Kriminalität in Berlin-Kreuzberg: Der Kotti kommt zur Ruhe
Vor zwei Jahren erwarb sich das Kottbusser Tor bundesweit den Ruf als gefährlicher Ort. 2017 gingen Gewalt und Taschendiebstahl zurück.
Das Kottbusser Tor polarisiert. Spätestens seit 2016 hat der Kreuzberger Platz seinen Ruf auch bundesweit weg: Der Kotti sei ein „Zentrum der Gewalt“, schrieben damals viele Medien, ein Ort voll von Dealern, Junkies, Gewalttätern und Männern, die Unschuldige antanzen und bestehlen. Tatsächlich war die Zahl von Taschendiebstählen und Gewalttaten gestiegen. „Kippt der Kotti?“, lautete der Titel einer Podiumsdiskussion vor Ort. Viele AnwohnerInnen fanden die Aufregung übertrieben. Doch etwas blieb hängen: Noch heute fragen Freunde aus München, wie man nur in der Nähe dieser Vorhölle leben könne.
Der Kotti kommt zur Ruhe, ein bisschen zumindest, so kann man die Entwicklung des vergangenen Jahres zusammenfassen. Für die Lautstärke in den umliegenden Clubs gilt das sicherlich nicht, wohl aber für die Kriminalität: Im Verlauf des Jahres 2017 sanken die von der Polizei erfassten Gewaltdelikte, und auch die Diebstähle wurden deutlich weniger. Das geht aus Zahlen hervor, die die Innenverwaltung auf Anfrage der Grünen jetzt veröffentlicht hat.
Demnach registrierte die Polizei im Januar 2017 noch 54 Fälle von Körperverletzung, 44 im März. Im Verlauf des Jahres nahmen die Zahlen ab: Im September erfasste die Polizei 12 Fälle von Körperverletzung. Seitdem stiegen die Zahlen zwar in manchen Monaten wieder an, aber nicht mehr so stark. Im Januar dieses Jahres gab es 23 Vorgänge dieser Art, im Februar waren es 21. Auch geraubt wurde weniger: Im März 2017 registrierten die Polizisten noch 10 Fälle, im Februar dieses Jahres erfassten sie nur mehr 2 Fälle.
Beim Taschendiebstahl sieht die Entwicklung ähnlich aus. Erfuhren die Beamten im März 2017 noch von 67 fehlenden Geldbeuteln, Taschen und Handys, waren es ein Jahr später lediglich halb so viele.
Selbst der Drogenhandel, der am Kotti eine langjährige Tradition hat – ganz unabhängig von der medialen Aufregung 2016 –, ging zurück: von 41 Registrierungen des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln im Februar 2017 auf 25 Fälle ein Jahr danach.
Die Delikte fanden nach Angaben der Polizei vermehrt am Wochenende statt. Wen wundert’s, schließlich überschwemmen an diesen Tagen die Feierwütigen den Kiez. Die Haupttatzeiten fielen „insbesondere auf die Nacht Freitag / Samstag“, schreibt die Innenverwaltung.
Schon bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik für 2017 hatte sich Innensenator Andreas Geisel (SPD) im März gefreut, dass die verstärkte Präsenz der Polizei am Kottbusser Tor offenbar Wirkung gezeigt habe. Im Laufe des Jahres fuhren die Beamten ihre Schwerpunkteinsätze zurück, von 49 im März 2017 auf 18 ein Jahr danach.
Gut möglich also, dass der Kotti in Zukunft wieder mehr mit seiner Urbanität, als Verkehrsknotenpunkt und Partyort Schlagzeilen machen wird. Straftaten gibt es zwar weiterhin. Aber ein bisschen Vorhöllengrusel gehört zum Ruf eines großstädtischen Orts wohl dazu.
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