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Berliner SchulbauoffensiveGroßes Abc mit Howoge

In den nächsten Jahren soll die Wohnungsbaugesellschaft Howoge 29 neue Schulen bauen. Finanzsenator Kollatz-Ahnen widerspricht Privatisierungsvorwurf.

Baustelle Schulbau: In Berlin helfen jetzt die Wohnungsbauer der Howoge bei Sanierung und Neubau Foto: Jens Kalaene/dpa/picture alliance

Dass Berlin dringend neue Schulen bauen muss, ist bekannt. Nun ist auch klar, wie die 5,5 Milliarden teure Schulbauoffensive des Landes im Detail aussehen soll: Die Wohnungsbauer der Howoge sollen nun 29 Neubauvorhaben im ganzen Stadtgebiet übernehmen.

Am Dienstag hat der Senat eine entsprechende Vorlage aus der Finanzverwaltung über den Deal mit der Howoge beschlossen. „Das ist der letzte große Baustein der Schulbauoffensive“, sagte Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). „Wir investieren das 2,5-Fache in die Schulsanierung als in den vergangenen Jahren. Mit der Ho­wo­ge haben wir dafür die nötigen Kapazitäten.“

Man hoffe, über die Ho­woge internationale Großfirmen am Schulbau zu beteiligen, die „bis jetzt noch nicht in Berlin tätig sind“, sagte Kollatz-Ahnen. Eine Liste mit den geplanten Howo­ge-Schulen ist noch nicht öffentlich, liegt der taz aber bereits vor. Auch zehn „Großsanierungen“ mit einem Volumen von jeweils über 10 Millionen Euro soll das landeseigene Wohnungsbauunternehmen stemmen. Insgesamt geht es um einen Betrag von 1,2 Milliarden Euro, den die Howoge mittels Krediten in den Schulbau pumpen will. Die Bezirke bleiben über ein Erbbaurecht Eigentümer der Grundstücke.

Über die Risiken von Krediten und die Übertragung von Schulgebäuden in den Besitz der Ho­wo­ge war in den letzten Wochen immer wieder diskutiert worden: Insbesondere die privatisierungskritische Initiative Gemeinwohl in Bürgerhand wirft Rot-Rot-Grün vor, die Schulen leichtfertig als mögliche Konsolidierungsmasse an die privatrechtlich organisierte Ho­woge zu verscherbeln.

Schulbau – Wer macht was?

Die Howoge Die Wohnungsbaugesellschaft ist für den Neubau von 29 weiterführenden Schulen –also Sekundarschulen und Gymna­sien – zuständig. Außerdem übernimmt sie zehn große Sanierungsvorhaben. Erster Spatenstich für die Howoge-Schulen soll im zweiten Halbjahr 2020 sein.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Diese baut die übrigen der insgesamt 60 neuen (Grundschul-)Standorte, die bis 2026 entstehen sollen. Nach taz-Informationen sind für 15 Stand­orte bereits die Grundstücke geklärt. Außerdem übernimmt sie 21 Sanierungsvorhaben zwischen 5 und 10 Millionen Euro, die die Bezirke nicht selbst machen wollen, sowie 10 Großsanierungen, die jeweils über 10 Millionen Euro liegen. (taz)

„Das wird alles durch Wiederholung nicht richtiger“, konterte ein geduldiger Kollatz-Ahnen am Dienstag in der Pressekonferenz nach der Senatssitzung im Roten Rathaus. Der Gefahr, dass die Howoge sich im Fall einer wirtschaftlichen Schieflage womöglich an Schulbaumitteln gesund sanieren könnte, bestehe nicht: „Da wird es für den Wohnungsbau und den Schulbau zwei komplett unabhängige Rechnungskreise geben.“

So wolle man verhindern, „dass Risiken aus dem Wohnungsbaugeschäft in den Schulbau schwappen und umgekehrt“, sagte Howoge-Geschäftsführerin Stefanie Frensch. „Das ist für unsere Mieterinnen und Mieter ganz wichtig.“ Es soll zudem eine jährliche Wirtschaftsprüfung geben, die dem Abgeordnetenhaus vorgelegt werde.

Das umstrittene Thema Eigentumsverhältnisse wiederum soll durch ein Erbbaurecht geregelt werden. Das heißt, dass die Schulgrundstücke in Landesbesitz bleiben, die Howoge aber das Recht erhält, dort Schulen zu bauen. Die vermietet sie dann an den jeweiligen Bezirk, der wiederum das Geld für die Miete aus der Landeskasse bekommt.

So soll verhindert werden, dass es für die Bezirke teurer wird, den Schulbau über die Howoge zu finanzieren anstatt mithilfe der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, denn die ist ebenfalls am Schulneubau beteiligt (siehe Infokasten).

