Deutsches Eishockey-Team bei der WM: Possierliche Pinscher auf dem Eis

Die deutschen Eishockey-Helden sind nach zwei WM-Niederlagen zurück in der Realität. Aber sportlicher Erfolg ist nicht alles, was zählt.

Der deutsche Torhüter Timo Pielmeier liegt in einem gelben Trikot auf dem Boden vor dem Tor. Er hat gerade einen Treffer kassiert, die Scheibe liegt hinter der Linie

Auf dem Boden der Tatsachen: Der deutsche Torhüter Timo Pielmeier kassiert gegen Norwegen Foto: dpa

BERLIN taz | „Wir sind immer noch ein kleines Eishockeyland“, hat Nationalspieler und Star Leon Draisaitl demütig vor dem WM-Start gesagt. Das klang ein bisschen nach Insel mit zwei Bergen, dabei formulierte er nur laut, was heimlich alle wussten: Eine olympische Silbermedaille macht keinen Sommer, und macht auch kein Erreichen des WM-Viertelfinals in Dänemark. Deutschland befindet sich in einer Gruppe mit Größen wie den USA, Kanada und Finnland, hat aber zunächst die vermeintlich machbaren Spiele gegen Dänemark und Norwegen verloren.

Zwei Niederlagen gegen mittelmäßige Gegner später also ist die Realität jetzt in Deutschland auch öffentlich wieder angekommen. In Neu-Lorbeerland werden weiter mittelkleine Brötchen gebacken, und Marco Sturms Team bewegt sich durchs Turnier wie ein possierlicher Pinscher, der um seinen Platz weiß. Er kläfft nicht mal.

„Über das Viertelfinale brauchen wir im Moment nicht zu reden“, sagt der Bundestrainer, demütig wie Draisaitl, vor dem dritten Spiel der Vorrunde gegen die überfavorisierten USA. Etwas Enttäuschung war dann doch spürbar über die Art und Weise, wie schnell und unglamourös in der Vorrunde Endstation Sehnsucht sein könnte. Denn es ging und geht noch um etwas anderes als ein schnödes Viertelfinale. Es geht um die große Währung im kommerzialisierten Sport: Relevanz.

Der Mai ist die Zeit der großen Triumphe und Dramen im Entertainment-Zirkus Fußball-Bundesliga. Und gleichzeitig auch Entscheidungszeit überall da, wo es ein bisschen wehtut, hinzugucken, weil es nun wirklich fast niemanden interessiert. Wo der 1. FC Bischmisheim gerade zum achten Mal deutscher Meister geworden ist. Bischmisheim tritt im Badminton an, und die Stadt liegt im Saarland, der Gegend, die man aus dem Satz „in etwa die Größe des Saarlandes“ kennt.

Im Tischtennis haben die deutschen Herren um Timo Boll am Sonntag im WM-Finale gegen China gespielt und zum x-ten Mal verloren, aussichtslos wie im Ballerspiel gegen den übermächtigen Endboss. Wie sexy ist es, sich so was anzugucken? Und ein bundesweit irrelevantes Saisonfinale feierten auch die vier Fans des FC Oberlausitz Neugersdorf, die am Sonntag bierbeseelt im Regionalexpress von Neustrelitz saßen, nachdem sie am vorletzten Spieltag in der Fußball-Regionalliga Nordost einen 3:1-Auswärtssieg gefeiert hatten, und darüber ausführlich mit einem Pudel redeten.

Eine gewisse Unkonventionaliät

Wann also ist ein Sportereignis bedeutsam? Wenn ganz Deutschland darüber schreibt, wenn es spektakulär ist? Bindet es dann Zuschauer? Oder, wenn es eine persönliche Bedeutung für den Einzelnen schafft, eine gute Geschichte erzählt? Wer das kann, ist von Erfolg und Ligazugehörigkeit unabhängiger.

Die konventionelle Zugang zur Popularität sollte fürs Eishockey ein guter Auftritt beim WM-Turnier sein. Erst die deutsche Silbermedaille bei den Winterspielen, dann das dramatische Ligafinale, und dann die Sequel der Olympiastory: Das klang gut. Beim deutschen Auftaktspiel der Eishockey-WM schalteten ja auch 800.000 Bundesbürger zu. Putzig im Vergleich zu den 16 Millionen beim Auftakt der letzten Fußball-WM, aber, so jubelte der Sender, die beste Einschaltquote überhaupt bei einem WM-Auftaktspiel der deutschen Eishockey-Herren im Ausland. Alle zufrieden.

Erfolg ist sexy. Zwei Niederlagen im Penaltyschießen nicht mehr so. Dafür aber hat das Team von Marco Sturm ja auf nationaler Ebene eine gewisse Unkonventionalität: die Mannschaft ist nichts von alldem, was das fußballerisch geprägte Klischee des Deutschen von einer deutschen Nationalmannschaft erwarten lässt. Nicht effizient, nicht gnadenlos kaltschnäuzig, und nicht mal gut in Penaltys. Dafür aktuell mit einem Hang zu Drama, Scheitern und Tragik. Auch das lässt sich ja erzählerisch verwerten. Das deutsche Eishockey muss also nur das hinkriegen, was viel schwieriger ist als Punkte: eine gute Geschichte erzählen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.