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Kommentar zum Haasenburg-ProzessKein Freispruch, keine Verurteilung

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Der vorerst letzte Prozess gegen die Heimerzieher endet ohne strafrechtliche Verurteilung. Auch, weil es nicht um Kinder der oberen Mittelschicht ging.

Das Haasenburg-Heim war nicht die Odenwald-Schule Foto: dpa

D er Prozess gegen zwei ehemalige Betreuer der Haasenburg GmBH endete am Donnerstag nach vier Stunden mit einem Deal. Das Verfahren wird vorläufig eingestellt, wenn die Angeklagten an das mutmaßliche Opfer je eine Geldsumme von 750 Euro als Abgeltung für eventuell entstandene Nachteile zahlen. Ein Freispruch ist das nicht für die beiden Männer, denen vorgeworfen wurde, dem damals 16-jährigen Jungen mit schmerzenden Handgriffen ein Handgelenk beschädigt und eine Ohnmacht herbeigeführt zu haben.

Doch es ist auch keine Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft kann mit dem Deal gut Leben. Das Verfahren wurde abgekürzt, der Zeuge nicht gehört, es gab keine Plädoyers und die Schuldfrage wurde letztendlich nicht geklärt, auch mit Blick auf die Verantwortlichen in der Haasenburg. Ein unpolitisches Ende. Es ist vorerst der letzte Prozess dieser Art, auch wenn ein Ex-Heimbewohner gerade noch letzte juristische Mittel gegen die Einstellung seines Verfahrens einlegt.

Die strafrechtliche Aufarbeitung des Haasenburg-Skandals wäre wohl energischer verlaufen, wenn es hier um Kinder der oberen Mittelschicht a la Odenwaldschule ginge, deren Eltern sich teure Anwälte leisten können. So aber wurden von 70 Verfahren 66 eingestellt, viele Tatvorwürfe wegen Verjährung nicht verfolgt. Die Staatsanwaltschaft hat auch in diesem Prozess die Glaubwürdigkeit des Klägers hinterfragt. Die Strafverfolgung in zwei anderen Fällen beschränkte sich auf Lektüre von Akten; von den Jugendlichen genannte Zeugen wurden nicht gehört. Eine ernsthafte systematische Aufarbeitung des Komplexes Haasenburg steht nach wie vor aus. Die Strafverfolgungsbehörde hat wenig dazu beigetragen, Aufklärung zu schaffen.

Trotzdem wirft dieser Prozess, zu dem es offenbar noch kam, weil die Generalsstaatsanwaltschaft es anordnete, ein Schlaglicht auf die Verhältnisse in den vor vier Jahren geschlossenen Heimen.

Haasenburg hat es jetzt nicht leichter

Und es ist nicht der letzte Akt. Denn es steht immer noch ein anderes Verfahren vor dem Verwaltungsgericht offen, bei dem der Träger gegen die Schließung klagt, um dann zivilgerichtlich Schadenersatz einzufordern.

Hat die Heimfirma Haasenburg jetzt bessere Chancen auf Erfolg, weil es kaum verurteilte Erzieher gibt? Eher nein. Denn zum einen sind Strafrecht und Jugendhilferecht zwei verschiedene paar Schuhe. Strafrecht muss im Zweifel für den Angeklagten streng auf Beweisführung achten. Eine Heimerlaubnis muss widerrufen werden, wenn das Wohl der Kinder nicht sicher ist. Hier zählen nicht nur einzelne Misshandlungen, sondern die auch Gesamtumstände der Heimunterbringung.

Zum anderen könne die Gegner der Schließung aus dem Ausgang des letzten Prozesses gerade keinen Honig saugen. Ist ein Gericht von der Unschuld überzeugt, muss es Freispruch geben.

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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4 Kommentare

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  • In unserem Land sollten alle Aspekte sozialer Diskriminierungen neu überdacht werden. Es kann nicht sein, dass jemand, der reicher ist, einer Freiheitsstrafe zumeist entkommt, und wenn jemand, der kaum Geld hat muss sogar wegen des Schwarzfahrens ins Gefängnis. Ist jeder vor dem Gesetz gleich, wie das Grundgesetz es vorsieht? Oder führt die soziale Ungleichheit fast immer zu Ungleichbehandlung von der Justiz?

  • Als der Skandal der früheren Heimerziehung herauskam und ein Runder Tisch die Aufarbeitung begann und immer wieder hervorgehoben wurde, es sei ja alles verjährt, hat man die Opfer auch mit Almosen abgespeist. Nun jetzt bei der Haasenbuurg ist aber nichts verjährt, die Täter bekommen –wenn überhaupt-lächerlich geringe Strafen und die Opfer einen Betrag, den ich hier nicht einmal aufführen möchte. Was hat sich nun aus der Erfahrung der früheren Heimerziehung zu heute geändert???? All die Gründe die damals schon angeführt wurden, die damalige Heimerziehung mag heute nicht zwangsläufig so allgemein verbreitet sein wie damals, aber sie ist nicht verschwunden und das wirklich erbärmliche daran, es hat sich in den Konsequenzen nichts verändert. Ganz im Gegenteil, es gilt dann wohl bis heute- wer aus ärmlichen Verhältnissen kommt ist es nicht wert eine Kindheit zu haben, er darf weiter gedemütigt, misshandelt und sexuell missbraucht werden. Für die Täter bei den kaum wahrnehmbaren Konsequenzen eine Einladung, in einem Stillschweigeabkommen mit der Justiz. Arme Kinder sind nicht nur Menschen zweiter Klasse, sondern werden auch noch für die Zwecke dieser Täter benutzt ohne spürbare Konsequenzen.

  • Das einzig gute Fazit, das ich aus dem bedrückenden Artikel ziehen kann ist, dass die TA>Z an der Sache dran geblieben ist und immer wieder berichtet hat. Gut, dass es sie gibt, und dass sie weiter ein kritisches Auge auf derartige Missstände richtet.

    • @anyhow:

      Ich habe 4jahre in dieser scheiß Einrichtung vergeudet ...mein Leben ist für immer geschädigt ich habe immer noch Albträume und ich wurde 2012 entlassen ...ich bin jetzt 27jahre alt und kann nicht mehr über Haasenburg reden ohne zu weinen ..ich hätte auch klagen können und anzeigen machen hatte aber Angst diesen Menschen noch Mal unter die Augen zu treten ..und das ist auch ihr Konzept gewesen und nur deswegen sind noch nicht alle ehemaligen Mitarbeiter der Einrichtung in Müncheberg in Haft ...denn es ist noch lange nicht alles an Licht gekommen aber die meisten sind einfach nur froh dort weg zu sein ..mein Name ist Kevin Dziellack und ich sehe nur das leider die Justiz keinen Spielraum für sone masuchthistichen Menschen hat denn die Jugendlichen sind unglaubwürdig nur weil sie viel scheiße gebaut haben und es nicht eingesehen haben auch das zwischenmenschliche wirkt nicht so wie es soll ....ist das ein Grund sie in Frage zu stellen nur weil sie nicht so sind wie sie sollen?