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Hamburger Mieten steigen weiterDie Nischen verschwinden

Die Mieten sind trotz Wohnungsbauprogramms und Mietpreisbremse auf einem Rekordniveau gelandet. Nun steigt der Druck auf bisher nicht so gefragte Stadtteile.

Hilft nicht recht gegen die Mietpreisentwicklung: Wohnungsbau in Hamburg Foto: dpa

HAMBURG taz | Wer in Hamburg eine Wohnung sucht, muss derzeit im Schnitt mit einem Mietpreis von 13,24 Euro pro Quadratmeter rechnen. Zu diesem Ergebnis kommt die Wohnungsmarkt-Untersuchung des Gymnasiums Ohmoor, die die SchülerInnen am Mittwoch beim Mieterverein zu Hamburg präsentierten. Die Neuvertragsmieten sind danach im ersten Quartal 2018 um 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr (12,68 Euro) gestiegen.

Betrachtet man die Untersuchungsergebnisse der vergangenen neun Jahre, so haben sich die Angebotsmieten in und um Hamburg um rund 31 Prozent erhöht, von 10,10 Euro (2009) auf derzeit 13,24 Euro pro Qua­dratmeter. Damit stiegen sie fast drei Mal so schnell wie die allgemeinen Lebenshaltungskosten, die in diesem Zeitraum um gerade mal zwölf Prozent stiegen. Die finanzielle Mehrbelastung für MieterInnen ist alarmierend: Sie müssen heute im Schnitt rund drei Euro mehr pro Quadratmeter aufbringen als noch 2009.

Der vor allem durch das Hamburger Bevölkerungswachstum verursachte Preisanstieg konnte damit weder durch die städtische Wohnungsbauoffensive noch durch die Mietpreisbremse verlangsamt werden. „Der Neubau alleine wird den Mietenanstieg auf absehbare Zeit nicht stoppen. Die Politik muss endlich dafür Sorge tragen, dass der Mietenanstieg gedeckelt wird“, fordert Mietervereinschef Siegmund Chychla.

Obwohl die Neuvertragsmiete laut Mietpreisbremse höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf, zeigt die Studie der SchülerInnen, dass sie derzeit fast 60 Prozent über dem Durchschnittswert von 8,44 Euro des Mietenspiegels liegt. Selbst für Normalverdiener fast unbezahlbar. „Dringend benötigte Fachkräfte finden in Hamburg keine bezahlbare Wohnung mehr, sie werden mit diesen Mieten sogar aus der Stadt gedrängt“, sagt Chychla.

Die höchsten Angebotsmieten fanden die SchülerInnen in der Altstadt (20,91 Euro), der Hafencity (18,09 Euro) und St. Pauli (17,65 Euro). In der Altstadt und in St. Pauli kletterten die Mieten mit fast 30 bzw. fast 25 Prozent binnen eines Jahres besonders stark. Denn besonders die zentralen innerstädtischen Quartiere sind gefragt, auch die Mieten in Altona, wo die Wohnungen des neuen Stadtteils Neue Mitte gerade auf den Wohnungsmarkt kommen, stiegen die Angebotsmieten um gut 19 Prozent.

Die Ohmoor-Studie

Die Studie wird im Geografiekurs der Studienstufe des Gymnasiums Ohmoor erarbeitet und wird seit 1986 jedes Jahr vorgestellt.

Insgesamt haben die Schüler und Schüler fast 5.000 Wohnungsinserate verschiedener Online-Immobilienportale ausgewertet – 2.630 Angebote aus Hamburg, und 2.140 aus dem Umland.

Ausgewertet werden Angebote, die zwischen Mitte Januar und Mitte März 2018 im Netz standen. Verglichen werden die in den Inseraten angebotenen Nettokaltmieten.

Ob die Mietabschlüsse auf diesem Niveau auch zustande kommen, ist unbekannt.

Aber auch bislang weniger beliebte Stadtteile verzeichnen exorbitante Mietpreissprünge. In Allermöhe, Steilshoop und Rothenburgsort beispielsweise stiegen die verlangten Nettokaltmieten innerhalb eines Jahres um jeweils über 20 Prozent. Weil hier die Mieten mit rund zehn Euro pro Quadratmeter in 2017 noch bezahlbar waren, entstand in diesen Vierteln der größte Druck auf den Wohnungsmarkt. Heute liegen die Nettokaltmieten der angebotenen Wohnungen auch hier bei rund zwölf Euro.

Wer in der Stadt keine bezahlbare Wohnung mehr findet zieht ins Hamburger Umland und auch diese Tendenz spiegelt sich in den Ergebnissen der Untersuchungen wieder. Im Umland verteuerte sich der Wohnraum auf 9,19 Euro pro Quadratmeter im Monat. Damit stiegen die Neuvertragsmieten mit 7,6 Prozent noch stärker als in Hamburg.

Eine weitere Aussage der Studie: Innerhalb des vergangenen Jahres halbierte sich die Zahl der Hamburger Mietwohnungsinserate bei den großen Immobilienportalen. Immer mehr Wohnungen gehen wegen der großen Nachfrage offenbar unter der Hand weg, kommen also gar nicht erst auf den Markt.

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2 Kommentare

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  • Ich zahle inzwischen 73% meiner Rente für die Miete (1 / 1/2 Zimmer, 47 m²).

    Diese habe ich ohne irgendeine Hilfe aus der Obdachlosigkeit heraus gefunden.

    Sie ist seit über sieben Jahren nur mit Sperrmüll möbliert.

    Ich verspreche, im Falle meiner Zwangsräumung mit Messern abzuwarten ...

  • Die SPD hat es verschlafen, wirklich wecken mochten die Grünen auch nicht und nun steigen die Mieten, findet eine soziale Selektion statt, wer in der Stadt leben darf und wer nicht. Schlechte Karten haben Hartz-IV-Empfänger, denn sie erhalten das Geld vom Jobcenter und werden bei Überschreitung aufgefordert auszuziehen, machen somit Wohnungen für den freien Martk frei - entsprechend beliebt ist diese Idee bei Vermietern. Die SPD hat es verpennt - sie haben gespart, das Geld in der Kasse war ihnen heilig, jetzt ziehen Normalmieter aus der Stadt und entfallen damit auch als Wähler. Aber machen wir uns nix vor: Genau dies lobte Scholz. Er setzte auf den freien Markt, er führte die CDU-Politik in diesem Segment fort und ignorierte Zahlen, historisches Wissen und überhaupt hat diese Regierung keine soziale Idee der Stadtentwicklung mehr. Jedes Jahr fallen Wohnungen aus der Sozialbindung - so einfach ist das. Wer nicht dagegen anbaut, der befeuert den Mietmarkt, stützt den Markt für Käufer und Investoren. Und die pressen raus, was geht, sieh es geht eine Menge. Es wird nicht bei dieser Analyse bleiben, es wird noch deutlicher und stärker sich so entwickeln, am Ende werden die Genossenschaften und die SAGA/GWG dem sogar folgen.