Karsamstag: Ostermarsch durch Moabit: Früher war mehr Ostermarsch
Seit den 60er Jahren gehen die Menschen für Frieden und Abrüstung auf die Straße. Natürlich auch in Berlin. Über die Anfänge der Ostermärsche.
Am Anfang war die Atombombe. Die bedingungslose Kapitulation ist erst zehn Jahre her, da gibt es schon wieder eine Armee in Deutschland. Und einen Bundeskanzler, der sagt: „Die taktischen Atomwaffen sind im Grunde nichts anderes als eine Weiterentwicklung der Artillerie.“ Sofort melden sich prominente Kernphysiker zu Wort, die der Nachwelt als Göttinger Achtzehn bekannt sein werden. Sie schreiben ein Manifest, in dem sie über die Unberechenbarkeit der Atombombe mit der „lebensausrottenden Wirkung“ aufklären. Sie lösen damit eine weltweite Debatte aus. Kanzler Adenauer bleibt bei seiner Entscheidung, die Stationierung atomarer Sprengköpfe beginnt.
Drei Jahre später wird wie schon in Großbritannien auch in der Bundesrepublik „gegen atomare Kampfmittel jeder Art und jeder Nation“ das erste Mal auf der Straße protestiert. 1.000 Friedensaktivist:innen marschieren im April 1960 von Hamburg-Harburg zum Atomraketenstützpunkt Bergen-Hohne im niedersächsischen Celle. Es ist der erste Ostermarsch in der Geschichte der Bundesrepublik und der Beginn der hiesigen Friedensbewegung.
Den Norddeutschen folgen bald auch andere Städte. Bis es den ersten Ostermarsch in Berlin gibt, dauert es aber noch. Es ist die strategische Lage Westberlins nach dem Mauerbau 1961, die die „Kampagne für Demokratie und Abrüstung“ zunächst davon abhält, auch dort einen Ostermarsch durchzuführen. Erst 1967 zieht der erste Ostermarsch in Berlin vom Rathaus Neukölln zum Hohenzollernplatz in Wilmersdorf. An ihm nehmen 3.000 Menschen teil. Die Kommune 1 verteilt bei der Kundgebung einen Flyer mit einem Text von Fritz Teufel. Auf ihm steht: „Ostermarschierer, Ostermärtyrer, Ihr demonstriert für die Zukunft. Ihr protestiert gegen die Bombe. Selber wollt ihr keine legen. Die Bombe steckt im Detail.“
Als der Rädelsführer der Studentenbewegung, Rudi Dutschke, am Gründonnerstag 1968 bei einem Anschlag lebensgefährlich verletzt wird , kommt es schließlich zu den größten Krawallen in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Ostermärsche, die in ganz Deutschland mittlerweile zur Massenbewegung angewachsen sind, verbinden sich in Berlin mit dem Zorn der Studentenbewegung. Er richtet sich nun auch gegen die Notstandsgesetze und den Springer-Verlag. Weil daraufhin die außerparlamentarische Opposition (APO) erstarkt, geraten die Ostermärsche ein wenig in Vergessenheit.
Schmidt brachte Massen auf die Straße
Verschiedene Friedensinitiativen treffen sich am Samstag, dem 31. März, zum traditionellen Berliner Ostermarsch. Das Motto lautet: „Abrüsten statt aufrüsten – Rüstungsexporte stoppen“. Die Demonstration richtet sich auch gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und die Erhöhung der Rüstungsausgaben. Auftakt ist um 12 Uhr vor der Heilandskirche an der Thusnelda-Allee in Moabit. Die Route wird von der Turmstraße durch die Gotzkowskystraße, die Levetzowstraße, vorbei am Mahnmal zum Gedenken an die deportieren Berliner, und durch die Bochumer Straße zurück zur Heilandskirche führen. Bei der Auftaktkundgebung um 12.00 Uhr spricht der Linke-Bundestagsabgeordnete und Musiker Dieter Dehm. Zum Abschluss ist eine Rede von Theologe und Autor Eugen Drewermann geplant. (dpa)
Erst Bundeskanzler Helmut Schmidt ändert das. Auf sein Drängen hin wird 1979 der Nato-Doppelbeschluss verabschiedet: Sollten die Abrüstungsverhandlungen mit der Sowjetunion keinen Erfolg erzielen, würden in Deutschland neue Atomsprengköpfe installiert werden. Die Friedensbewegung reagiert auf dieses beschworene „Gleichgewicht des Schreckens“ – und geht wieder zu Tausenden auf die Straße.
In Berlin organisiert die Hauptschullehrerin Laura Wimmersperg 1982 einen Ostermarsch mit mehreren Zehntausend Menschen. Er startet am Teufelsberg, einem damaligen US-amerikanischen Horchposten.
Seit dem Mauerfall ist die Teilnehmer:innenzahl der Ostermärsche rapide gesunken. Nur 2003 gilt als große Ausnahme. In diesem Jahr protestierten allein in Berlin 500.000 Menschen gegen den Irakkrieg. 2017 sind in Berlin laut Angaben des Veranstalters nur 2.000 Menschen auf die Straße gegangen.
Woran das liegt? 2017 sagte der langjährige Sprecher der Ostermärsche, Willi van Ooyen, im taz-Interview: „Die Mobilisierungsfähigkeit hängt davon ab, ob die Menschen glauben, dass ihr Protest etwas bewirken kann.“ In der Rückschau bedeutet das laut Ooyen aber auch: Die Friedensbewegung habe immerhin erreicht, dass es in der deutschen Gesellschaft ein pazifistisches Bewusstsein gebe. Das stimmt. 83 Prozent der Deutschen sprechen sich gegen Waffenexporte aus, 61 Prozent gegen eine Ausweitung der Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Laut der neuesten Studie des schwedischen Forschungsinstituts Sipri bleibt Deutschland trotzdem der viertgrößte Rüstungsexporteur weltweit. Das Motto des Berliner Ostermarsches ist deswegen nicht nur aufgrund jüngster diplomatischen Entwicklungen gut gewählt. Es lautet: „Abrüsten statt aufrüsten“.
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