun gewissen Leuten verboten werden, in Gegenden zu wohnen, die der Staat als Ghetto klassifiziert. Gerade letztens schlug "Integrationsministerin" Inger Støjberg wieder vor, Muslime sollten doch im Ramadan lieber Urlaub nehmen, denn ein fastender Busfahrer sei ja gefährlich.

     

    Polizeiwillkür ist auch normal: So wurden beispielsweise Pro-Tibet-Demonstranten vor einigen Jahren bei einem chinesischen Staatsbesuch beinahe wie Kriminelle behandelt. Man erhoffte sich lukrative Deals mit China, da mußte alles konform aussehen.

     

    Die Trumpsache ist symptomatisch: Dänemark sucht sein Heil in Anbiederung an die USA, noch sehr viel stärker als Deutschland das jemals getan hat. Kuschelkurs ist noch eine harmlose Beschreibung. So will DK beispielsweise unbedingt die F-35-Kampfflugzeuge kaufen, um sich als verläßlicher Partner zu profilieren. Auch am "Raketenabwehrschild" beteiligt DK sich begeistert. Und man möchte demnächst mal einen Haufen Nato-Flugzeuge im Wattenmeer Krieg üben lassen. Die Trump-Kritik (und die US-Kritik allgemein) fällt dort sehr viel leiser aus als in Deutschland. Man hat den Eindruck, Dänemark hat Komplexe wegen seiner Kleinheit, aber auch große Ansprüche.

     

    Fremdenfeindlichkeit und allgemeines Mißtrauen gegenüber allem, was anders ist, ist mittlerweile ein systematisches Problem in Dänemark. Tip: Urlaub lieber woanders verbringen, wenn man nicht konform aussieht.