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Der lange Weg zur Chemie-Untersuchung

Erst nach mehrtägiger Verzögerung dürfen internationale Chemiewaffen-Experten indas syrische Douma, um den Berichten über einen Giftgasangriff am 7. April nachzugehen

Die Ankunft der Chemiewaffenexperten in der syrischen Hauptstadt Damaskus am vergangenen Samstag Foto: Ali Hashisho/reuters

Von Beate Seel

Nach einer dreitägigen Blockade sind nach Angaben der syrischen Staatsmedien die Experten der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) am Dienstag in der Stadt Douma in der ehemaligen Rebellenhochburg Ost-Ghouta bei Damaskus eingetroffen. Sie sollen dort Berichten über einen Einsatz von Chemiewaffen vom 7. April nachgehen. Damals war Douma noch in der Hand von Rebellen. Medizinischem Personal, Rettungskräften und Aktivisten zufolge kamen mehr als vierzig Personen ums Leben, als am Abend des 7. April zwei Chlorgasbomben in ein Gebäude in Douma einschlugen. Einige der Berichte legten auch einen Einsatz des Kampfgiftes Sarin nahe.

Die neun OPCW-Experten halten sich bereits seit Samstag in Syrien auf, doch Russland hatte eine Weiterfahrt nach Douma zunächst mit dem Hinweis auf eine fehlende UN-Genehmigung abgelehnt, dann wegen „Sicherheitsproblemen“. Stattdessen hatten die syrischen Behörden dem OPCW-Team angeboten, 22 Personen zu befragen, die den Angaben zufolge am Ort des Geschehens waren und die nach Damaskus gebracht werden könnten.

Die syrische und die russische Führung bestreiten, dass überhaupt chemische Waffen in Douma eingesetzt wurden, und sprechen von einer Inszenierung durch die lokale Zivilschutzorganisation Weißhelme. Unterstützt wurde diese Version am Dienstag durch einen Bericht des britischen Journalisten Robert Fisk, der noch vor dem OPCW-Team in das mittlerweile von der Regierung kontrollierte Douma reisen durfte und dort einen Arzt sprach, der ihm von einer Inszenierung berichtete, selbst aber nicht Zeuge des Geschehens war.

Die USA werfen Russland vor, Spuren eines Einsatzes chemischer Kampfstoffe verwischt zu haben. Die französische Regierung ging am Dienstag davon aus, dass alle Beweise hinsichtlich eines Chemiewaffenangriffs vor der Ankunft der internationalen Experten längst beseitigt sein werden.

Frankreich geht davon aus, dass alle Beweise längst beseitigt sein werden

Denn beim Eintreffen der Inspektoren in Douma ist der mutmaßliche Chemiewaffeneinsatz schon elf Tage her. Zu diesem Zeitpunkt ist es jedoch immer noch möglich, Proben für eine Analyse zu sammeln. Die OPCW-Untersuchung hat allein zum Ziel zu bestätigen, ob chemische Kampfstoffe zum Einsatz kamen und wenn ja, welche. Ein Mandat zur Identifizierung der Täter hat sie nicht.

Nach dem Abzug der meisten Zivilisten und Rebellen aus der Ost-Ghouta richtet sich nun der Blick auf weitere Gebiete im Großraum Damaskus, die noch von oppositionellen Gruppen kontrolliert werden. Dabei handelt es sich zum einen um die Bergregion Ost-Kalamun, die 50 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt liegt, zum anderen um vier Städte südlich der Altstadt von Damaskus, die nach wie vor von Rebellengruppen kontrolliert werden, die der Freien Syrischen Armee (FSA) nahestehen. Westlich von diesem Gebiet, in dem etwa 50.000 Menschen leben, liegt eine etwa gleich große Region, die vom „Islamischen Staat“ (IS) kontrolliert wird. Nach der Aufgabe der Ost-Ghouta ist das Schicksal dieser Orte offen, auch wenn deren Belagerung durch syrische Truppen nach einem Abkommen mit der Regierung gelockert wurde.

Unterdessen hat ein angeblich falscher Alarm in der Nacht zum Dienstag offenbar einen Einsatz der syrischen Raketenabwehr ausgelöst. Kurzzeitig hatte es Spekulationen über mögliche israelische Luftangriffe auf mehrere syrische Militärbasen gegeben. Die israelische Regierung teilte mit, „keine Erkenntnis“ von dem Vorfall zu haben. Das Pentagon gab an, es gäbe derzeit „keine US-Einsätze in der Gegend“. Russische Experten untersuchen nun den Vorfall.

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