Eishockey-Meisterschafts-Finale: Underdogs im Sommernachtstraum
Am Donnerstagabend könnten die Berliner Eisbären zum ersten Mal seit 2013 wieder Meister werden. Doch selbst ohne Titel war das eine Saison der Superlative.
Die Eisbären können heute schaffen, was im Sport gern als „Wunder“ bezeichnet wird. Wenn sie in München gewinnen, werden die Berliner doch noch Deutscher Meister im Eishockey. Nach drei Niederlagen in den ersten vier Spielen hatte das kaum noch jemand erwartet.
Selbst die eigenen, normalerweise lauten Fans verloren nach dem scheinbar uneinholbaren 1:3-Rückstand vor einer knappen Woche zwischenzeitlich kurz die Sprache und verließen verdrossen schweigend die Halle am Ostbahnhof. Aber jetzt, nach zwei hart erkämpften Siegen hintereinander, zuletzt am Dienstag 5:3-Heimsieg, steht es nun nach Spielen 3:3 und im Spiel sieben fällt die Entscheidung.
Es ist also wirklich spannend. Wie bei der überraschenden Siegesserie der deutschen Silbermedaillengewinner bei den Olympischen Spielen im Februar interessieren sich plötzlich auch solche fachfremden Menschen für Eishockey, für die ein Puck bisher keine Scheibe, sondern eine Figur aus Shakespeares Sommernachtstraum gewesen ist. Den erleben jetzt die Eisbären: Auch bei Badewetter in Berlin sind alle Spiele ausverkauft.
Das eigentliche Wunder aber ist nicht der sportliche Erfolg, der dem Hauptstadtklub in ähnlicher Weise auch früher schon gelungen ist. Wirklich fantastisch ist vielmehr, dass die Eisbären in dieser Finalserie als Underdogs wahrgenommen und entsprechend gefeiert werden.
Auch zugereiste Eishockey-Fans mit fränkischem Migrationshintergrund und ehemalige Juso-Funktionäre aus Hannover stehen deshalb jetzt auf der Tribüne und schreien „Wir wollen die Eisbären sehen!“ Wie kann das sein? Woher kommt so viel Begeisterung, ja geradezu uneingeschränkte Solidarität für einen Verein, der seit Jahren von einem amerikanischen Milliardär finanziert wird und der seine Heimspiele in einer „Mercedes Benz Arena“ austrägt?
Das liegt zum einen an dem Bedürfnis vieler, wenigstens für zwei, drei Stunden die harte kapitalistische Realität zu vergessen und in Nostalgie zu schwelgen. Und an der Fähigkeit des Eisbären-Managements, dieses Bedürfnis geradezu genial zu bedienen: Wer denkt an die Millionen des Vereinsbestimmers aus den USA, wenn das Vereinslied von den Puhdys und die Nationalhymne von Silly gespielt wird? Wer möchte über die hohen Gehälter der zahlreichen Neuzugänge aus Kanada sinnieren, wenn die Mannschaft im traditionellen Weinrot des guten alten SC Dynamo antritt? Die Fans in der Kurve jedenfalls bestimmt nicht, denen der Klub auch nach dem Umzug aus dem „Wellblechpalast“ in Hohenschönhausen bezahlbare Stehplätze anbietet.
Wie, das alles überzeugt Sie nicht? Dann gibt es zum Glück ein Feindbild, das alle Klischees toppt: den Gegner Red Bull München. Wer da nicht „Dynamo!“ schreit, muss auf die Strafbank.
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