Standorte Howoge-Schulen

Mitte: Integrierte Sekundarschule (ISS) Pankstr. 70/Orthstr.; ISS Sellerstr. 27-30

Friedrichshain-Kreuzberg: Heinrich-Hertz-Gymnasium Rigaer Str. 81-82 (Erweiterung)

Spandau: ISS Schule an der Jungernheide Lenther Steig 1/3 (Erweiterung)

Tempelhof-Schöneberg: Solling-Schule Alt-Marienfelde 52

Treptow-Köpenick: Gemeinschaftsschule Adlershof

Marzahn-Hellersdorf: ISS Erich-Kästner-Str.; Gymnasium Haltoner Str. 22

Lichtenberg: ISS und Gymnasium Allee der Kosmonauten 20-22; ISS Am breiten Luch 3/Rotkamp 53; Reaktivierung ISS auf dem Campus der HTW Karlshorst

Grundstücksfrage noch ungeklärt

Pankow: Grundschule/ISS Blankenburger Pflasterweg; ISS Heinersdorfer Str. 22; Grundschule/ISS Rangierbahnhof Heinersdorf; ISS Hauptstr. 66

Spandau: Grundschule/ISS Inselstadt Gartenfeld

Tempelhof-Schöneberg: ISS Tirschenreuther Ring 69; ISS Eisenacher Str. 53

Neukölln: Grundschule/ISS Oderstr. 5

Treptow-Köpenick: Grundschule/ISS Güterbahnhof Köpenick, ISS Betriebsbhf. Schöneweide

Lichtenberg: Grundschule/ISS Waldowallee 117

Reinickendorf: ISS Kurt-Schumacher-Quartier

Spätestens nach 33 Jahren sollen die Howoge-Schulen dann automatisch an die Bezirke zurückfallen. Und zwischenzeitlich verkaufen könne die Ho­wo­ge die Schulen auch schon allein deshalb nicht, weil das Abgeordnetenhaus zustimmen müsste, betonte Frensch. „Eine Privatisierung muss immer politisch gewollt sein“, betonte auch Kollatz-Ahnen.

Kritiker befürchten allerdings, der Senat habe durch das Erbbaurecht bei Pfusch am Bau keine Handhabe gegen die Bauherrin Howoge, weil die Mieten ja durch das Land garantiert sind. Dem widersprach Kollatz-Ahnen: Mängel könnten im Rahmen einer 5-Jahres-Garantie geltend gemacht werden. „Die Howoge steht in ihrer unternehmerischen Verantwortung – damit wird aus meiner Sicht der Schutz vor Kunstfehlern eher größer.“

Die Howoge habe bereits begonnen, eine eigene Abteilung für den Schulbau aufzubauen, sagte Geschäftsführerin Stefanie Frensch am Dienstag. Bis Ende des kommenden Jahres sollen 15 MitarbeiterInnen nur für diesen Bereich eingestellt werden. „Wir verstehen uns in erster Linie als Dienstleister, als Partner für die Bezirke“, sagte Frensch am Dienstag. Baubeginn für die erste Schule könnte in der zweiten Jahreshälfte 2020 sein.

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2 Kommentare

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  • Die Schulbauoffensive ist das größte Infrastrukturprogramm der Berliner Legislaturperiode. Regionale Tageszeitungen, Gewerkschaften und Bürgerinitiativen berichten seit Monaten kritisch über die Pläne des Senats. Die taz hat es offensichtlich versäumt, in dieser Zeit Sachkompetenz aufzubauen.

     

    Warum lassen sie die kritischen Stimmen nicht auch persönlich zu Wort kommen, wenn der Finanzsenator hier jegliche Kritik mit EINEM Satz wegbügeln darf? In dieser Art fungiert dieser Artikel als Sprachrohr des Senats. Das ist sehr bedauerlich. Die taz Redaktion sollte sich ernsthafter mit Konzepten des Berliner Senats zu öffentlichen Infrastrukturen und Gemeinwohlinteressen auseinandersetzen.

     

    Wo sie geballte Sachkompetenz und kritsche Fragen finden? Fragen sie doch Carl Waßmuth, Sprecher von Gemeingut in Bürgerinnenhand. Noch schneller geht es über deren Webseite: https://www.gemeingut.org/senat-will-mit-15-stellen-der-howoge-den-berliner-schulbau-retten/

  • Wenn ich das richtig verstehe, dann werden Mängel, die sich erst 5 Jahre nach dem Bau anfangen bemerkbar zu machen, nicht durch die 5-Jahre-Garantie abgedeckt? Und dann vergehen noch 28 Jahre, bis der Kasten an den Bezirk zurück geht. In 33 Jahren kann man auch eine heile Bausubstanz kaputt wirtschaften, nehme ich an. Zumindest unter solch materialmordenden Bedingungen wie einer Schule.

     

    Ich stelle mich zur Verfügung für jedes Bundesland oder auch den Staat: Wenn ihr mal einen "Pessimisten vom Dienst" braucht, um euch auf potentielle Probleme der Zukunft hinzuweisen, bevor ihr sie euch macht... Call me!