Dokumentarfilm „Following Habeck“: Der rennende Politiker
Der Low-Budget-Film „Following Habeck“ zeigt das Leben des Grünen-Politikers Robert Habeck in ebenso unmittelbaren wie unbeholfenen Bildern.
Zweieinhalb Jahre lang hat er dies gemacht: ein- oder zweimal im Monat hat er den Politiker jeweils einen Tag lang mit der Kamera begleitet: nur er – ohne ein Filmteam. Ton und Kamera hat er ganz alleine bedient, und da wackelt das Bild dann auch manchmal, aber dafür ist man immer nah dran.
Habeck spricht ihn auch direkt an: „Was brauchst Du, Malte?“ Distanz kann man von einem Filmemacher bei solchen Produktionsbedingungen nicht erwarten.
Auf einer Ebene wirkt „Following Habeck“ dann auch wie eine große Selbstinszenierung des Politikers, denn er liebt offensichtlich die Kamera und fällt nie aus der Rolle. Aber das weiß Blockhaus, und er sagt selber von seinem Film, dass er „Mäuschen spielen“ wollte und gar nicht den Anspruch hatte, entlarvende Momente aus dem privaten Leben von Habeck zu finden, oder gar zu zeigen, wie Politik funktioniert.
Ein paar Drehtage lang war er im Landtag von Schleswig-Holstein und hat Habeck bei der Arbeit als Minister für die Umwelt gefilmt. Aber das war, wie er sagt, so langweilig, dass er nichts davon für seinen Film verwendet hat. Stattdessen zeigt er Habeck im Grunde ständig im Wahlkampf, denn den dramaturgischen Bogen des Films bildet die Kampagne von Habeck für die Position des grünen Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl 2017.
Der Film läuft am 14. April 2018 bei der Dokumentarfilmwoche in Hamburg (18:30, Lichtmess) und am 20. April 2018 beim Fimfest Schleswig-Holstein in Kiel (19:30, KoKi). Weitere Informationen: www.habeck-film.de
Dafür fuhr er unermüdlich durch das Land, hielt Reden, gab Interviews, plauderte charmant mit Wählern auf einem Biomarkt, und die Kamera zeigt, dass ihm dabei das Kunststück gelingt, zugleich das zu tun, was von ihm erwartet wird und authentisch zu wirken.
Denn es macht ihm sichtlich Spaß: Wenn er in einen vollen Saal kommt, um eine Rede zu halten, ist dies für ihn wie „ein Einlauf in ein Fußballstadion“. Und selbst wenn er von wütenden Landwirten vor seinem Ministerium in Kiel beschimpft wird, scheint dies seine gute Laune nicht zu verderben.
„Er erklärt unheimlich gerne“ sagt Blockhaus und nutzt das für ein paar schöne Pointen: Etwa, wenn Habeck zuerst doziert, dass man sich als Politiker nie beim Abwärtsfahren in einem Fahrstuhl filmen lassen dürfe, weil dies symbolisch für den Abstieg gesehen werden könnte, er es dann aber gleich danach selber tut und dann darüber lacht.
Malte Blockhaus, der in Kiel Geografie studierte, lernte Habeck kennen, als er ihn bat, ihn für seine Diplomarbeit zum Thema Wattenmeer einen Tag lang mit der Kamera begleiten zu dürfen. „Following Habeck“ ist sein erster Langfilm. Blockhaus hat ihn mit einem extrem kleinen Budget von knapp 20.000 Euro produziert, denn ursprünglich wollte er nur einen Sommer lang drehen. In diesem Rahmen wurde der Film dann auch gefördert.
Wenn er geahnt hätte, welche Dimensionen das Projekt mit schließlich 40 Drehtagen annehmen würde, hätte Blockhaus anders geplant um „mehr Mittel an Land zu ziehen“, wie er sagt. Und er hätte sich wohl auch darum bemüht, einen Fernsehsender für den Film zu interessieren. Er glaubt, dass er jetzt „zu radikal und ruckelig“ geworden ist, um gesendet zu werden. „Der Stil passt zum Budget“, findet er.
Tatsächlich kümmert sich Blockhaus nicht um atmosphärisch reiche oder raffiniert komponierte Aufnahmen. Aber die Unmittelbarkeit seiner Bilder macht diesen Mangel an ästhetischer Finesse wieder wett, und in einer Sequenz ist es gerade seine Unbeholfenheit als Kameramann, die einen schönen Effekt ermöglicht:
Sein Film vermeidet peinlichst Bilder aus Habecks Privatleben, doch einmal sieht man ihn bei einer Veranstaltung zusammen mit seiner Frau, der Schriftstellerin Andrea Paluch, die aus einem ihrer Bücher vorliest. Dabei ist die gesamte Aufnahme lang ihr Kopf abgeschnitten, sodass man nur ihren Torso sieht und Habeck, wie er gekonnt die Rolle des amüsierten Zuhörers spielt. So folgt Blockhaus konsequent seinen eigenen Regeln, kann sie aber zugleich ein wenig biegen.
Habeck ist nicht Spitzenkandidat der Grünen geworden, aber wer weiß noch, dass er gerade 75 Stimmen weniger als Cem Özdemir hatte? Blockhaus lässt seinen Film nicht mit der Niederlage enden, bei der Habeck übrigens genau weiß, wie viel Enttäuschung er zeigen kann, ohne schwach zu wirken.
Bei der Wahl in Schleswig-Holstein im Mai 2017 gehörten die Grünen wieder zu den Gewinnern und der Film endet mit Habeck, der in der Jamaika-Koalition wieder Minister ist, sein Dienstzimmer neu einrichtet und sich in den Urlaub verabschiedet. Für Blockhaus ist solch ein Ende, bei dem „Niederlage und Sieg ganz nah beieinander liegen“ genau passend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ende der Ampel-Regierung
Ein Gefühl von Zusammenbruch
Ampelkoalition zerbricht
Scholz will Vertrauensfrage stellen
Ampelkoalition gescheitert
Endlich!
Trumps Wahlsieg in den USA
Gaga für MAGA
Scheitern der Ampelkoalition
Ampel aus die Maus
Trump erneut gewählt
Why though?